Comic-Buchhandlung
Manga-Comics sind in deutschen Comic-Buchhandlungen beliebt, doch der Jugendschutz hinkt manchmal noch hinterher. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Carsten Koall

Verkauf von Comics Sex und Pornografie in Mangas: Wo bleibt der Jugendschutz?

24. Juni 2023, 05:00 Uhr

Mangas feierten ihren Durchbruch in Deutschland in den 1990er-Jahren. Die berühmtesten Mangas waren damals "Sailor Moon" und "Dragon Ball". Bei den Kindern waren sie populär. Auch heute sind die Comics aus Japan oder Korea noch beliebt. Die Verkaufszahlen steigen weiter an. Doch sexistische Rollenbilder und sexualisierte Darstellungen prägen die Zeichnungen. Eine einheitliche Regelung zum Kinder- und Jugendschutz gibt es nicht.

Japanische Comics sind aktuell beliebter denn je. Laut Buchreport stiegen die Verkaufszahlen von Mangas im Corona-Jahr 2021 um satte 75 Prozent. Auch im Jahr 2022 wachsen die Verkaufszahlen weiter. Die steigende Relevanz zeigt sich auch bei Messen und Veranstaltungen. Seit 2014 ist die Manga-Comic-Convention fester Bestandteil der Leipziger Buchmesse.

Interesse an Manga-Events hoch

Im Februar 2023 titelte die Leipziger Buchmesse: "Noch größer und farbenfroher als je zuvor: Die Manga-Comic-Con ist zurück." Bereits 2019 erreichte die Messe einen Höchststand der Ausstellerzahlen. Laut der Pressesprecherin Julia Lücke ist das Interesse dieses Jahr noch größer gewesen. Besucher- und Ausstellerzahlen werden seit diesem Jahr jedoch nur noch gemeinsam mit dem Kinder- und Jugendbereich der Messe erfasst.

Logo MDR 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Verlage nehmen Altersempfehlung bei Mangas selbst vor

Auch wenn Mangas komplexe Inhalte und tiefgründige Charaktere bieten, ohne den "Schlüpfer Lüpfer" kommen viele Mangas nicht aus. Charakteristisch werden Frauen in Mangas mit großen Brüsten dargestellt. Die Suche nach einem Manga ohne Rollenbilder, das nicht mit weiblichen Reizen spielt, gestaltet sich schwierig.

Das berichten auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Erfurter Comic-Ladens "Comic-Attack". Ein Exemplar konnten sie nach längerem Suchen aus dem Regal ziehen. Eine unabhängige Instanz, die eine Altersbeschränkung vor der Veröffentlichung prüft, gibt es nicht. Die Verlage geben selbst Empfehlungen. Hierzu sind Markierungen und Altersempfehlungen auf den Mangas zu finden.

Ein roter "Ab 18 Jahre"-Aufkleber auf einem Comicheft
Bisher entscheiden die Verlage, ob ein Comicheft einen "Ab 18 Jahren"-Aufkleber bekommt und eingeschweißt verkauft wird oder nicht. Bildrechte: MDR/Jana Maier

Manga-Comics fallen unter Kunstfreiheit

Der Carlsen Verlag ist einer der großen Anbieter in Deutschland. Für Mangas gibt es sogar eine eigene Abteilung: Carlsen Manga. Mangas werden in Form von Büchern, meist Taschenbüchern oder Paperbacks veröffentlicht. Für sie gelten die Gesetze der Kunstfreiheit. "Als Verlag möchten wir natürlich keine 'verbotenen Inhalte' wie Nazi-Propaganda und so weiter veröffentlichen. Titel, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt werden, dürfen nicht frei an Minderjährige verkauft oder beworben werden", so Fidelia Thies von Carlsen.

Titel mit einer Altersempfehlung werden in der Regel einzeln eingeschweißt verkauft, heißt es vom Verlag. Dies geschieht allerdings auf freiwilliger Basis. Auch gäbe es die Möglichkeit, ein Vorwort einzufügen, um auf bestimmte Inhalte aufmerksam zu machen. So macht es auch der Carlsen Verlag: "Hallo liebe Manga-Fans, bitte nehmt euch die Zeit, diesen Text genau zu lesen, denn es geht hier um ein wichtiges Thema, welches wir nicht unkommentiert lassen wollen. [...] 'Tokyo Revengers' spielt in Japan und in diesem kulturellen Kontext ist das Manji-Symbol auch zu verstehen." Der Carlsen Verlag verweist hier auf den kulturellen Kontext. Historisch tragische Bedeutung hat in Deutschland hingegen das gespiegelte Symbol der Swastika, welches für die Zeit des Nationalsozialismus steht und verfassungswidrig ist.

