Das Altpapier am 20. März 2019 Dysfunktionale Neutralität

Könnten lokale verlagsunabhängige Online-Angebote flächendeckend Lokalzeitungen ersetzen? Warum braucht guter Journalismus Empathie? Außerdem: Ein Kunsthochschulprofessor analysiert die sozial-mediale Greta-Thunberg-Verteufelung. Ein Altpapier von René Martens.

Im heutigen Altpapier stehen, so viel sei schon mal gespoilert, Positionen aus der Wissenschaft im Mittelpunkt. Wissenschaftler Nummer eins ist Klaus Meier, Professor für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Er stellt bei Meedia unter anderem eine Berechnung vor, von der sich die Redaktion zu dem Headline-Fragment “Die letzte gedruckte Zeitung erscheint 2033“ stimulieren ließ.

Das ist aber nur ein Aspekt. Im Kern geht es darum, was es für Folgen für die Demokratie vor Ort hat, “wenn es irgendwann kein einziges lokales Blatt in einem Landkreis gibt“. Diese Frage ist die in diesem noch relativ jungen Jahr immer mal wieder aufgepoppt, weil die Funke-Gruppe ihre Sparpolitik ein weiteres Mal forciert hat und die DuMont-Gruppe darüber nachdenkt, sich von ihren regionalen Tageszeitungen zu trennen - siehe Zeit Online (Disclosure: Der Text ist von mir), Spiegel Online und natürlich allerlei Altpapiere, etwa dieses).

Klaus Meier äußert sich unter anderem dazu, inwieweit relativ neue Online-Angebote die entstehenden Lücken schließen können. Skeptisch ist er dann, wenn jemand eine entsprechende Plattform nicht hauptberuflich betreibt, wenn er sich also nicht “zu hundert Prozent auf Journalismus“ konzentrieren und ggf. auftretende medienrechtliche “Probleme“ nicht “abfedern kann“. Meiers Fazit:

“In Nischen und als (häufig unterfinanzierte) Ergänzungen des bestehenden Verlagsangebots funktionieren lokale digitale Startups zwar, aber ob sie flächendeckend Lokalzeitungen ersetzen können, wenn es diese in einem Landkreis gar nicht mehr geben sollte – dafür gibt es zurzeit keine empirischen Erkenntnisse in Deutschland.“

Unser heutiger Wissenschaftler Nummer zwei, Daniel Kübler, Professor am Institut für Politikwissenschaft an der Uni Zürich, sieht es ähnlich:

“Seiten mit lokalen Online-News haben den Platz der Lokalzeitungen bisher noch nicht eingenommen. Das hat vor allem finanzielle Gründe (…) Früher haben lokale Medien davon profitiert, dass Unternehmen aus der Region auf ihren Seiten Anzeigen geschaltet haben. Heute ist das entkoppelt. Sie können den Guardian oder die New York Times lesen und bekommen dabei Werbung für ihren lokalen Metzger angezeigt.

Kübler sagt dies gegenüber der Drehscheibe. Das Gespräch, basierend auf einer von einem Team um Kübler im vergangenen Jahr vorgelegten Studie für “die sechs größten Ballungsräume der Schweiz“, überschneidet sich in mehreren Teilen von Meiers Meedia-Text. “Wenn Zeitungen eingehen, sinkt die Wahlbeteiligung“, lautet die Drehscheibe-Headline. Kübler führt dies folgendermaßen aus:

“Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahrzehnten, nicht nur auf der Gemeindeebene, auch auf Ebene der Kantone und national. Das ist in allen westlichen Demokratien so. Viele Faktoren dafür wurden bereits untersucht: die Gemeindegröße, die Frage, wie fest verankert die lokale Gemeinschaft ist. Was noch nicht untersucht wurde, ist die lokale Medienlandschaft. Da haben wir angesetzt (…) Je besser die Zeitungen gelesen werden, die in der Gemeinde erscheinen, je intensiver ihre Berichterstattung über lokale Politik, desto höher ist auch die Wahlbeteiligung. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn die Zeitungen eingehen, es also niemanden mehr gibt, der über lokale Politik berichtet, sinkt auch die Wahlbeteiligung.“

Als ergänzende Lektüre bietet sich hier die Studie “Soziale und gesellschaftspolitische Funktionen regionaler Berichterstattung“ an, Anfang des Jahres veröffentlicht in der ARD-Zeitschrift Media Perspektiven.

