Zwei Menschen schütteln sich die Hand 1 min
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Vertrauen in Forschende Wissenschaft und Öffentlichkeit: "Eine feine Balance finden"

27. Januar 2025, 13:55 Uhr

Eine neue Untersuchung, an der auch Forschende aus Thüringen mitgerabeitet haben, zeigt, dass das globale Vertrauen in Forschende auf einem moderat hohen Niveau ist. Auch zum Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Wissenschaft gab es Erkenntnisse.

Am Tag der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump haben 241 Wissenschaftler eine globale Studie veröffentlicht: Knapp 72.000 Menschen aus 68 Ländern wurden für die Untersuchung zum Vertrauen in Forscherinnen und Forscher befragt. Weltweit sei dies auf "moderat hohem" Niveau, so das Ergebnis. Die Daten widerlegen die Erzählung einer weitreichenden Vertrauenskrise gegenüber Wissenschaftlern, schreibt das Team unter der Leitung von Victoria Cologna und Niels Mede aus Zürich. Vielmehr würden sich mehr Menschen wünschen, dass sich die Wissenschaft stärker in Politik und Gesellschaft einbringt.

Deutschland im unteren Mittelfeld

Johannes Bauer untersucht als Bildungsforscher an der Universität Erfurt das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Er ist Mitglied am "Institute for Planetary Health Behaviour" (Institut für klimagesundes Verhalten), deren Direktorin Cornelia Betsch an der neuen Untersuchung mitgewirkt hat. Bauer sagt zu den Ergebnissen: "Insgesamt sind die Befunde dieser Studie im Einklang mit dem, was wir in anderen Studien sehen, dass es ein eher positiv geprägtes Vertrauen in Wissenschaft gibt, das jetzt aber nicht in den extremen Bereich hineinreicht."

Vertrauenswürdigkeit in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzte sich in der Untersuchung aus vier Dimensionen zusammen: wahrgenommene Kompetenz, Wohlwollen, Integrität und Offenheit. Auf einer fünfstufigen Skala von sehr gering (1) bis sehr hoch (5) lag der globale Durchschnitt bei 3,62. Das höchste Vertrauen hatten Menschen in Ägypten (4,30) und Indien (4,26), Schlusslicht war Albanien (3,05). Deutschland lag mit einem Schnitt von 3,49 im unterem Mittelfeld der untersuchten Länder.

Johannes Bauer steht in Anzug mit verschränkten Armen und grinsend vor einer graumelierten Wand. 24 min
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Einfluss von Gesellschaft und Kultur groß

In der Untersuchung wurden auch Variablen zur Demografie, Ideologie und Einstellungen gegenüber Wissenschaft erhoben. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Frauen, ältere Menschen, religiösere Personen, Menschen mit hohem Bildungsstatus, höherem Einkommen und städtischem Wohnsitz ein größeres Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben. Die Zusammenhänge variieren allerdings zwischen Ländern. Bauer unterstreicht: "Das finde ich wirklich einen großen Mehrwert, den diese Studie leistet, diese Variabilität aufzuzeigen, weil es demonstriert, dass das keine gottgegebenen Zusammenhänge sind, die immer so ausfallen, sondern dass das abhängig von gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen ist."

Ost-West-Vergleich: Ausbaufähige Datenlage

Eine Aufschlüsselung innerhalb Deutschlands liefert die internationale Studie nicht. Generell gebe es zum Vergleich zwischen Ost und West relativ wenige Daten, so Bauer. Betrachtet man diese, so zeigten sich allerdings nur geringe Unterschiede zwischen neuen und alten Bundesländern. "Die mittleren Unterschiede sind tatsächlich erstaunlich gering. Wo es ein bisschen größere Unterschiede gibt, ist ein neuralgischer Punkt: das Gefühl, dass die Wissenschaft zu stark beeinflusst ist durch Wirtschaft und Politik, das ist in Ostdeutschland bei den Befragten tatsächlich etwas größer."

Die Unterschiede sind eher klein und nicht immer konsistent mit stereotypen Erwartungen.

Professor Johannes Bauer zu Vertrauen in Forschende in Ost und West

Auch die Skepsis gegenüber spezifischen Forschungsthemen wie Klimawandel, Impfungen und Genderstudies sei im Osten größer. Darüber hinaus sei bei der Einstellung zur Frage, wie wichtig die Einbeziehung der Bürger in Entscheidungen über Forschungsthemen sei, eine tendenziell stärkere Polarisierung zu erkennen. "Da ist die Gruppe der Leute, die dem sehr zustimmen und die das sehr ablehnen, etwas größer als im Westen. Das macht sich nicht im Mittelwertunterschied bemerkbar, sondern da sind die Extrempositionen etwas stärker besetzt", erklärt Bauer.

