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Der Altpapier-Jahresrückblick am 16. Dezember 2020 Das neue Unnormal

16. Dezember 2020, 07:59 Uhr

Noch nie spielte Wissenschaftsjournalismus eine so große Rolle wie im ablaufenden Jahr. Wie hat er sich 2020 entwickelt? Was hat ihn ausgezeichnet? Konnten andere Wissenschaftsthemen von der Aufmerksamkeit für Corona profitieren? Ein Altpapier-Jahresrückblick von René Martens.

"Historisch einmalig hohes Publikumsinteresse"

Wenn man die Corona-Pandemie unter kommunikationshistorischen Aspekten einordnen möchte, bietet es sich an, auf einen Artikel zurückzugreifen, den der Soziologe Rudolf Stichweh Anfang April in der FAZ (€) veröffentlicht hat. Er schreibt:

"Erst die Massenmedien machen (diese) Krise zum konzentriertesten Weltereignis, das es je gab, seit das Erdbeben von Lissabon 1755 zum ersten Mal die Kommunikationen der Welt annähernd auf ein einziges Ereignis fokussierte."

In einem Beitrag, der Anfang Dezember im Bundesgesundheitsblatt erschienen ist, greift der Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz diesen Satz noch einmal auf - und stellt fest, dass es sich "bei COVID-19 um ein einzigartiges ‚Weltereignis‘ mit einem international historisch einmalig hohen Publikumsinteresse in der breiten Bevölkerung handelt". So gesehen, war der Wissenschaftsjournalismus das wichtigste journalistische Genre des Jahres 2020.

"Herausforderungen des Journalismus über Wissenschaft in der Corona-Pandemie" lautet der Titel von Stollorz’ Beitrag in der von mehreren Behörden, unter anderem dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, herausgegebenen Fachzeitschrift.

Eine der Herausforderungen, die Stollorz - Redaktionsleiter von Science Media Germany, einer gemeinnützigen GmbH, die unter anderem Journalisten renommierte Experten aus der Wissenschaft vermittelt - in seinem Beitrag benennt: die hohe Geschwindigkeit, mit der neue Informationen zirkulierten. Er schreibt:

"In der Pandemie mit SARS-CoV‑2 (lernten) Forschende beinahe wöchentlich Neues über SARS-CoV‑2 (…) Selbst professionell nach seriösen Informationsquellen Suchende, wie z. B. Wissenschaftsjournalist*innen, hatten zeitweise Schwierigkeiten, die von überall einströmenden Informationen sachgerecht einzuordnen."

Ein anschauliches Beispiel dafür liefert die Zahl der sogenannten Preprints, also von Arbeitspapieren, deren Thesen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht von anderen Wissenschaftlern überprüft wurden. Bei den beiden "populärsten Preprint-Servern" seien im November 2020 "bereits mehr als 10.000 Studien mit dem Stichwort COVID-19 oder SARS-CoV-2" zugänglich gewesen (siehe unter anderem dazu auch einen Beitrag des Corona-und-die-Medien-Specials nebenan).

Der Umgang mit Unsicherheit

Trotz der Besonderheit der Corona-Krise: Der Wissenschaftsjournalismus hat in Sachen Rezeptionsanalyse bereits vorher Erfahrungen gesammelt, die für die aktuelle Pandemie nützlich sein können. Im Rahmen einer Betrachtung der Berichterstattung der Schweinegrippe-Pandemie schrieb Volker Stollorz vor acht Jahren im Bundesgesundheitsblatt einen Artikel unter der Überschrift "Die Expertenpandemie in den Massenmedien. Wie die Kommunikation von Nichtwissen und Unsicherheiten Vertrauen schaffen kann." Das klingt relativ aktuell, ebenso wie die Einschätzung, "für die Wissenschaft und den Journalismus" würden sich "die öffentlichen Krisen im 21. Jahrhundert" nicht zuletzt um "die Frage (drehen), wie sicheres Wissen von bloßen Mutmaßungen unterschieden und öffentlich relevant werden kann".

