ine Feldlerche (Alauda arvensis) sitzt im Gras auf dem Tempelhofer Feld, dem ehemaligen Flughafen im Berliner Stadtteil Tempelhof.
Sie steht schon lange auf der Liste der bedrohten Arten: die Feldlerche. Bildrechte: picture alliance/dpa | Wolfram Steinberg

Biodiversität Wie steht es um den Artenschutz in Mitteldeutschland?

07. Dezember 2022, 05:00 Uhr

Diese Woche kommen fast 200 Staaten zur UN Weltnaturkonferenz in Montréal zusammen und da geht es vor allem um Artenschutz. Weltweit sind eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht, warnt der Weltbiodiversitätsrat – das ist der Rat, der sich um das Zusammenspiel aller Arten auf diesem Globus kümmert. Wie steht es um die Artenvielfalt in Mitteldeutschland?

Auch der Spatz, man will es kaum glauben, steht kurz davor, auf die Rote Liste der bedrohten Arten zu kommen. Die Feldlerche steht da schon lange und unzählige Pflanzen und Insekten. So wie auch viele Bienenarten, sagt Robert Paxton, der diese Insektengruppe seit vielen Jahren an der Universität in Halle erforscht. "Wir gehen davon aus, dass ungefähr 60 verloren oder ausgestorben sind. Das sind ungefähr 14 Prozent in den letzten 30 Jahren."

Industrielle Landwirtschaft sorgt für enormen Artenschwund

60 Bienenarten von 400 sind in Sachsen-Anhalt verschwunden, abhandengekommen. Zu den möglichen Gründen sagt Paxton: "Wahrscheinlich handelt es sich um die Intensivierung der Landnutzung im Allgemeinen und das führt zu einer Vernichtung von Habitaten für wilde Tiere und Pflanzen."

Beispiel Sachsen: Elf Prozent aller Tier und Pflanzenarten werden dort seit Beginn der Industrialisierung nicht mehr gesichtet, sie gelten in diesem Bundesland also als ausgestorben. Fast 10 Prozent sind zudem vom Aussterben bedroht. Ergo könnten in den nächsten Jahren 20 Prozent aller Pflanzen und Tiere in Sachsen verschwunden sein. Als Gründe werden auch hier intensive Landnutzung mit Pflanzenschutzmitteleinsatz genannt, aber auch Zerstörung und Zerschneidung der Lebensräume durch Verkehr oder sich ausbreitende Städte und Dörfer.

In Thüringen sieht es ähnlich aus. Noch vor 100 Jahren waren dort zwei Drittel aller in Deutschland vorkommenden Tier- und Pflanzenarten zu finden. Geschätzt sind das 55.000, schreibt Silvester Tamás vom Naturschutzbund Thüringen in einer Mail. "Allerdings ist nach 100 Jahren industrieller Landwirtschaft in den landwirtschaftlichen Standorten in der Mitte und im Norden des Freistaats von der biologischen Vielfalt leider nicht mehr viel übrig geblieben."

Bedrohten Arten bleiben nur noch wenige Schutzräume

Viele der bedrohten Arten finden nur noch in Schutzgebieten Lebensraum: im Biosphärenreservat Rhön und Thüringer Wald, in zahlreichen Naturparks oder dem Nationalpark Hainich. Momentan fürchtet Silvester Tamás vom Nabu: "Den Big Run auf den Rohstoff Holz und damit auf die Waldschutzgebiete als letzte Refugien für Artenvielfalt."

Der Nabu fordert, die Wälder stärker zu schützen, auch Auen, Moore und alle Feuchtgebiete. Er stellt aber auch fest, dass es vorwärtsgeht und dass mit der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen "einige wichtige Pflöcke für den Naturschutz eingerammt wurden".

Auch in Sachsen tut sich einiges. Hier wurde ein Biodiversitätsprogramm beschlossen, das bis 2030 umgesetzt werden soll. Es besagt unter anderem, dass 10 Prozent des Landeswaldes aus der Bewirtschaftung genommen werden soll.

Der Biologe und Bienenexperte Robert Paxton aus Sachsen-Anhalt fürchtet allerdings, dass alles zu langsam geht. "Auch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, Bundesanstalt für Natur, die unterstützen Forschungsprojekte, aber ob das reicht, ich denke nicht, trotzdem verlieren wir Arten." Er ruft alle Menschen auf, etwas für den Artenschutz zu tun: "Solange wir einen Garten haben, oder einen Hof, einen Balkon – jeder kann etwas tun, um die Natur, unsere heimische Biodiversität, zu fördern."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. Dezember 2022 | 06:00 Uhr

4 Kommentare

Mick_Guehne am 07.12.2022

Alles zum Thema Artensterben ist bekannt. Und dennoch darf die Firma Kafril die Verschüttung des Holzbergs im Leipziger Land planen? Mit dem Segen von Wirtschaftsminister und Ministerpräsidenten?
Wir brauchen Artenschutz nicht in Sonntagsreden und auf (trotzdem wichtigen) Konferenzen, sondern als gelebte Politik. Und der MDR als größte Medienanstalt in Sachsen muss darüber berichten.

PS: Der Holzberg ist ein phantastisches Biotop mit über 300 verschiedenen Tier-und Pflanzenarten.

Ernie am 07.12.2022

Frei nach Wikipedia : Als industrielle Landwirtschaft (auch Agrarindustrie) wird im engen Sinne ein Typ von Landwirtschaft bezeichnet, der industriespezifische Produktionsweisen verwendet.
Kennzeichen landwirtschaftlicher Industriebetriebe sind ein hoher Spezialisierungsgrad, die Verwendung technischer Verfahren, ein hoher Kapital- und Energieeinsatz, eine hohe Produktivität und der Übergang zu standardisierter Massenproduktion.

Agrarindustrielle Betriebe sind grundsätzlich Großbetriebe.

Viehanlagen mit mehr als 500 Rindern (GV), und/oder mehr als 2000 Schweinen oder mehr als 380 Sauen mit 3000 Ferkeln und/oder mehr als 9000 Geflügeltieren, wobei die Besetzung einer Stallanlage 600 Tiere nicht überschreitet
Betrieben mit mehr als 500 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche.
Eine industrielle landwirtschaftliche Produktionsweise ist mit einer Beeinflussung und Veränderung des Ökosystems verbunden.

Dorfmensch am 07.12.2022

Der MDR berichtet immer wieder über die offenbar ausschließlich negativen Wirkungen der Landwirtschaft auf alles Schützenswerte. Wie sieht es in den Städten aus? Da gibt es ja keine Landwirtschaft. Da müsste es nur kreuchen und fleuchen und die Welt in Ordnung sein.
Frage: Was ist industrielle Landwirtschaft?

Mehr aus Deutschland

Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat Europawahl 1 min
Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat Europawahl Bildrechte: mdr
1 min 24.04.2024 | 11:33 Uhr

Nach der Verhaftung eines Mitarbeiters wegen Spionageverdachts steht der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, unter Druck. Er möchte aber Spitzenkandidat bleiben.

Mi 24.04.2024 10:59Uhr 00:47 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/video-krah-inteview-afd-spion100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Deutschland