Symbolbild polyglott/mehrsprachig
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Wissen-News Auch bei Polyglotten bleibt die Muttersprache für das Gehirn etwas Besonderes

12. März 2024, 17:35 Uhr

Je besser man eine Sprache versteht, umso stärker arbeitet das Gehirn, wenn man diese Sprache hört. Einzige Ausnahme: Man beherrscht mehrere Sprachen und hört seine Muttersprache. Dann lehnt sich das Sprachnetzwerk im Gehirn gewissermaßen zurück und geht in einen sparsameren Modus.

Schon 2021 hatte Evelina Fedorenko vom Massachusetts-Institut für Technologie (MIT) mit ihrem Team festgestellt, dass das Sprachverarbeitungsnetzwerk im Gehirn bei Menschen, die mehrere Fremdsprachen beherrschen, weniger aktiv ist, wenn sie ihre eigene Muttersprache hören als bei Menschen, die nur diese Muttersprache beherrschen. Nun wollte die Forschungsgruppe aber noch einen Schritt weitergehen und untersuchen, was bei polyglotten Menschen, die mindestens fünf Fremdsprachen auf unterschiedlichem Niveau beherrschen, im Gehirn passiert, wenn sie die jeweiligen Sprachen hören.

Für die Studie rekrutierten die Forscher 34 polyglotte Personen, die fünf oder mehr Sprachen beherrschten, aber nicht von Kindesbeinen an mehrsprachig aufgewachsen waren. Sechzehn der Teilnehmer sprachen zehn oder mehr Sprachen, darunter einer, der sogar 54 Sprachen einigermaßen beherrschte. Jeder Teilnehmer wurde mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) gescannt, während er Passagen hörte, die in acht verschiedenen Sprachen gelesen wurden: in der Muttersprache, einer sehr gut beherrschten Fremdsprache, einer mittelprächtig beherrschten Fremdsprache, einer nur rudimentär beherrschten Fremdsprache und vier nicht beherrschten Fremdsprachen.

Die Gehirnscans zeigten, dass das Sprachnetzwerk am stärksten aufleuchtete, wenn die Probanden Fremdsprachen hörten, die sie am besten beherrschten. "Hier erhalten wir einen Hinweis darauf, dass die Reaktion im Sprachnetzwerk mit dem Grad des Verständnisses des Inputs steigt", sagt Saima Malik-Moraleda, Hauptautorin der Studie. Dies galt jedoch nicht für die Muttersprachen der Probanden, die das Sprachnetzwerk viel weniger aktivierten als Nicht-Muttersprachen, in denen sie ähnlich gut waren. Dies deutet darauf hin, dass die Menschen ihre Muttersprache so gut beherrschen, dass das Sprachnetzwerk sich nicht sehr anstrengen muss, um sie zu interpretieren.

In dieser Studie waren fast nur polyglotte Personen vertreten, die sich ihre Fremdsprachenkenntnisse erst im Teenager- oder Erwachsenenalter angeeignet hatten. Die Forschungsgruppe hofft, in Zukunft auch Personen zu untersuchen, die von klein auf zwei oder noch mehr Sprachen gelernt haben. Mögliche Fragen wären dann, ob das Hirn bei diesen Sprachen "gleich wenig" Aktivität aufweist – oder ob im Gehirn vielleicht nur "Platz" für eine Muttersprache ist, über die man kaum nachdenken muss.

(rr)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Warum heißt es Muttersprache und nicht Vatersprache? | 25. Februar 0024 | 14:23 Uhr

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