Bereits Anfang April, in der Frühphase der Corona-Pandemie, schrieb Sascha Lobo in seiner Spiegel-Kolumne über ein zentrales Problem, das die Berichterstattung über Covid-19 mit sich bringt:

"Wissenschaft hat das Privileg des ständigen Zweifelns - aber das Publikum verlangt Eindeutigkeit, und zwar gefälligst genau jetzt! Dieses Spannungsfeld ist nur schwer aufzulösen, und dabei passieren Fehler."

Und Mitte Oktober sagte der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar:

"Das große Problem liegt meines Erachtens (…) in der Irritation durch Scheinwissenschaftler. Im Moment erleben wir in den Medien häufig Einzelpersonen, die in der Öffentlichkeit ohne adäquate Basis Dinge behaupten, die nicht korrekt sind. Das verunsichert die Menschen dann wieder."

Die Probleme, die Lobo und Yogeshwar hier benennen, rühren unter anderem daher, dass über das "Weltereignis" Covid-19 naturgemäß auch bzw. überwiegend Journalisten berichten, die mit Wissenschaftsthemen bisher wenig Berührung hatten. Für Wissenschaftsjournalisten ist es zum Beispiel Alltag, mit widerstreitenden Positionen in der Forschung umzugehen, und sie können in der Regel auch einschätzen, ob jemand, der sich als Experte verkauft, bei dem Thema, zu dem er sich äußert, tatsächlich kompetent ist.

Das war vor Jahren

In der ungeschriebenen internen Rangordnung des Journalismus dürften Wissenschaftsjournalisten 2020 jedenfalls ein paar Stufen nach oben geklettert sein.

"Medizinthemen beispielsweise hatten vor nicht allzu langer Zeit ja noch den Ruf, sie seien vornehmlich etwas für Frauenzeitschriften",

sagt Jutta von Campenhausen, die 2011 ein Buch zum Thema Wissenschaftsjournalismus veröffentlichte. Die Biologin, die sowohl in der Wissenschaft - am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin des Universitätskrankenhauses Eppendorf in Hamburg - als auch als freie Wissenschaftsjournalistin tätig ist, nennt noch ein Beispiel aus einem anderen Themenbereich, das aber ebenfalls als Indiz für eine über längere Zeit nicht allzu ausgeprägte Wertschätzung für den Wissenschaftsjournalismus dienen kann: Die Ebola-Epidemie etwa, die bisher 2014 am stärksten verbreitet war, "kam eher im Politikteil vor", sagt sie. Was zum Beispiel hämorraghisches Fieber sei - ein Fieber, das durch Ebola-Viren (und verwandte Viren) verursacht wird -, habe man aber kaum erfahren, sagt von Campenhausen. "Über Corona hingegen wollen die Menschen alles wissen".

Was können Impfungen bewirken? Was unterscheidet verschiedene Impfstoffe voneinander? Wie schnell wird ein Impfstoff zugelassen?" - all diese Themen seien "vor Corona nie in einer vergleichbaren Ausführlichkeit ausgebreitet worden", sagt von Campenhausen. Ihr ist auch aufgefallen, dass, "egal, welche Zeitung man aufschlägt", die Texte "nutzerfreundlich" geschrieben seien.

Möglich geworden sei das auch deshalb, weil die "Kommunikationsbereitschaft" von Wissenschaftlern hier zu Lande größer geworden sei. Da hätten die Forscher "viel von den Angelsachsen gelernt". "Dass Wissenschaftler gern mit Laien reden, dass es hip ist, mit einem wissenschaftlichen Thema an die Öffentlichkeit zu gehen" - das sei schon seit einigen Jahren zu beobachten. Auch Science Slams seien Ausdruck dieses Phänomens.

Der wissenschaftsjournalistische Nachwuchs habe es heute auf jeden Fall leichter als sie Ende der 1990er Jahren, sagt von Campenhausen.

