Heinz Hoenig nicht versichert Trotz Versicherungspflicht: Warum Zehntausende in Deutschland nicht krankenversichert sind
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08. Mai 2024, 07:17 Uhr
Der Schauspieler Heinz Hoenig ist schwer krank und braucht eine aufwendige Operation. Aber er ist nicht krankenversichert. Deshalb ist es ziemlich kompliziert, seine langwierige und kostenintensive Behandlung zu finanzieren. Doch Hoenig ist kein Einzelfall, laut statistischem Bundesamt sind mehr als 60.000 Menschen in Deutschland nicht krankenversichert. Die Gründe dafür sind vielfältig und die Folgen für Betroffene teilweise fatal.
- Häufige Gründe, weshalb Menschen keine Krankenversicherung haben, sind Beitragsschulden, Obdachlosigkeit oder ein illegaler Aufenthalt in Deutschland.
- In mehreren deutschen Städten gibt es Hilfsorganisationen, die unversicherte Menschen kostenlos behandeln oder sie bei der Vermittlung an Facharztpraxen unterstützen.
- Fachkräfte für Soziale Arbeit können sich durch recht komplizierte Weiterbildungen auf Krankenversicherungsklärungen spezialisieren.
Eigentlich herrscht in Deutschland seit 2009 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Trotzdem waren laut statistischem Bundesamt 2019 gut 61.000 Menschen nicht versichert.
Doch die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, sagt Sophie Pauligk, Vorstandsmitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme Behandlungsscheine und Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung: "Wir gehen von einer halben bis zu einer Million Betroffenen aus. Und das wird von Menschen in der Forschung, die sich damit beschäftigen, auch ungefähr in dem Bereich eingeordnet.
Diverse Gründe für fehlende Krankenversicherung
Dass Menschen nicht krankenversichert sind, kann verschiedene Gründe haben: Leiharbeitsfirmen bieten etwa ihren Arbeitern aus dem EU-Ausland nicht immer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung an. Menschen haben keinen legalen Aufenthaltsstatus und damit keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Oder Obdachlose sind ohne Postadresse, ohne Kontakt zu Sozialamt oder Jobcenter.
Aber auch den deutschen Durchschnittsbürger kann es treffen, berichtet Pauligk: "Ein häufiges Problem bei Menschen, die deutsche Staatsbürger sind, sind Beitragsschulden. Zum Beispiel, wenn man selbstständig ist und Privatinsolvenz anmelden muss, dann rutscht man in einen sogenannten Notlagentarif." Zumindest, wenn man privatversichert ist. Das heißt, man bekommt dannn nur noch die nötigste medizinische Versorgung.
Gesetzliche Krankenkassen bieten bei Beitragsschulden eine längere Kulanzzeit, um die Schulden zu begleichen. Passiert das nicht, werden medizinische Leistungen von den Kassen einfach nicht mehr übernommen.
Hilfsorganisationen unterstützen Betroffene
In dem Fall bleiben nur noch Angebote von Hilfsorganisationen. Etwa von dem Verein Ärzte der Welt, der in mehreren deutschen Städten Menschen ohne Versicherung kostenlos behandelt, erklärt Pressereferentin Stefanie Kirchner. "Wir können ein Angebot machen, das mit einer allgemeinmedizinischen Praxis vergleichbar ist mit. Wir haben auch spezielle Sprechstunden, zum Beispiel gynäkologische Sprechstunden und auch Chronikersprechstunden. Zusätzlich arbeiten wir mit Facharztpraxen zusammen, an die wir Personen vermitteln können."
Doch auf lange Sicht ist das kaum eine Lösung. Philipp Opfermann, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät deshalb dringend: "Das Schlechteste, was man machen kann, ist, nichts zu tun. Hier gilt es wirklich, aktiv zu werden und sich darum bemühen. Auch wenn das vielleicht mit Scham behaftet ist oder die Leute Angst haben, dass sie Beiträge nachzahlen müssen. Es gibt da immer Wege und Möglichkeiten."
Spezielle Weiterbildung für Fachkräfte
Der Weg dahin ist allerdings mehr als mühsam und ohne fachkundige Hilfe nur schwer zu schaffen. Wie schwer, erklärt Sophie Pauligk, an der dafür nötigen Ausbildung: "Es gibt ein spezialisiertes Weiterbildungsangebot, das Sozialarbeiter und -arbeiterinnen in Anspruch nehmen können, die sich auf Krankenversicherungsklärungen spezialisieren. Da gibt es ein Skript, das von einer ganz erfahrenen Berliner Verwaltungsfachfrau geschrieben worden ist, und das umfasst 1.000 Seiten kleingedruckten Text.
Pauligk ist selbst Leiterin der Beratungsstelle – oder Clearingstelle – Sachsen, die seit vergangenem Jahr Förderung vom Land erhält. In Thüringen gibt es schon seit einigen Jahren den anonymen Behandlungsschein für Nicht-Versicherte. Damit sind auch Behandlungen im Krankenhaus möglich.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. Mai 2024 | 06:24 Uhr