Studie Wie sich in der Schwangerschaft das Gehirn von Frauen verändert
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16. September 2024, 17:46 Uhr
Das Gehirn einer schwangeren Frau durchläuft ähnliche Veränderungen wie in der Pubertät, legt eine neue Studie nahe. Die graue Substanz im Gehirn geht demnach zurück, die weiße Substanz nimmt zu. Studien wie diese könnten in Zukunft helfen, das Risiko einer Wochenbettdepression schneller zu erkennen.
Die Forschungsgruppe der Universität Kalifornien in Santa Barbara (USA) nennt das, was sie erstellt hat, die "erste Karte des menschlichen Gehirns im Verlauf der Schwangerschaft". Und tatsächlich gab es so eine ausführliche Beobachtung noch nie. In einem Zeitraum von kurz vor Beginn der Schwangerschaft bis zwei Jahre nach der Geburt wurden bei einer Erstgebärenden im Rhythmus von wenigen Wochen aufwändige Gehirnuntersuchungen vorgenommen. "Wir wollten den Verlauf der Gehirnveränderungen speziell innerhalb des Schwangerschaftszeitraums untersuchen", sagt Laura Pritschet, Hauptautorin der Studie. Frühere Studien hätten Momentaufnahmen des Gehirns vor und nach der Schwangerschaft gemacht, so Pritschet, aber noch nie habe man das "schwangere" Gehirn inmitten dieser Metamorphose gesehen.
Die gewonnenen Daten zeigen Veränderungen im Gehirn während der Schwangerschaft, die darauf hindeuten, dass das Gehirn nicht nur in der Pubertät, sondern auch noch im Erwachsenenalter zu einer erstaunlichen Neuroplastizität fähig ist. Die deutlichsten Veränderungen waren eine Abnahme des Volumens der kortikalen grauen Substanz, des faltigen äußeren Teils des Gehirns. Das Volumen der grauen Substanz nimmt ab, wenn die Hormonproduktion während der Schwangerschaft ansteigt. Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, betonten die Wissenschaftler. Diese Veränderung könnte auf eine "Feinabstimmung" der Gehirnschaltkreise hindeuten, nicht unähnlich dem, was bei allen jungen Erwachsenen passiert, wenn sie in die Pubertät kommen und sich ihr Gehirn weiter spezialisiert. Eine Schwangerschaft spiegelt wahrscheinlich eine weitere Phase der kortikalen Verfeinerung wider.
Weniger offensichtlich, aber ebenso bedeutsam, fanden die Forscher eine auffällige Zunahme der weißen Substanz, die sich tiefer im Gehirn befindet und im Allgemeinen für die Erleichterung der Kommunikation zwischen den Gehirnregionen verantwortlich ist. Während die Abnahme der grauen Substanz noch lange nach der Geburt anhielt, war die Zunahme der weißen Substanz nur vorübergehend, erreichte ihren Höhepunkt im vierten bis sechsten Schwangerschaftsmonat und kehrte um die Zeit der Geburt auf das Niveau von vor der Schwangerschaft zurück.
Diese Art von Effekten war zuvor noch nie mit Vorher-Nachher-Scans erfasst worden, so die Forschungsgruppe, wodurch sich besser abschätzen lässt, wie dynamisch das Gehirn in einem relativ kurzen Zeitraum sein kann. Der Datensatz der Untersuchung dient außerdem als Ausgangspunkt für künftige Studien, die ergründen sollen, ob Ausmaß oder Tempo solcher Gehirnveränderungen mit dem Risiko für eine postpartale Depression (auch postnatale Depression oder Wochenbettdepression genannt) im Zusammenhang stehen. "Eine Früherkennung ist nach wie vor schwer zu erreichen", sagt Laura Pritschet. "Je mehr wir über das mütterliche Gehirn erfahren, desto größer ist die Chance, dass wir Abhilfe schaffen können."
Links/Studien
Die Studie "Neuroanatomical changes observed over the course of a human pregnancy" ist im Fachjournal "Nature Neuroscience" erschienen.
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Expertenrat | 26. August 2024 | 20:00 Uhr