"Ich galt als Exotin. Während meiner Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule sagte mir die damalige Leiterin: 'Sie können ja nur Wissenschaft.' Das würde heute niemand mehr sagen."

Zwischenbilanzen

Zu den "wichtigen Schlussfolgerungen" der bisherigen Pandemieberichterstattung gehört für Volker Stollorz vom Science Media Center,

"dass der Qualitätsjournalismus über Wissenschaft – obwohl er in deregulierten digitalen Kommunikationswelten seine Gatekeeper-Funktion nicht mehr ohne Einschränkungen erfüllen kann – weiterhin DIE Quelle seriöser und in einer Pandemie für alle Bürger*innen unverzichtbaren Informationen ist".

In sozialen Netzwerken würden die "fundierten Berichte" zwar teilweise ‚"in veränderte, mitunter auch in verfälschende Kontexte gestellt oder emotional ablehnend konnotiert". Dennoch hätten "in der aktuellen Seuchenlage wichtige und richtige Informationen" auf diesem Wege "breite Teile der Bevölkerung" erreicht, "die keine regelmäßigen Nutzer*innen journalistischer Massenmedien mehr sind".

Etwas skeptischer äußern sich die Führungskräfte von drei im Bereich Wissenschaftsförderung aktiven Stiftungen in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung Die Zeit:

"In vielen Redaktionen wurden Stellen für Wissenschaftsjournalismus abgebaut. Nun berichten viele Ressorts über Wissenschaft – häufig allerdings ohne Fachexpertise. Das zugespitzte Ergebnis, die meinungsstärkste Position, der Hype stehen stark im Vordergrund; die Eigenheiten des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses jedoch werden dem Publikum nicht ausreichend vermittelt – etwa warum Befunde manchmal widersprüchlich sind. Wachsende Bevölkerungsgruppen verabschieden sich aus einer faktenbasierten Wirklichkeit. Diesem Trend muss entgegengewirkt werden: Stiftungen sollten Wagniskapital bereitstellen, um Journalisten Experimente mit neuen digitalen Formaten zu ermöglichen; auch sollten sie die journalistische Ausbildung stärker fördern."

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie

Absehbar ist, dass auch nach der flächendeckenden Verbreitung eines Impfstoffs gegen Covid-19 der Wissenschaftsjournalismus in Sachen Pandemieberichterstattung noch vor erheblichen Herausforderungen stehen wird. Zum Beispiel aufgrund der sogenannten Long-Covid bzw. Post-Covid-Erscheinungen. Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek sagte Anfang Dezember im "Coronavirus-Update" von NDR Info:

"Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass wir diese Krankheit nicht mal ein Jahr kennen und dass gerade zu Beginn der Pandemie die Forschung schwerpunktmäßig bei den schweren Verläufen fokussiert war und wir deswegen am Anfang gar nicht diese Spätfolgen bei leichteren Erkrankungen erforscht haben."

Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass nach der Pandemie vor der Pandemie sein wird, ist nicht gerade gering. Im Juli verwies die Redaktion von MDR Wissen auf einen Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Vereinfacht lautet dessen Botschaft: Wenn Tiere Erreger auf Menschen übertragen - so wie es etwa bei der Schweinegrippe, Ebola und eben auch Covid-19 der Fall war -, dann muss man halt die Übertragungsketten unterbrechen. Zitiert wird in diesem Zusammenhang die an dem Bericht mitwirkende Veterinär-Epidemiologin Delia Randolph. Sie sagt, es sei "nicht nachhaltig, lediglich die Epidemien zu bekämpfen. Das wäre, als würde man bei einem kranken Menschen 'nur die Symptome behandeln, und nicht die zugrundeliegenden Ursachen'". Wollte man die Ursachen bekämpfen, müsste man aber fundamentale Maßnahmen ergreifen gegen die Massentierhaltung und die industrielle Fleischproduktion. Das ist politisch komplett illusorisch.

Profitieren andere Wissenschaftsthemen von der Aufmerksamkeit für Corona?