Welche Krisenbewältigungsoptionen gäbe es? Menschen Machen Medien stellt den vor einem Jahr vom britischen Verlegerverband News Media Association und der BBC ins Lebens gerufene Projekt “Local News Partnership" (LNP), das die Rundfunkanstalt mit acht Millionen Pfund pro Jahr finanziert:

“Flaggschiff der Newspartnerschaft ist der Local Democracy Reporting Service (LDSR), ein Dienst, für den Lokaljournalist*innen ausschließlich über Kommunalpolitik berichten. Die Reporter*innen werden zwar von den Lokalmedien angestellt, ihre Gehälter jedoch von der BBC finanziert.“

Wenn zumindest eine Diskussion darüber, ob derart enge Kooperationen auch in Deutschland wünschenswert wären, in Gang käme, wäre schon ein bisschen was gewonnen, aber ich befürchte, das wird nicht passieren.

“This is the biggest emergency in Italy“

Da wir schon kurz einen Blick aus Deutschland heraus geworfen haben: Im Guardian beschreibt der Schriftsteller Roberto Saviano die Medienpolitik der populistisch-rechtsextremistischen Regierungskoalition in Italien:

“The first official act of this government’s under-secretary of state for publishing, Vito Crimi (a third-rate politician capable of gratuitous spitefulness), was to cut public funding to the press, striking a blow against those who do not receive advertising revenue but nevertheless provide high-quality information and provide a public service. As a result, we shall be witnessing the demise of Radio Radicale, Il Manifesto and L’Avvenire– three progressive mainstays of the Italian media scene which have never lined up with any government and which no previous government ever dreamed of threatening. To attack these publications is to attack the values of liberal democracy and pluralism (…) This is the biggest emergency in Italy. It is becoming a country where it is increasingly difficult to publish information and where, if you criticise the government, you become a target.“

Über den Angriff auf Radio Radicale, das seit 1976 Debatten aus dem italienischen Parlament überträgt (im Rundfunk und, auf der Website, auch als Bewegtbild), hatte Anfang Februar bereits Deutschlandfunk Kultur berichtet.

Journalisten brauchen “emotionales Kapital“

Vom Schriftsteller Saviano wieder zurück aufs Terrain der Wissenschaft: In einem Beitrag fürs Europäische Journalismus-Observatorium  begründet Antje Glück - unter anderem unter Rückgriff auf den schottischen Philosophen David Hume -, “warum guter Journalismus Empathie braucht“. Glück, die Journalistik und Digitale Kommunikation an der Universität Teesside in Middlesbrough unterrichtet, schreibt:

“Es können vier Dimensionen identifiziert werden, in denen Emotionen und Empathie für die journalistische Arbeitspraxis unerlässlich sind. Diese vereinen Aspekte der Neurobiologie, der moralischen Entscheidungsfindung, der Professionalität und der sich verändernden Rolle des Journalismus in einer Gesellschaft, die eine offenere Praxis der Emotionen fördert und fordert.

Wobei in der Formulierung von “der sich verändernden Rolle des Journalismus“ die Hoffnung mitzuschwingen scheint, dass ein nennenswerter Teil der Journalisten begreift, dass sich ihre Rolle verändern muss. Ich bin da weniger optimistisch.

Glück schreibt weiter, Empathie helfe zum Beispiel

“bei der Überprüfung von Aussagen – denn richtig zu beurteilen, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt, ist nicht immer einfach. Ein Gefühl für das Lesen von Menschen (und deren Emotionen) hilft hier weiter. Empathie wird damit zu etwas, was wir, um es mit Bourdieus Worten zu sagen, 'emotionales Kapital‘ nennen können. Das bedeutet, dass Journalisten, die über ein höheres Maß an emotionalem Kapital verfügen (positiv verstanden als emotionale Intelligenz), in der Lage sind, Journalismus stärker zu beeinflussen als Reporter ohne diese Fähigkeit.

Und erst recht gilt natürlich:

“Die Unparteilichkeit verliert ihre Daseinsberechtigung, wenn die Berichterstattung über den Klimawandel sowohl Klimawissenschaftlern als auch Skeptikern gleichermaßen Gewicht verleiht. Neutralität und Unparteilichkeit sind klassische Prinzipien des Journalismus in der westlichen Hemisphäre – jedoch werden sie hier dysfunktional. Ein Journalist, der seine ‚innere Moral‘ nach Hume nicht durchsetzt – wonach Emotionen Richtlinien für Urteile geben – wird zu einem moralisch eher fragwürdigen Wesen.