Doch deuten die Daten laut dem Bildungsforscher darauf hin, dass die Unterschiede "eher klein sind und nicht immer konsistent mit stereotypen Erwartungen, die man jetzt vielleicht auf Basis der Berichterstattung oder der Diskussion in der Öffentlichkeit über Ost-West-Unterschiede haben könnte".

Verhältnis von Politik und Wissenschaft: "Eine feine Balance finden"

Die Frage, wie viel Vertrauen es zwischen Öffentlichkeit und Forschung überhaupt braucht, konnten weder die globale Untersuchung noch der Erfurter Wissenschaftler final beantworten. Doch zeige die Studie von Cologna und Mede, dass eine große Mehrheit eine stärkere Einbeziehung von Wissenschaft auf politische Entscheidungsfindung fordere. "Es ist tatsächlich so, dass der Druck auf die Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation zu betreiben, mit dem eigenen Wissen in die Öffentlichkeit zu gehen, größer wird. Aber das bedeutet eben auch, dass man sich stärker exponiert, sich öffentlich positioniert und letztlich auch in gewisser Weise eine feine Balance finden muss", schlussfolgert Bauer.

Der Bildungsforscher wirft eine Reihe von Fragen auf. "Was sind jetzt Positionen, wo ich tatsächlich meine Erkenntnisse oder Erkenntnisse aus meinem Fachbereich in die Öffentlichkeit transportiere, also eine informierende Funktion habe? Was sind Maßnahmen, die vielleicht im Einklang mit solchen Erkenntnissen stehen, wo aber letztlich dann die Politik oder die Gesellschaft die Entscheidung darüber treffen muss und letztlich auch die Verantwortung für die Umsetzung treffen muss? Und was sind vielleicht auch Positionen, die ich als informierter Bürger oder als informierte Bürgerin äußere, weil es eben Teil einer politischen Debatte ist, wo ich mich jetzt aber nicht mehr als Person aus der Wissenschaft äußere. Sich da immer konsistent zu verorten, ist sicherlich eine große Herausforderung."

Links

Die Studie "Trust in scientists and their role in society across 68 countries" ist im Journal "Nature Human Behaviour" erschienen. Das "Science Media Center" hat die Stimmen einiger Wissenschaftler zur Untersuchung gesammelt. Langfristige Daten zu Einstellungen zu Wissenschaft und Forschung in Deutschland finden sich beim "Wissenschaftsbarometer".

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. Januar 2025 | 06:21 Uhr

87 Kommentare

dimehl vor 9 Wochen

@MDR-Team:
Diesen Teil Ihren Antwort, so richtig er ist, kann ich nicht in Bezug zu meinem Kommentar bringen.
Nebenbei:
Was Kosmologie ist, sollte bekannt sein.
Ebenso, daß der Kosmos kein "Schicksal" hat, dieser Begriff bezieht sich auf Menschen. Die Ostsee oder die Alpen haben schließlich auch kein "Schicksal".

MDR-Team vor 9 Wochen

Hauptbereiche der Wissenschaft sind:

- Naturwissenschaften: Untersuchen die physikalische Welt, die Natur und das Universum.

- Geisteswissenschaften: Befassen sich mit dem menschlichen Denken, Handeln und kulturellen Ausdrucksformen.

- Sozialwissenschaften: Analysieren Gesellschaft, soziale Strukturen und menschliches Verhalten.

- Technikwissenschaften: Entwickeln technologische Lösungen für praktische Probleme.

- Formale Wissenschaften: Beschäftigen sich mit abstrakten Systemen und deren logischer Struktur.

Kosmologie ist die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Untersuchung des Universums als Ganzes befasst (Struktur, Entstehung, Entwicklung und das mögliche Schicksal). Dabei verbindet die Kosmologie Erkenntnisse aus der Astronomie, der Physik, der Mathematik und der Philosophie.

MDR-Team vor 9 Wochen

Hallo @dimehl,
Wissenschaft ist ein methodischer Prozess zur Erweiterung unseres Wissens über die Welt. Sie ist geprägt von Objektivität, Systematik und der Bereitschaft zur Selbstkorrektur. Ihre Bedeutung liegt nicht nur in der Erklärung und Vorhersage von Phänomenen, sondern auch in der praktischen Anwendung, die das Leben der Menschen verbessern kann.

Kernmerkmale der Wissenschaft:

- empirische Basis,
- Systematik,
- Objektivität und
- Kommunikation und Überprüfbarkeit

Wissenschaft ist ein dynamischer Prozess, der durch neue Erkenntnisse alte Theorien revidiert oder erweitert. Hierbei ist das "oder erweitert" wichtig, denn in vielen Dingen gibt es einen wissenschaftlichen Konsens, der durch die Kernmerkmale der Wissenschaft geprägt ist.

Sie haben recht, Wissenschaft liefert keine absoluten Wahrheiten, sondern immer nur den aktuellen Stand des Wissens, aber sie bietet Fakten als Grundlage für Diskussionen. Solche Fakten sind belegt und Mittel der Wissenschaft.

Herzliche Grüße

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