Im Laufe des Jahres 2020 kursierten zwei einander auf den ersten Blick widersprechende Beobachtungen. Die eine: Corona drückt alle anderen Wissenschaftsthemen an den Rand. Die andere Beobachtung: Wissenschaftsjournalismus bekommt dank Corona eine Aufmerksamkeit, die er vorher nicht hatte, und davon profitieren auch andere Themen. Stimmt das eine oder das andere? Jutta von Campenhausen sagt dazu: "Ich habe den Eindruck, dass beides stimmt. Bildlich gesprochen: Wegen des enormem Outputs an Beiträgen zu Corona "ist die gesamte Torte größer geworden", der kleine Teil mit anderen wissenschaftlichen Themen sei aber auch gewachsen.

Was sich auf jeden Fall sagen lässt, ist, dass die Corona-Pandemie einen neuen Blick auf andere Krisen (und den Umgang damit) ermöglicht. Der schwedische Humanökologe Anders Malm beschreibt in seinem Buch "Klima|x" zum Beispiel, "wie unterschiedliche Staaten zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ihre Wirtschaft – mal mehr, mal weniger – drosselten, und überlegt, warum dies angesichts der drohenden Klimakrise nicht geschieht und inwiefern die Maßnahmen als Vorbild zur Bekämpfung der Klimakrise dienen könnten". So fasst es jedenfalls die Jungle World zusammen.

Wenn wir dem britischen Fernsehjournalisten Paul Mason folgen, der auch Autor des bei Suhrkamp erschienenen Buchs "Klare, lichte Zukunft - Eine radikale Verteidigung des Humanismus" ist, haben wir es - wie er für die November-Ausgabe der Wirtschaftszeitung Oxi schrieb - "mit einer dreifachen Krise zu tun: einem stagnierenden Kapitalismus, einem brennenden Planeten und, während diese Entwicklung Wälder vernichtet und Slums errichtet, mit einer Krise der menschlichen Biosicherheit".

Dreifach wäre wiederum vielleicht noch untertrieben, wenn man berücksichtigt, was der ZDF-Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens im August in einem Interview mit dem Medienmagazin journalist gesagt hat (siehe auch Altpapier):

"Die Klimakrise ist nur ein Mosaikstein in der größeren Ökokrise, zu der insbesondere auch das Artensterben gehört. Ich will die nicht trennen, die sind miteinander verzahnt: Wenn sich das Klima verändert, sterben mehr Arten. Wenn mehr Arten sterben, verändert sich das Klima (…) Wir tun so, als sei die Klimakrise das größte Problem. Das ist grundfalsch."

Was tun, wenn es brennt?

Im unserer werktäglichen Altpapier-Kolumne kamen Debatten zu wissenschaftsjournalistischen Themen jenseits von Corona vor allem im Kontext der Klimakrise vor - unter anderem Anfang September, kurz nachdem die weiterhin aktive Initiative "Klima vor acht" an die Öffentlichkeit gegangen war. Ein weiterer Anlass: die Schwächen der Berichterstattung über "extremes Wetter", die die Klimajournalistin und Klimajournalismusdozentin Emily Atkin einige Tage später benannte:

"The repeated and prolonged failure of mainstream news outlets to include basic climate science facts in extreme weather coverage is an abdication of their core responsibility."

Atkin schrieb dies im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Waldbrände in den USA. Dieses Thema erlebte im Spätsommer ein kurzes Aufmerksamkeitshoch. Der Spiegel konstatierte seinerzeit:

"Das Inferno an der US-Westküste schafft, was Greta Thunberg nicht vermochte (…) Warum entfachen die Bilder von (dort) eine größere Wirkung als die vielen klimabezogenen Extremwettereignisse etwa in Afrika?"

