Das Schiff Polarstern in der Arktis
Das deutsche Forschungsschiff Polarstern bei der Mosaic-Expedition im Nordpolarmeer: Auch hier war Russland ein wichtiges Partnerland, auf das die Wissenschaftler künftig fürs Erste verzichten müssen. Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

Arktis und Sibirien Warum der Ukraine-Krieg die Klimaforschung vor gewaltige Probleme stellt

21. März 2024, 14:00 Uhr

Nirgendwo erwärmt sich das Klima so schnell wie über der Arktis. Deren größter Anrainerstaat heißt Russland. Der Ukraine-Krieg schafft daher ernsthafte Hindernisse für Forschungsprojekte mit deutscher Beteiligung.

Am Nordpol schmilzt derzeit das Eis, denn die Lufttemperaturen erreichen den Taupunkt von 0 Grad. Für Ende März ist das extrem ungewöhnlich, sagen Klimaforscher. Ursache sind offenbar warme Luftmassen über dem Atlantik, die von der grönländischen Küste aus nach Norden strömen. Diese Luftmassen wollen Forscher unter Führung der Universität Leipzig in den kommenden Wochen genau vermessen. Im Rahmen der HALO-(AC)3 Kampagne holen sie Messungen nach, die eigentlich 2020 bereits während der Mosaic-Expedition unternommen werden sollten, wegen der Corona-Pandemie aber ausgesetzt wurden. Mit insgesamt fünf Flugzeugen werden sie den Bereich zwischen Grönland und der Arktis durchfliegen. Der östlich von Spitzbergen beginnende russische Luftraum ist für die Forscher allerdings tabu. Schon vor dem Ukraine-Krieg gab es keine Genehmigung und nun würde sie wohl erst recht nicht mehr erteilt werden.

Permafrost taut auf – Forschung liegt auf Eis

Russland ist der größte Anrainerstaat der Arktis und das wird für die Klimaforschung nun zu einer gewaltigen Herausforderung. Denn als Reaktion auf den Einmarsch in die Ukraine haben viele deutsche Forschungsgesellschaften und Institute ihre gemeinsamen Projekte mit russischen Wissenschaftlern eingefroren. Während die Arktis immer heißer wird, müssen wichtige Messungen für Klimaforschung daher auf Eis gelegt werden.

Antje Boetius
AWI-Direktorin Antje Boetius: Die Messungen in Sibirien sind auf Eis gelegt. Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

An der Mosaic-Expedition war Russland noch beteiligt, nun müssen damit verbundene, oft langfristige Beobachtungsreihen pausiert werden. Dieser Schritt trifft unter anderem das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung hart. "Gerade die sibirische Arktis mit ihren Hitzewellen im Sommer ist die Region, wo wir hinschauen müssen", sagt AWI-Direktorin Antje Boetius. In Sibirien wollen Forschende eigentlich herausfinden, wie schnell Permafrostböden auftauen, in denen große Mengen CO2 gespeichert sind, das zu entweichen droht. "Dort müssten jetzt eigentlich Geräte ausgetauscht werden. Das ist gestoppt." Boetius selbst wollte in einigen Wochen nach Nowosibirsk reisen, auch das ist abgesagt.

Drohende Repressalien für Kritiker: Keine Distanzierung von russischen Forschern erwarten

Nur einige wenige Projekte dürfen weitergeführt werden. Die Regeln dafür hat das AWI zusammen mit dem Bundesforschungsministerium und dem Außenministerium getroffen. Auch Veröffentlichungen mit russischer Beteiligung sollen weiter möglich sein. "Ein Verbot des gemeinsamen Denkens auf Basis einer nationalen Zugehörigkeit kennt die Wissenschaft nicht", betont Boetius und stellt klar: "Der Boykott richtet sich gegen das Regime und seine Institutionen, nicht gegen die Zivilgesellschaft und damit auch nicht gegen russische Forschende."

