Mondkolonie Russisch-chinesisches Atomkraftwerk soll auf dem Mond entstehen
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04. April 2024, 15:28 Uhr
Der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos spricht über ein mögliches Atomkraftwerk auf dem Mond. Dabei will Russland mit China kooperieren. Es ist nicht der erste Versuch einer Zusammenarbeit. Die Föderation will mit ihrer Nukleartechnik noch andere Ziele erreichen.
Russland und China denken ernsthaft darüber nach, ein gemeinsames Atomkraftwerk auf der Mondoberfläche zu errichten. Beide Nationen hatten bereits im Jahr 2021 eine Absichtserklärung unterschrieben, um ihre Zusammenarbeit im Weltraum auszubauen.
Damals ging es auch um die Errichtung einer gemeinsamen Mondbasis, der internationalen Mondforschungsstation ILRS (International Lunar Research Station). Diese soll bis zum Ende der 2020er-Jahre in der Südpolregion unseres stellaren Nachbarn entstehen und robotisch errichtet werden. In den kommenden Jahren wird die Volksrepublik dafür mehrere Chang’e-Mondmissionen entsenden. Die Russische Föderation sollte den Bau mit seinen Luna-Missionen unterstützen.
Das Auf und Ab der russischen Weltraumziele
Im August 2023 scheiterte aber die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos an der sanften Landung der Luna-25-Mission. "Auf keinen Fall sollte das Mondprogramm unterbrochen werden – das wäre die schlechteste Entscheidung", erklärte Juri Borissow (Chef der Raumfahrtbehörde) am 21. August 2023 im russischen Staatsfernsehen.
Jedoch wurde es seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine um die Kooperationspläne auf dem Erdtrabanten seitens China still. Zwar prüft die Volksrepublik verschiedene Varianten von bodengestützten Stationen – Russland scheint aber für die Öffentlichkeit derzeit kein fester Partner mehr für das ILRS zu sein. Welche Pläne hinter verschlossener Tür besprochen werden, ist unbekannt.
Die Volksrepublik bleibt zwar weiterhin still, dafür spricht der Roskosmos-Chef über den möglichen Bau eines gemeinsamen Kernkraftwerks zur Versorgung von Mondsiedlungen. Dieses soll zwischen den Jahren 2033 und 2035 autonom und ohne die Hilfe eines menschlichen Kosmonauten oder Yuhang yuan (chin. Bezeichnung für Raumfahrenden) installiert werden.
Das russische Know-how zur Atomenergie
Die Zentralregierung in China hatte bereits im Jahr 2019 ein Projekt ins Leben gerufen, um leistungsstarke Atomkraftwerke für den Mond und Mars zu planen. "Wir entwickeln jetzt ein neues System, das Kernenergie nutzt, um den langfristigen Energiebedarf der Mondstation zu decken", erklärte der Leiter des chinesischen Mondprojekts Wu Weiran im November 2022. Die Anlage soll bis zum Jahr 2028 errichtet werden und ein Megawatt Strom erzeugen können – ausreichend, um Hunderte von Haushalten ein Jahr lang zu versorgen.
Der aktuelle Stand des Projektes ist ungewiss. Ohnehin geht es dabei vor allem um die ILRS-Basis. Bei dem neuen Projekt wird Russland vor allem sein Fachwissen über nukleare Raumenergie bereitstellen. Laut Borissow könnten Solarzellen nicht genug Strom für künftige Mondsiedlungen liefern, weswegen die Atomenergie notwendig für die Errichtung von Kolonien sei – er spricht tatsächlich von mehr als einer Basis.
Auch wenn Russland anderen Ländern wie etwa Saudi-Arabien sein Wissen um die Raumfahrt anbietet, wird die Föderation nicht mehr zu den führenden Weltraummächten gezählt. China gehört dagegen zu den aufstrebenden Nationen und will alleine in diesem Jahr etwa 100 Raketenmissionen starten.
Dafür sind viele Länder – auch in Europa – in einem anderen Bereich von Russland abhängig: Atomenergie. Das wiederum weckt die Sorge, dass russische Nuklearsprengkörper im Weltall positioniert werden. Die USA haben dem Land kürzlich vorgeworfen, dass es Satelliten mit einer neuartigen atomaren Waffe bekämpfen will.
Laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei dies falsch. Es sei ein Trick, um Russland zu Waffenverhandlungen zu den Bedingungen des Westens zu bewegen. Inwieweit man den Worten Putins Glauben schenken will, sei dahingestellt. Fakt ist aber, dass sich Russland bereits in der Vergangenheit gegen die atomare Aufrüstung im Weltall ausgesprochen hat. Borissow bekräftigt diese Haltung erneut.
Russland baut an nuklearer Antriebstechnik für Raumschiffe
Anders sieht es bei der nuklearen Antriebstechnik für Raumschiffe aus. Sowohl in den USA als auch in der Föderation wird (unabhängig voneinander) an einer sicheren Umsetzung gearbeitet. "Wir arbeiten tatsächlich an einem Weltraumschlepper", erklärt der Roskosmos-Chef. "Diese riesige, zyklopische Struktur wäre dank eines Kernreaktors und einer Hochleistungsturbine in der Lage, große Ladungen von einer Umlaufbahn in eine andere zu transportieren, Weltraummüll einzusammeln und viele andere Anwendungen durchzuführen."
Eine solche Technik könnte die Reisezeit von interstellaren Flügen zum Mars oder Jupiter drastisch verkürzen. Ein Vertrag über die Entwicklung eines Vorprojekts für den nuklear angetriebenen Raumschlepper Nuklon wurde im Mai 2021 unterzeichnet. Das russische Konstruktionsbüro Arsenal soll diesen bis zum 28. Juli 2024 ausliefern.
Ob es bei diesem Termin bleibt, ist abzuwarten. Ebenso, ob bis zum Jahr 2030 das Transport- und Energiemoduls Zeus zum Jupiter aufbricht. Die Missionsdauer soll lediglich 50 Monate betragen. Zum Vergleich: Die europäische Raumsonde Juice ist letztes Jahr gestartet und wird den Gasriesen erst im Jahr 2031 erreichen.
(K)ein Wettrennen zum Mond
Die Ambitionen des Kremls sind somit groß. Ein Wettrennen zum Mond gibt es von russischer Seite aus aber nicht. Während seiner Amtszeit erklärte der ehemalige Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin, dass sie nicht bereit wären, sich "an irgendeinem Wettlauf zum Mond zu beteiligen". Rogosin wurde wegen seiner Provokationen hinsichtlich eines möglichen Absturzes der Internationalen Raumstation ISS – wenn Russland sich aus dem Gemeinschaftsprojekt aufgrund der verhängten Sanktionen zurückziehen würde – zu Beginn des Ukrainekriegs suspendiert.
Die chinesische Mondbasis ILRS soll bis zum Ende dieses Jahrzehnts errichtet werden. Ursprünglich sollte sie rein robotisch konzipiert werden. Mittlerweile soll sie auch Platz für Raumfahrende bieten. In Peking will man den ersten chinesischen Raumfahrenden bis 2030 auf der Mondoberfläche sehen.
Kein Wunder, dass Bill Nelson (Administrator der US-Raumfahrtbehörde Nasa) von einem neuen Wettrennen zwischen China und den USA zu unserem stellaren Nachbarn spricht. Zwar wird dieser Vorwurf in der Volksrepublik dementiert, jedoch könnten die Chinesen noch vor den Amerikanern und ihren internationalen Partnern eine funktionstüchtige Basis am Mondsüdpol errichten.
Russland will bis zu den 2030er-Jahren zunächst weitere Luna-Missionen zum Trabanten schicken. Luna-26 soll voraussichtlich im Jahr 2027 aufbrechen, Luna-27 soll bis 2028 starten und Luna-28 schließlich bis zum Jahr 2030.
Für seine eigene Mondbasis will sich Roskosmos bis 2040 Zeit lassen. In Moskau wird derzeit geprüft, ob eine russisch-chinesische Mission mit Besatzung und sogar eine gemeinsame Mondbasis – abseits der internationalen Mondforschungsstation ILRS – umsetzbar ist.
Links/Studien
Agenturmeldung von Reuters (5. März 2024): Russia says it is considering putting a nuclear power plant on the moon with China (Russland erwägt, gemeinsam mit China ein Kernkraftwerk auf dem Mond zu errichten).
