Symbolbild - Eine Frau verfasst handschriftlich einen Brief.
Auch im öffentlichen Dienst fehlt es an Fachkräften. Bildrechte: IMAGO/Nedrofly Stock

Arbeitsmarkt Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst und unterschiedliche Einstellungskriterien

16. August 2023, 05:00 Uhr

In unserer Rubrik Hörer machen Programm geht es diesmal um die Arbeit im öffentlichen Dienst. Ein Nutzer fragt: Auch im öffentlichen Dienst fehlen Unmengen Fachkräfte. Dennoch wird für viele Stellen weiterhin der Abschluss des Verwaltungsfachangestellten verlangt oder zumindest die Angestelltenfortbildung FL1. Wieso werden die Stellen nicht geöffnet und die Besetzungskriterien gesenkt?

Jan Bräuer
Bildrechte: MDR/Jan Bräuer

Unser Hörer arbeitet für die Stadtverwaltung Erfurt. Er hat eine kaufmännische Ausbildung, fühlt sich auf seinem Posten aber unterfordert. Aufstiegsmöglichkeiten gibt es für ihn. Allerdings sind die geknüpft an Qualifizierungs- oder Fortbildungsprogramme, während bei Stellenausschreibungen anderer Kommunen diese keine Bedingung sind. Warum ist das so?

Stadt Erfurt hält sich an Tarifvertrag für öffentlichen Dienst

Zunächst die Nachfrage bei der Stadt Erfurt. Eine Antwort kommt schriftlich aus dem Presse- und Öffentlichkeitsamt. In dem Schreiben heißt es: "In der Stadt Erfurt gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Dieser legt die Voraussetzungen fest, die die Kolleginnen und Kollegen mitbringen müssen, um entsprechende Gehaltsstufen zu erreichen, die wiederrum gekoppelt sind an klar definierte Aufgaben. Die Landeshauptstadt bietet diverse Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung an, um diese Voraussetzungen zu erfüllen."

Eingruppierung nach Abschluss und Qualifikation. Ein festes Regelwerk definiert Tätigkeiten, woraus sich die Bezahlung regelt. Wie zeitgemäß ist diese Handhabe? Schwieriges Thema, sagen die Gewerkschafter von verdi in Erfurt. Generell hätte sich diese klare Definition von Ausbildung, Aufgabe und Entlohnung bewährt. Die Arbeit im öffentlichen Dienst sei nun einmal vielschichtig, erklärt Gewerkschaftssekretär Daniel Conrad: "Es ist komplex. Die Tätigkeitsmerkmale, die in den jeweiligen Bereichen beschrieben sind, sind durchaus nicht ohne Grund da. Der Beschäftigte der Stadtverwaltung beispielsweise hat komplexe Anträge vor sich liegen."

Dass in Stellenausschreibungen der Kommunen bei vergleichbaren Posten andere Qualifizierungsmaßstäbe genannt oder vorausgesetzt werden, überrascht den Gewerkschafter genauso wenig wie Carsten Rieder. Er ist Geschäftsführer des Thüringer Gemeinde- und Städtebunds und sagt: "Jede Kommunalverwaltung hat grundsätzlich die Freiheit, die Erfüllung ihrer Aufgaben selbst zu strukturieren. Sie kann einen Geschäftsverteilungsplan festlegen und damit selbst gestalten und regeln, wie diese Aufgaben erfüllt werden, um die Zuverlässigkeit des staatlichen Handels zu gewährleisten."

Fachkräftemangel auch in Verwaltungen spürbar

Was Carsten Rieder ebenfalls sagt, natürlich mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar in den Verwaltungen. An einer Flexibilisierung oder Anpassung der Voraussetzungen und Einsatzmöglichkeiten werde man über kurz oder lang nicht vorbeikommen, sowohl bei angestellten wie bei verbeamteten Mitarbeitern. Erste Gespräche dazu hätten mit dem Innen- und Kommunalministerium längst begonnen. Ziel dabei sei es "beispielsweise für die Beamten, das Laufbahnrecht entsprechend anpassen, vereinfachen möchte, den Zugang zu diesen Laufbahnen und auch den Wechsel ändern möchte und Gegebenheiten anpassen möchte." Wann diese Gespräche zu einem Ergebnis führen und wie das aussehen könnte, sei allerdings derzeit völlig offen.

Aber was kann unser Hörer tun, um auf einen Posten wechseln zu können, der ihn mehr fordert? Gewerkschafts-Sekretär Daniel Conrad empfiehlt, das Angebot für Weiterbildungen zu studieren und das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen: "Es ist wichtig, in den Austausch mit den jeweiligen Führungskräften in den Abteilungen zu gehen und dann zu schauen, wo sind welche Qualifizierungen notwendig, an welchen Stellen gibt es Bedarf."

Die Möglichkeit der Qualifizierung muss von Arbeitgeberseite jedem Mitarbeiter eingeräumt werden. Ebenso müssen Freistellungen für die Maßnahmen problemlos erfolgen. Auch das ist geregelt im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. August 2023 | 06:22 Uhr

3 Kommentare

NochJemand vor 38 Wochen

Tarifregelungen sind immer besser als frei verhandelte Gehälter. Nur müssen die Tarife auch praxisnah ausgearbeitet sein. Sonst wird die Einordnung wiederum willkürlich, weil die Kriterien zu ungenau oder aber übergenau formuliert und auslegbar sind.

Der Öffentliche Dienst zahlt nicht gerade üppig, dazu sind die meisten Verträge befristet. Wer einen Dauerjob sucht, wird eher woanders hingehen.

Thomas S. vor 38 Wochen

Fachkräftemangel in der Verwaltung ist zu 80% auf die miserable Führungskompetenz zurückzuführen. Angst vor den Mitarbeitern, Klammern an schikanöser Überregulierung, die sich niemand in der freien Wirtschaft leisten könnte und Führungsversagen insgesamt. Der Fisch stinkt immer vom Kopf.

D.L. vor 38 Wochen

Ein zusätzliches Problem ist auch, dass viele Stellen (erstmal) nur befristet ausgeschrieben und zu besetzen sind und u.U. nicht verlängert werden.
Wenn man sich nach 2facher Befristung wieder auf eine befristete Stelle bewirbt, muss man "entfristet" werden - davor scheut sich der ÖD und besetzt die Stelle einfach nicht mit ggfs. geeigneten Bewerbern (eigene Erfahrung).

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