Öffentliche Distanzierungen der russischen Forscher von ihrer Regierung erwartet Boetius dabei nicht. "Ich bin da vorsichtig, auch wegen unserer Geschichte. Wo Menschen erhebliche Repressalien drohen, wenn sie sich gegen ihre Regierung stellen, ist es schwierig, von Einzelnen zu verlangen, sich zu positionieren."

Projekt Icarus – Moskau schickt keine Trackingdaten mehr von Zugvögeln

Projektleiter Martin Wikelski stattet einen Hellroten Ara mit einem nur wenige Gramm wiegenden Icarus-Sender aus. 3 min
Bildrechte: S. Izquierdo

Andere Forschungsinstitute suchen nun fieberhaft nach Alternativen. So sollte das Projekt Icarus beispielsweise mit russischer Hilfe den Strom von Zugvögeln und anderer Tiere auf der Erde erforschen. Dazu wurden viele Tiere mit Minisendern ausgestattet, ihre Bewegungen dann mit einer Antenne erfasst, die an der Außenhülle des russischen ISS-Moduls installiert wurde.

"Seit dem 3. März bekommen wir keine Daten mehr aus Moskau", sagt Projektleiter Martin Wikelski. "Und wir gehen davon aus, dass wir nie wieder Daten bekommen." Die Kooperation mit Russland sei Geschichte. Allerdings stehe das Mammutprojekt deshalb nicht vor dem Aus. "Wir haben schon Ideen für andere Mitfluggelegenheiten." Möglicherweise könne noch in diesem Jahr ein deutscher Kleinsatellit genutzt werden.

Auch der persönliche Austausch zu Russland sei komplett gekappt: "Wir machen uns große Sorgen, aber wir wollen keine Gefährdungen provozieren", sagt Wikelski. Einige am Projekt beteiligte Ingenieure seien nicht mehr erreichbar. "Es ist unklar, was da passiert ist."

Physiker sollen persönliche Kontakte halten – Zusammenarbeit mit Unis aber einstellen

Lutz Schröter, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, fordert Forscher dagegen dazu auf, die persönlichen Kontakte zu russischen Wissenschaftlern weiter zu pflegen. Diese seien dafür oft dankbar, so Schröter. "Wir dürfen die Brücken zu den Personen nicht kappen." Niemand dürfe in Sippenhaft genommen werden. Für Universitäten und Einrichtungen, die für den russischen Staat stünden, gelte das allerdings nicht. Da sei der Kontakt strikt einzustellen. Mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine sei aktuell eine rote Linie übertreten worden. "Da muss man jetzt handeln. Alles andere wird man zukünftig diskutieren müssen."

(ens/dpa)

17 Kommentare

DER Beobachter am 14.04.2022

Shantuma, Sie schwätzen hier von einer Besetzung Syriens und des Iraks und bringen den selbsterhobenen "freien Journalisten" ins Spiel? Ernst nehmen muss man soviel Gaga nicht abgesehen von seiner Widerwärtigkeit...

MDR-Team am 26.03.2022

@Shantuma
Laut den Zahlen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte vom 23. März lag die Zahl der getöteten Zivilisten in der Ukraine bei 2.685. Davon ist jeder einer zu viel. Auch jeder getötete russische Soldat ist einer zu viel, wobei es hier große Unterschiede zwischen russischen und ukrainischen Angaben gibt. Letztlich gehen diese Opfer auf das Konto von Wladimir Putin, ebenso wie die schrecklichen Bilder, von denen Sie schreiben.
LG, das MDR-Wissen-Team

MDR-Team am 26.03.2022

@Shantuma
Sie versuchen hier schon seit Längerem, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit seinen schrecklichen Folgen für die Bevölkerung dort zu relativieren. Bitte unterlassen Sie dies. Selbst wenn die von Ihnen genannten Einsätze ebenfalls teilweise völkerrechtswidrig waren, rechtfertigt das in keiner Weise das russische Vorgehen in den vergangenen Wochen. Damit haben auch etwaige Oligarchen in der Ukraine oder die Wahl-Möglichkeiten in der USA nichts zu tun.
LG, das MDR-Wissen-Team