Dysfunktional wird Neutralität natürlich auch bei vielen anderen Themen: Glück kommt in dem Kontext noch auf Donald Trumps “Sexismus und Rassismus“ zu sprechen:

“Bleiben Journalisten hier unparteiisch, folgen sie zwar streng den professionellen Prinzipien, jedoch tun sie dem Journalismus keinen Gefallen. Denn nicht immer gibt es zwei Seiten einer Geschichte.“

Der Wirtschaftswissenschaftler Paul Krugman hat das im vergangenen Herbst in einer seiner New-York-Times-Kolumnen etwas drastischer formuliert: “Bothsideism“, schrieb er dort, sei “die letzte Zuflucht der Feiglinge“.

Die mythologisierende Verteufelung Greta Thunbergs

Als “moralisch eher fragwürdige Wesen“ (Anja Glück) können, wenn auch aus etwas anderen Gründen als den  durchaus auch jene Männer gelten,

“die in Greta Thunberg ganz offenbar eine reelle Gefahr für Kultur, Nation und ihre jeweiligen Wertpräferenzen erkennen. Wie anders sollen die abertausenden, meist von reflexhafter Feindseligkeit, offen gezeigter Abscheu oder mythologisierender Verteufelung getränkten Verlautbarungen auf Twitter, Facebook und Instagram zu erklären sein?“

Mit diesen ärmsten aller Würstchen befasst sich Daniel Hornuff, Vertretungsprofessor für Theorie und Praxis der Gestaltung an der Kunsthochschule in der Universität Kassel, in der neuen Social-Media-Kolumne der Pop-Zeitschrift. Ihm ist aufgefallen:

Pauschal-abwertende Äußerungen gegenüber Thunberg (entzünden sich) im Grunde nie an ihren inhaltlichen Positionen. Das ist erstaunlich. Schließlich könnte es einem empörten Menschen als besonders naheliegende Übung erscheinen, mit der angenommenen Reife des Erwachsenen ein vermeintliches Mehr- und Besserwissen zur Widerlegung der 16-Jährigen auszuspielen – um mit einer solchen 'Korrektur‘ die Durchsetzung einer als richtig empfundenen Ordnung zu demonstrieren. Diese Logik weitergedacht, gäbe es sogar eine strategische Notwendigkeit zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Denn erst durch sie ließe sich die – offenkundig  gewünschte – Überlegenheitsgeste mit dem scheinbaren Nimbus des Souveränen verbinden. Wem also an der Festigung hegemonial-patriarchaler Strukturen gelegen ist, müsste der nicht auch ein Interesse daran haben, gegenüber der eigenen Community als inhaltlich unbestechlich aufzufallen?“

Daran schließt Hornuff mit folgendem Satz an:

“Die Vermeidung inhaltlicher Beschäftigungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Empörungserregung erzeugt stabile Muster in den Formen der Diffamierung.“

Diese Formulierung hat geradezu Merksatzcharakter - nicht zuletzt, weil sie sich auf sehr, sehr viele Themenbereiche übertragen lässt.

Feuchtwanger lesen!

Ist bereits alles gesagt über Matthias Matusseks Geburtstagsparty (Altpapier)? Nein, hat sich der frühere Titanic-Redakteur Oliver Nagel gedacht - und für einen Text dazu sogar seinen Blog “über Komisches, Englisches und Fernsehen“ etwas zweckentfremdet. Nagel geht dabei vor allem auf die Kolumne ein, mit der Partygast Jan Fleischhauer auf die Berichterstattung reagiert hat (siehe Altpapier) - und hat sich zu dem Beitrag auch von der Lektüre von Lion Feuchtwangers Roman “Erfolg“ inspirieren lassen, “einem Schlüsselroman aus dem Jahre 1930“, in dem bürgerlich-konservative Minister und Richter es zunächst “verstehen, die Stimmung in der Bevölkerung und den aufziehenden Faschismus zu ihren Gunsten zu nutzen“. Nagel schreibt:

“Sie möchten, dass der neue, der andere Wind, der nun weht, die Segel ihrer Schiffe aufbläht und sie voranbringt. Die Revolution ist vorbei, das linke Gegengewicht zur (neuen) Rechten praktisch nicht mehr existent und der Reaktion auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die an der Macht geben sich jovial und gutmütig, ausgleichend geradezu angesichts der faschistischen Morgenröte, erkennen aber nicht, dass das den Aufstieg des Faschismus in Wahrheit befördert, der sie am Ende mit hinwegreißen wird.“

