Jungen Menschen sitzen auf Stühlen zusammen
Freundschaften im Job haben Schattenseiten – betroffen sind meist andere Kolleginnen und Kollegen. Bildrechte: Colourbox.de

Arbeitspsychologie So anstrengend sind Freundschaften im Job

14. Juni 2023, 17:15 Uhr

Mit Freunden zu arbeiten, hebt die Stimmung – jedoch nicht für alle im Team. Die Vermischung von Dienstlichem und Privatem kann überfordern und uns unhöflich werden lassen. Das belegen zwei aktuelle Studien der Universität Hohenheim. Doch wie lässt sich verhindern, dass zu viel Sympathie am Arbeitsplatz umschlägt?

Freund oder Kollege, das sind zwei unterschiedliche Rollen, von denen wir auch unterschiedliches erwarten: Ein Kollege sollte unparteiisch sein, ein Freund hingegen uns zugeneigt. Ist jemand beides in einer Person, kann das schnell zur Überforderung führen, verbunden mit einem unhöflichen und abwertenden Verhalten anderen gegenüber.

"Dabei ist es wichtig zu wissen, dass dies kein bewusstes Verhalten ist. Vielmehr ist es ein Symptom dafür, dass die Ressourcen zur Selbstregulation der betreffenden Mitarbeiter:innen erschöpft sind. Diese also das Gefühl haben, dass ihre Energie zur Neige geht", so Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Expertin für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Team in zwei unterschiedlichen Studien jeweils über 400 Berufstätige in Großbritannien dazu befragt, wie sie Freundschaft am Arbeitsplatz erleben.

Rollenkonflikte kosten Kraft

Probleme in dieser Hinsicht haben vor allem die Menschen, denen es schwerfällt, die verschiedenen und teilweise widersprüchlichen Anforderungen der beiden Rollen "Freund" und "Mitarbeiter" miteinander in Einklang zu bringen. Wenn sie zum Beispiel selbst in der Rolle als Mitarbeiter zeitlich unter Druck stehen und dadurch die Bedürfnisse des Freundes im Team nach Zuwendung nicht erfüllen können.

Sie erleben einen Rollenkonflikt, weil sie entscheiden müssen, welcher Rolle sie den Vorrang geben sollen.

Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Expertin für Wirtschafts- und Organisationspsychologie

Diese konkurrierenden Anforderungen unter einen Hut zu bekommen, kostet Kraft und kann schließlich zur Erschöpfung führen. Den Unmut darüber bekommen dann oft Dritte zu spüren, also nicht der Freund am Arbeitsplatz. Wird das zum Dauerzustand, leiden auf lange Sicht die Qualität der Arbeit, die Einsatzbereitschaft, die Loyalität und der Teamgeist.

Verstimmungen lassen sich minimieren

Ein "Rezept" gegen die Verstimmungen kann die sogenannte Selbstwirksamkeit der Betroffenen sein, also die Überzeugung davon, wie man schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen kann. Wer bereits die Erfahrung gemacht hat, zwischenmenschliche Probleme gut bewältigen zu können, kann Freundschaften am Arbeitsplatz besser gestalten und so unhöfliches Verhalten besser abfangen. Gelingt das nicht, leiden die Leistungen im Job. Es kann sogar zu häufigeren Fehlzeiten oder gar Fluktuation kommen, wenn die Kollegen sich nicht mehr wohlfühlen.

Oft genügt allein das Wissen über die Risiken und Nebenwirkungen von Freundschaften am Arbeitsplatz schon.

Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Universität Hohenheim

Außerdem gebe es verschiedene Strategien, um die sozialen Beziehungen im Job effektiver zu gestalten, so Fasbender. "Es kann sinnvoller sein, bestimmte Zeiten wie Mittags- oder Kaffeepausen einzuplanen, als während des Arbeitstages mit häufigen Unterbrechungen durch Freund:innen am Arbeitsplatz zurechtzukommen", rät die Expertin. "Zudem sollte ein beiderseitiges Bewusstsein dafür geschaffen werden, sich bei der Arbeit möglichst objektiv zu behandeln. Dazu gehört es beispielsweise, sich in Meetings konstruktiv kritisieren zu können, ohne dass dies als Kritik an der Freundschaft verstanden wird."

Aber auch Unternehmen können einiges dazu beitragen, dass Freundschaften am Arbeitsplatz positiv erlebt werden. "Oft genügt es, das Bewusstsein für die mögliche Problematik zu fördern", so Psychologin Fasbender. "Dies kann beispielsweise durch kleine Artikel im Newsletter oder im Intranet geschehen. Auch Führungskräfte sollten sich in ihrer Ausbildung mit dem Thema auseinandersetzen."

Generell aber kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass die positiven Effekte von Freundschaften am Arbeitsplatz überwiegen: Das Gefühl der Zugehörigkeit und Verbundenheit, höheres Wohlbefinden. All das fördert die Kreativität und Innovation im Team.

Links/Studien

Studie "Bewältigung der Risiken und Nebenwirkungen von Freundschaften am Arbeitsplatz: Die moderierende Rolle der Selbstwirksamkeit von Freundschaften am Arbeitsplatz", erschienen in ScienceDirect.

krm

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Dieses Thema im Programm: MDR JUMP | Morningshow | 08. Juni 2022 | 05:20 Uhr

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