Vielleicht, so Autor Kurt Stukenberg weiter, weil über letztere "viel zu wenig berichtet" werde. Und mit Blick auf den damaligen US-Präsidentschafts-Wahlkampf schreibt er: "Vielleicht weil der mächtigste Mann der Welt und die größte Krise aufeinandertreffen und weltweit Schlagzeilen machen?" Mit "größte Krise" war in diesem Fall eben nicht Corona gemeint, sondern die "Dystopie" einer "in Teilen unbewohnbaren" Welt, die durch die Brände sichtbar wurde. National Geographic stellte Ende September fest:

"The total area burned on the West Coast in 2020 is larger than the entire state of New Jersey."

Die im zitierten Spiegel-Artikel beschriebene "Dystopie" griff im November die SZ auf ihrer Wissenschaftsseite auf. Die Feuerökologin Kirsten Thonicke sagte dort in einem Interview:

"Im Death Valley wurden am 16. August 2020 (…) 54 Grad Celsius gemessen, die wahrscheinlich höchste gemessene Lufttemperatur, seitdem dort 1913 die Aufzeichnungen begannen. Diese Hitzewellen erfassen immer größere Gebiete, zum Beispiel im Süden der USA, in Pakistan, im Iran oder in anderen tropischen Regionen."

Zumindest gefühlt geringer war dagegen die Aufmerksamkeit für Brände anderswo. Im Sommer etwa bezeichnete der Autor Peter Carstens in seiner geo.de-Kolumne "Alles im grünen Bereich" die Waldbrände in Sibirien als "die Katastrophe, die kaum beachtet wird" - und wandelte dabei eine bekannte Formulierung aus der Corona-Debatte ab:

"Wir haben uns an das ‚Neue Unnormal‘ gewöhnt. Berichte über wütende Brände, wie zuletzt in Australien, am Amazonas oder in Sibirien, über Rekord-Hitzewellen und -Dürren, über verheerende Stürme und Fluten haben ihren Neuigkeitswert (und ihren Appellcharakter) eingebüßt."

Ein frustrierender Job?

Viel spricht dafür, dass die Bedeutung von Wissenschaftsjournalismus in naher Zukunft wachsen wird. Und angesichts dessen, dass das in diesem Jahr in Deutschland am meisten abgerufene Video Mai Thi Nguyen-Kims prophetische "MaiLab"-Folge "Corona geht gerade erst los" war, also die 2020 zumindest deutschlandweit wichtigste wissenschaftsjournalistische Bewegtbildproduktion (siehe dazu auch den ersten Abschnitt dieses MDR-Beitrags), kann man erfreulicherweise auch davon ausgehen, dass es einen Bedarf für diese Art von Qualitäts-Content gibt.

Volker Stollorz schreibt in seinem Bundesgesundheitsblatt-Beitrag:

"Guter Journalismus über Wissenschaft und eine professionellere Beobachtung der Wissenschaften müssen künftig gestärkt und professionalisiert werden, weil immer häufiger kollektive bindende Entscheidungen auf der Grundlage von Problembeschreibungen und Handlungsoptionen der Wissenschaft zu fällen sind."

Mit anderen Worten: Wissenschaftsjournalismus wird immer wichtiger, weil der Wissenschaft eine immer größere Bedeutung bei politischen Entscheidungsprozessen zukommt. Stollorz formuliert mit dieser Feststellung allerdings eher eine Idealvorstellung, denn an Beispielen dafür, dass Politiker die "Problembeschreibungen" von Wissenschaftlern ignorieren, herrscht ja nun kein Mangel. Der ZDF-Mann Dirk Steffens sagt in dem bereits zitierten Interview mit dem Magazin journalist:

"Jedes Jahr – das sind Zahlen der Weltgesundheitsorganisation und der Nasa – sterben bis zu neun Millionen Menschen an den Folgen der Umweltverschmutzung. Und haben Sie irgendwelche Krisenmaßnahmen gesehen? Haben Sie nationale Rettungspakete gesehen?"

Steffens’ Fazit:

"Wenn man als Wissenschaftsjournalist ständig aus dieser Welt berichtet und feststellt, dass es überhaupt keine angemessenen Reaktionen gibt, dann kann das schon ziemlich frustrierend sein."

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