Und an dieser Stelle geht’s dann hinein in die nicht-fiktionale Gegenwart:

“Genau zu dieser Art Oberwasserköpfe gehören Jan Fleischhauer und Konsorten. Sie sind keine Faschisten, aber sie spielen mit zur Schau gestellter Naivität das Spiel mit (…) Sie sind die Steigbügelhalter der richtigen Faschisten, und, heute schlimmer als damals: sie könnten es wissen (…) Diese Sichdummsteller, diese Scheinheiligen, diese Profiteure der echten Faschisten: Das sind die wahren Schuldigen, gegen die sich alle, die noch an einem echten Diskurs interessiert sind, wehren müssen, mit allen publizistischen und demokratischen Mitteln.“

Jetzt müsste nur noch - und das meine ich gar nicht sarkastisch - ein Weg gefunden werden, wie man sich den Sichdummstellern am besten entgegen stellt.


Altpapierkorb (Unruhe bei der FAZ, Unruhe beim SWR, Verrenkungen von rechts, Falschmeldungen zu den Gelbwesten-Protesten, “After Life“)

+++ Da wir oben bereits einen Merksatz eines Wissenschaftlers von der Uni Kassel herausgestellt haben: Es folgen noch zwei weitere von einem weiteren Wissenschaftler aus Kassel: Floris Biskamp, im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften tätig, schreibt in seinem Blog: “Kein Gejammer ist heute lauter als das über die ewige Larmoyanz der Anderen, das tagtäglich aus den Feuilletons von NZZ, Welt und FAZ schallt. Keine 'Empörungsindustrie’ ist heute einträglicher als die, die sich über Empörung empört.“

+++ Die taz berichtet über einen Erfolg in eigener Sache: Der Gründungsvorsitzende des rechtsextremen Vereins Uniter “wird künftig nicht weiter beim Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg tätig sein". Das teilte das Innenministerium unter CDU-Politiker Thomas Strobl am Montag in Stuttgart mit. Damit reagierte die baden-württembergische Landesregierung auf einen Bericht der taz“.

+++ Ebenfalls in der taz: Steffen Grimberg hat sich zu Holger Steltzners Ende als FAZ-Herausgeber (siehe Altpapier) umgehört: “Er soll (…) einen ‚zu konservativen Kurs‘ im Wirtschaftsteil gefahren haben, der nicht mehr zur gemäßigten Pro-Merkel-Haltung des politischen Teils gepasst habe. Doch das war (…)  schon seit Jahren so – schließlich ist Merkel schon ein bisschen länger Kanzlerin, und Steltzner war selbst unter Kohl ein klarer Verteidiger der D-Mark gegen den Euro.“ Für die SZ griffen in der Steltzner-out-Sache gleich drei Autor*innen zum Telefon. Ergebnis: “Wer in den Stunden nach dem Rausschmiss nach Gründen forscht, hört viel vom angeblich schwierigen Führungsstil Steltzners, es ist von mindestens einer Kündigung die Rede, die erklärtermaßen darauf zurückzuführen ist. Thema ist auch Steltzners politische Einstellung - seine einseitig-kritischen Kommentare zur Politik der EZB und der Eurorettung und sein Anzweifeln des Klimawandels waren auch in der FAZ-Redaktion nicht unumstritten.“ Na dann is ja gut!

+++ Da waren’s nur noch vier: Dass Jan Büttner, Verwaltungsdirektor beim SWR, seine Bewerbung für den Intendantenposten ebd. zurückgezogen hat, berichtet die SZ. “Die Rücknahme seiner Bewerbung begründet er damit, dass er 'weiteren Schaden‘ vom SWR abwenden wolle. Dieser ist dadurch entstanden, dass eine zwölfköpfige Findungskommission das Kandidatenfeld vorzeitig auf zwei Personen beschränkte - und diese Namen auch noch an die Öffentlichkeit gelangten“ (siehe zuletzt dieses Altpapier). Am Freitag stimmen nun 74 Rundfunkräte und 18 Verwaltungsräte darüber ab, ob das Wahlprozedere so läuft, wie sich die Findungskommission das vorstellt.  Zwei der vier übrig gebliebenen Bewerber arbeiten derzeit in Hamburg, und unter anderem auf sie geht Josef-Otto Freudenreich in der Wochenzeitung Kontext ein: Andreas Cichowicz, 57, SPD-verdächtig, NDR-Chefredakteur (…), gebürtiger Plochinger und Berufsanfänger am Neckar (Vaihinger Kreiszeitung und SDR), Studioleiter in Johannesburg und Kairo, "Weltspiegel"-Moderator (…) Ein ausgewiesener Journalist also, aber klar hinter (Kai) Gniffke eingruppiert, dem das Findungspersonal bescheinigt, weder Tod noch Teufel zu fürchten. Das sei auch so eine Art Grundvoraussetzung für den nervigen Job bei ARD-aktuell, sagen Gniffkes Kollegen, irgendeiner fände die "Tagesschau" oder die "Tagesthemen" immer scheiße. Also: ein letzter Karrieresprung für beide, warum nicht? Das Büro an der Neckarstraße bietet einen Blick wie kaum ein anderes, ist großzügig geschnitten (circa 80 Quadratmeter) und das Gehalt mit rund 330 000 Euro jährlich auskömmlich bemessen.“