Erotische Bilder und Gewaltszenen ausschlaggebend für Einstufung "ab 18 Jahren"

Doch nach welchen Kriterien entscheiden die Verlage wie Carlsen? "Titel, die wir 'ab 18 Jahren' empfehlen, enthalten einzelne erotische Bilder oder Gewaltszenen, die wir als für Minderjährige nicht geeignet einschätzen. Zugleich soll die Altersempfehlung eine Orientierung für den Buchhandel sein", so Fidelia Thies.

Titel, die wir 'ab 18 Jahren' empfehlen, enthalten einzelne erotische Bilder oder Gewaltszenen, die wir als für Minderjährige nicht geeignet einschätzen. Zugleich soll die Altersempfehlung eine Orientierung für den Buchhandel sein.

Fidelia Thies Sprecherin Carlsen Verlag

Grundsätzlich ist der Verlag gegen eine Zensur und für eine möglichst originalgetreue Veröffentlichung. Mangas mit verfassungsfeindlichen Inhalten sind strafbar und dürfen nicht veröffentlicht werden. Andere große Verlage wie Tokyopop und Egmont reagierten nicht auf die Nachfrage des MDR.

Ein Buchcover von hinten mit vier aufgedruckten Flammen
Mit Flammen kennzeichnet das Label Hayabusa (gehört zu Carlsen) das Maß der Gewalt und der Erotik-Szenen. Bildrechte: MDR/Jana Maier

zum Aufklappen: Strafrechtliche Inhalte

Strafrechtliche Inhalte der Kinderpornografie sind im Paragraf 184b Strafgesetzbuch geregelt. Mangas mit diesen Inhalten dürfen prinzipiell in Deutschland nicht verkauft werden. "Bei der Verbreitung von Comics und Mangas, die sexuelle Handlungen an fiktiven Kindern beinhalten, ist eine Strafbarkeit meist gegeben", schreibt Rechtsanwalt Dr. Sascha Böttner im Portal Anwalt.de. Die Verlage und Verkäufer machten sich demnach strafbar.

Indizierung einzelner Werke durch den Kinder- und Jugendmedienschutz

Die Prüfstelle der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz entscheidet, welches Comic auf dem Index landet. Dies betrifft derzeit mehr als 75 Werke. Darunter fallen auch Mangas. Laut Prüfstelle gibt es hierzu allerdings keine eigene Statistik. Leiter dieser Stelle ist Thomas Salzmann. "Damit eine Überprüfung erfolgen kann, müssen Behörden oder anerkannte Jugendhilfeträger Überprüfung zu einem bestimmten Manga beantragen", so Salzmann.

Bei den zu prüfenden Mangas geht es oft um sexualisierte Darstellungen, zum Teil mit nicht einvernehmlichem Sex und sogar Sex mit Kindern oder Jugendlichen. Dabei werden unterschiedliche Kriterien, etwa der Körperbau der abgebildeten Person sowie das Setting der Abbildung in die Gesamtschau miteinbezogen. Dann prüft ein Gremium aus zwölf Personen. Es ist zusammengesetzt aus Vertretern der Bundesländer, Medien- und Ethik-Vertretern aus Deutschland.

Abwägung zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit

Es gilt, zwischen dem Jugendschutz und der Kunstfreiheit abzuwägen. Um das Manga zu indizieren, ist eine Zweidrittelmehrheit dieses Gremiums notwendig. Bei offensichtlichen Fällen der Jugendgefährdung entscheidet ein dreiköpfiges Gremium. Hierbei müssen alle drei Personen zustimmen. "Bis diese Entscheidung getroffen wurde, ist das Manga frei verkäuflich, solange es nicht schwer jugendgefährdend, zum Beispiel pornografisch ist", sagt Thomas Salzmann.

Was passiert, wenn ein Manga auf dem Index landet?

Wenn ein Manga auf dem Index landet, ist dies nicht gleichzusetzen mit dem Index bei Videospielen und Filmen. Diese dürfen in Deutschland weder verkauft oder verliehen noch gezeigt werden. Ein Index bei Mangas bedeutet hingegen, dass die Werke nicht frei zugänglich angeboten werden und nicht beworben werden dürfen. Auf Anfrage dürfen diese Mangas allerdings an Erwachsene verkauft werden.

Kinderschutzbund sieht Probleme bei Handel und Streamingdiensten

Auch dem Kinderschutzbund in Thüringen ist die Problematik seit vielen Jahren bekannt. "Bei Verkauf von Drucksachen sehen wir wie bei vielen anderen Gefahren für das Wohl von Kindern auch eine immanente Ohnmacht im Umgang", so Alexander Gans, Referent des Kinderschutzbundes Thüringen e.V. "Neue Herausforderungen sehen wir aber vor allem bezogen auf Streamingdienste, wo Hentai-Pornos eine große Faszination auf junge Menschen ausübt."

