Lehrer im Lehrerzimmer
Trotz verschiedener Bewerbungsmöglichkeiten gibt es immer noch starken Lehrermangel. Bildrechte: imago/viennaslide

Schule und Bildung Können neue Bewerbungsverfahren dem Lehrermangel entgegenwirken?

14. Oktober 2022, 05:00 Uhr

In ganz Deutschland wird es bis 2025 ein Defizit von 45.000 Lehrerinnen und Lehrern geben. Das errechnete im Sommer der Bildungsforscher Klaus Klemm. Eine MDR-AKTUELL-Nutzerin glaubt, in dem Verwaltungsaufwand ein zentrales Problem zu sehen. Welche Bewerbungsmöglichkeiten haben Lehrkräfte und wie gut sind diese?

In Deutschland gibt es zwei unterschiedliche Verfahren, um Lehrerinnen und Lehrer in die Schulen zu bringen. Professor Christian Reintjes von der Universität Osnabrück erklärt die erste Variante: "Bei dem Listenverfahren werden Listen auf der Landesebene erstellt und dann die Bewerberinnen und Bewerber auf die Schulen verteilt, dass ist also eine zentrale Steuerungsmöglichkeit, die die oberste Schulaufsicht ausübt."

Das zweite Verfahren, die direkte Bewerbung an einer Schule, wird Ausschreibungs- oder auch schulscharfes Verfahren genannt. Der Vorteil: Die Schule und die jeweiligen Lehrerinnen und Lehrer können sehr genau prüfen und abwägen, ob sie zueinander passen.

Allerdings hat sich in NRW gezeigt, dass dieses Verfahren allein angewandt, auch Nachteile hat. Prof. Reintjes sagt: "Die Schulen konkurrieren um Bewerber, hier werden bestimmte Schulen, Schulformen eben weniger von Bewerberinnen und Bewerbern ausgesucht, und das kann natürlich nicht im Landesinteresse sein."

Chancengleichheit: Jedes Kind muss unterrichtet werden

Denn die jeweiligen Bundesländer sind verpflichtet, entsprechend dem Grundsatz der Chancengleichheit dafür zu sorgen, dass an allen Schulen des Landes alle Kinder unterrichtet werden können. Da die Grundvoraussetzungen der Schulen sehr unterschiedlich sind – zum Beispiel der Anteil der Kinder aus bildungsfernen Haushalten oder der Standort der Schule auf dem Land oder in der Stadt, die Größe der Schule usw. – ist ein fairer Wettbewerb um das Lehrpersonal nur schwer möglich.

Deshalb sei es in NRW so, "dass schwerpunktmäßig auf das Ausschreibungsverfahren gesetzt wird und gleichzeitig noch ein Listenverfahren hinterher geschoben wird", erklärt Reintjes.

Sachsen: wenige direkte Bewerbungen an Schulen

In Sachsen steht die zentrale Verteilung an erster Stelle. Doch auch hier gibt es seit ein paar Jahren die Möglichkeit der direkten Bewerbung bei einer Schule. Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ursula-Marlen Kruse, resümiert: "Die Ergebnisse sind eher ernüchternd, weil man eben aus 700 Bewerbern keine tausend Leute macht, egal wie das Verfahren ist."

Denn der Lehrerarbeitsmarkt gibt das einfach nicht her. Die Verwaltung, so die Chefin der sächsischen GEW, könne daran wenig ändern. Doch Ursula-Marlen Kruse räumt ein: "Ja, der eine oder andere, der Einstellungen hier vornimmt in Sachsen, der hat noch nicht verstanden, dass man auf junge Leute sehr zugehen muss, das ist jedes Jahr ein Massenverfahren, und man nimmt sich kaum Zeit für Gespräche, manchmal hat man die Zeit für Gespräche zugegebenermaßen auch nicht, aber wenn man einen Wunsch nicht erfüllen kann, sucht man nicht die Stelle, die dem Wunsch möglichst nahe kommt."

Bessere Arbeitsbedingungen gegen Lehrermangel?

Wie dem Lehrermangel begegnet werden kann, darüber müssen sich alle Bundesländer Gedanken machen. Ein sensiblerer Umgang mit den Bewerberinnen und Bewerbern ist da nur eine kleine Stellschraube.

Wesentlicher sind solche Fragen: Wie viele Studienplätze gibt es? Wie viele halten Studienzeit und das Referendariat durch? Führen höheres Einkommen, Verbeamtung oder Seiteneinstieg zur Problemlösung? Prof. Christian Reintjes von der Uni Osnabrück setzt vor allem auf bessere Arbeitsbedingungen sowie den Auf- und Ausbau des Netzes von Assistenzkräften.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. Oktober 2022 | 06:00 Uhr

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