Leitfaden zur russisch-chinesischen Kooperation im Weltall (16. Juni 2021): International Lunar Research Station (ILRS) Guide for Partnership (Internationale Mondforschungsstation (ILRS) Leitfaden für Partnerschaften).
Bericht der south China Morning Post (22. November 2022): China is developing new nuclear system to power moon base expected to be up and running by 2028 (China entwickelt neues Nuklearsystem für die Stromversorgung einer Mondbasis, die bis 2028 in Betrieb sein soll).
Blue Book der China Aerospace Science and Technology Corporation (CASC).
Beitrag von der Wiener Umwelt Anwaltschaft WUA (Februar 2023) zu einer Studie: Europas Atomenergie ist von Russland abhängig (02/2023).
Bericht der Tagesschau: USA äußern sich zu angeblicher Anti-Satelliten-Waffe.
Agenturmeldung von Tass (32. Mai 2021): First mission of Russia’s nuclear-powered space tug to take 50 months (Die erste Mission des russischen Raumschiffs mit Nuklearantrieb soll 50 Monate dauern).
Beitrag in Politico (1. Januar 2023): ‘We better watch out’: NASA boss sounds alarm on Chinese moon ambitions (Wir sollten aufpassen": NASA-Chef schlägt wegen chinesischer Mondambitionen Alarm).
Die Studie zur chinesischen Mondbasis in Höhlen wurde am 22. Februar 2022 im Fachmagazin Remote Sensing veröffentlicht: Lunar Mare Fecunditatis: A Science-Rich Region and a Concept Mission for Long-Distance Exploration (Das Mare Fecunditatis auf dem Mond: eine wissenschaftlich reiche Region und ein Missionskonzept für die Langstreckenerkundung).
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 03. Januar 0024 | 14:06 Uhr
Graf von Henneberg vor 30 Wochen
Ach so, bestimmt für die Wickinger,
denn der "Postillon" schreibt u.a.:
Houston (Archiv) - Die Geschichte der Raumfahrt muss wohl umgeschrieben werden. Auf der erdabgewandten Seite des Mondes haben Wissenschaftler der NASA eine verlassene Wikingersiedlung aus dem 10. Jahrhundert entdeckt, die belegt, dass Nordmänner lange vor den USA als erste Menschen den Erdtrabanten betraten. In der Blütezeit der Siedlung lebten dort schätzungsweise 200 Wikinger mit ihrem Vieh.
Erna vor 30 Wochen
Ich denke man sollte dies einfach als Vorstufe zu einer Marssiedlung oder später auch mal weitere Reisen sehen. Mit Wind und PV kann man eben nicht durch das Weltall reisen. Selbst für die Bahnkorrekturen der ISS helfen keine Solarpannele sondern nur Treibstoff. Siedlungen und Maschinen brauchen Strom. Einen Kernreaktor auf den Mond oder Mars zu schießen ist halt weniger Aufwand als unzählige Solarpaneele samt Stützkonstruktionen. Das ist nunmal die Realität.
Shantuma vor 30 Wochen
Aber vielleicht kann mir ja der allwissende Peter mal sagen, wie man sonst Energie gewinnen möchte.
Kleiner Tipp der Mond hat keine Atmosphäre.
D.h. Kraftwerke die auf Verbrennung setzen funktionieren nicht, ebenso nicht die Windkraft.
Bleibt die Sonne über.
Ja auf dem Mond geht dies noch,
Wie sieht dies aber auf dem Mars aus?
Der ist wesentlich weiter von der Erde entfernt. Die Atmosphäre ist schwach. Windkrafträder werden wohl dann auch von den Marsstürmen zerlegt.
Also Peter der Allwissende, was soll man nutzen?
Und nuklearer Zerfall ist etwas was man schon lange erfolgreich in der Raumfahrt einsetzt. Siehe Voyager-1.
Und dafür muss man kein AKW-Fan sein, dies ist dummes schwarz-weiß-Denken, sondern man muss die Sache auch mal neutral betrachten können.
Achja, Sie sind ja Peter ... und Peter kann sowas nicht.