+++ Weitere Vorausblicke auf die Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Donnerstag und das dort zur Debatte stehende Indexmodell für den Rundfunkbeitrag (siehe Altpapierkörbe von Montag und Dienstag) liefert die SZ heute auf ihrer Seite 2. Heinz Fischer-Heidlberger, Vorsitzender der “Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (Kef), sagt im Interview mit Claudia Tieschky. “Aus Sicht der Kef ist ein automatischer Anstieg des Rundfunkbeitrags problematisch. Auch bei einer Indexierung muss - wie auch immer - sichergestellt werden, dass Wirtschaftlichkeitspotenziale ausgeschöpft werden. Der Index allein sagt noch nichts darüber aus, ob die Anstalten über- oder unterfinanziert sind.“ Einen großen Überblicksartikel gibt es auch.

+++ “Die Überzeugungen des Täters von Christchurch sind mit denen der Identitären Bewegung und anderen Rechtsextremen faktisch identisch – der einzige Unterschied liegt in der Wahl der Mittel“, schreibt Matern Boeselager bei Vice - und dröselt auf, wie sich diverse Rechte aus dem deutschsprachigen Raum, etwa bei der Achse des Guten und bei Twitter, nun verrenken, um davon abzulenken, dass der Täter aus ihrem Milieu kommt.

+++ Karolin Schwarz geht für den “Faktenfinder“ der “Tagesschau“ auf “eine Untersuchung zu den 100 am meisten verbreiteten Falschmeldungen“ zu den Gelbwesten-Protesten ein. Die Kampagnenplattform Avaaz untersuchte dabei außerdem, “welche französischsprachigen YouTube-Videos zu den Protesten am häufigsten angesehen wurden“. Das Ergebnis, so Schwarz: “Der französischsprachige Ableger des russischen Staatssenders RT dominierte das Geschehen. Videos von RT France wurden demnach mehr als doppelt so oft gesehen wie die Videos von Le Monde, L’Obs, Le Huffington Post, Le Figaro und FRANCE 24 zusammen.“ Das klingt natürlich gravierend, wenn man bedenkt, dass viele jüngere Nachrichtenkonsumenten sich direkt bei YouTube informieren.

+++ Mit Lokaljournalismus sind wir eingestiegen, mit dem Thema steigen wir auch aus: Eine neue Serie, in der es zumindest ein bisschen um Journalismus zu gehen scheint, stellt Heike Hupertz auf der FAZ-Medienseite (Blendle-Link) vor: “After Life“, zu sehen bei Netflix. Schöpfer und Hauptdarsteller: der Comedian Ricky Gervais, der hier Tony spielt, einen Lokaljournalisten, dessen Frau Lisa an Brustkrebs gestorben ist: “Tony versucht es mit Suizid (geht schief, weil der Hund gefüttert werden muss), mit Therapie bei einem unsympathischen Psychiater mit Egoproblem, mit Whisky, mit Heroin, mit Sterbehilfe und schließlich mit der betäubenden Wirkung des Zynismus (…) Er (nennt) Jesus vor seinem Grundschulneffen einen 'Arsch‘, weil er Lisa hat sterben lassen, und macht sich über seine Kollegen beim Gratis-Anzeigenblatt Tambury Gazette lustig, weil sie glauben, Artikel über einen korpulenten Jugendlichen, der Parallel-Nasenflöten spielt, oder einen alten Mann, der fünf­mal dieselbe Grußkarte mit der Post bekam, seien investigativer Journalismus.“

Neues Altpapier gibt’s wieder am Donnerstag.