Neue Herausforderungen sehen wir aber vor allem bezogen auf Streamingdienste, wo Hentai-Pornos eine große Faszination auf junge Menschen ausübt.

Alexander Gans Referent des Kinderschutzbundes Thüringen

Zu einfach sei der Zugang zu den Anbietern. Aus der Perspektive des Kinderschutzes führt kein Weg an der Konfrontation vorbei. Elternhäuser und Bildungseinrichtungen seien hier gefragt. Wenn sich Fachkräfte oder Eltern Sorgen um die Entwicklung von Heranwachsenden machen, bieten die Kinderschutzdienste Beratung und Unterstützung.

Verantwortung liegt derzeit bei Verkäufern

Verantwortliche Verkäufer und Verkäuferinnen schätzen eine gewisse Eigenverantwortung. Sie lesen viele Mangas und könnten daher auch einschätzen, in welchem Alter bestimmte Mangas schon vor der Altersempfehlung von Kindern gelesen werden könnten, heißt es. "Für welches Alter ein Manga geeignet ist, entscheiden wir in erster Linie anhand der aufgedruckten Altersempfehlung", so Henry Kießling vom Comic-Laden "Comic Attack" in Erfurt. Der Kontakt zu den Kunden sei sehr eng und man tausche sich regelmäßig über die Mangas aus.

Herausforderungen gebe es bei Jugendlichen, die kein Verkaufsgespräch annehmen. "Dann schätzen wir das Alter anhand des Äußeren und des Auftretens", so Kießling. Dies sei schwierig, denn mit Schminke und Kleidung könnten sie älter aussehen, als sie eigentlich sind. Der schwierigste Fall sei, wenn Jugendliche im Cosplay einkaufen. Teilweise könne nicht erkannt werden, wer dahintersteckt.

Wenig Zeit für Ausweiskontrollen

Henry Kießling kritisiert auch den Zeitfaktor: "Wir haben meist gar nicht die Zeit, alle Jugendlichen, bei denen wir uns unsicher sind, nach den Ausweisen zu fragen. Doch es wäre die zuverlässigste Variante." Wie sich im Gespräch herausstellt, liege die Kontrolle, was Kinder lesen sollten, auch bei den Eltern. "Persönlich würden wir uns wünschen, dass Eltern und Erziehungsberechtigte mehr darauf achten, was die Kinder lesen."

Persönlich würden wir uns wünschen, dass Eltern und Erziehungsberechtigte mehr darauf achten, was die Kinder lesen.

Henry Kießling Verkäufer im Erfurter Comicladen "Comic Attack"

Zwar gebe es Eltern, die sehr interessiert seien an dem, was ihre Kinder lesen. "Aber ebenso viele gibt es, die keinen weiteren Gedanken daran verschwenden", so Kießling. Zu häufig würden Comic und Mangas als Bildchen oder Bilderbücher abgetan. "Die leichteste Methode, um einen ersten Eindruck von einem Manga zu bekommen ist es, dieses durchzublättern", sagt Kießling. Das reiche meist für eine grobe Einschätzung aus. Die aktuell geltenden Regeln seien ein guter Anfang.

Die leichteste Methode, um einen ersten Eindruck von einem Manga zu bekommen ist es, dieses durchzublättern

Henry Kießling Verkäufer im Erfurter Comicladen "Comic Attack"

Kießling: Wunsch nach mehr Transparenz bei Altersempfehlung der Verlage

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von "Comic Attack" wünschen sich einen transparenteren und einheitlichen Prozess der Verlage, wie es zu den Altersempfehlungen kommt. "Bei einem Manga habe ich den Eindruck, die Einstufung ist zu hoch. Bei einem anderen, dass sie zu niedrig ist", so Kießling.

Ein weiterer Comic-Treff in Erfurt wollte in diesem Artikel nicht erscheinen. Da es sich lediglich um Empfehlungen handelt, gibt es keine weiteren Kontrollen. Die Verkäufer, die mit dem Verkauf Geld verdienen, entscheiden, ob die Altersempfehlung gilt oder nicht.

Anime- und Manga-Convention "ShiroCo" in Chemnitz mit Jugendschutzkonzept

Am 24. Juni findet in Chemnitz die Anime- und Manga-Convention "ShiroCo" statt. Auch hier geht es um fantastische Welten, Kreativität und magische Kreaturen. Die Veranstalter rechnen mit einem großen Besucherandrang. Alle Mitarbeiter und Aussteller verpflichten sich, keine jugendgefährdenden Inhalte öffentlich auszustellen oder zugänglich zu machen. Kinder haben nur in Begleitung ihrer Eltern Zutritt zur Messe.

MDR (jw)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 23. Juni 2023 | 12:30 Uhr

Mehr aus Deutschland

Mehr aus Deutschland