Rotmilan
Der Rotmilan gehört zu den "kollisionsgefährdeten" Vogelarten. Bildrechte: imago images/blickwinkel

Erneuerbare Energien Wie Windkraft und der Schutz von Vögeln vereint werden sollen

26. Dezember 2022, 11:42 Uhr

Mehr Turbo beim Ausbau der Erneuerbaren: Die Bundesländer sollen deutlich mehr Flächen für Windparks ausweisen. Bis 2030 soll die Leistung der Windenergie an Land von heute 56 Gigawatt auf 115 Gigawatt mehr als verdoppelt werden. Inzwischen ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien von großem öffentlichen Interesse, auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges. Er soll also Vorzug bekommen vor anderen gesellschaftlichen Belangen. Was bedeutet das für den Naturschutz?

"Also diese Anlage, die wir da drüben sehen, die hat einen Energie-Ertrag von 17 Millionen Kilowattstunden, kann sich ja jeder mal zuhause ausrechnen, was bei ihm auf dem Zähler drauf steht", sagt Peter Horntrich. Er arbeitet als Umweltplaner für den Projektentwickler VSB aus Dresden, der Windparks in ganz Europa errichtet. 240 Meter hoch ragen die Rotorenspitzen in den Himmel nahe der Gemeinde Weißandt-Gölzau in Sachsen-Anhalt.

Windräder neben einer Autobahn
Windkrafträder in Sachsen-Anhalt. Bildrechte: imago images/Frank Sorge

Komplizierte Genehmigungsverfahren für Windanlagen

"Man kann unter Umständen schon eine Kleinstadt mit nur einer modernen Anlage versorgen", erklärt Horntrich. Der Weg zum Windpark ist allerdings ein weiter, fünf bis sechs Jahre dauert es von der Idee bis zur Inbetriebnahme. Mindestens ein Jahr lang müssen Vögel und Fledermäuse kartiert werden, um das Risiko von Kollisionen einzuschätzen.

Das sei aber nicht der langwierigste Teil, erzählt Peter Horntrich: "Wenn wir darauf aufbauend die Gutachten erstellen und einreichen, wäre das alles noch ein überschaubares Maß. Wir haben aber sehr lange und komplizierte Genehmigungsverfahren." In jedem Bundesland gebe es unterschiedliche Regelungen. Und auch in den Leitfäden gebe es viele unbestimmte Empfehlungen und sehr viele Entscheidungsspielräume.

15 Vogelarten als kollisionsgefährdet ausgewiesen

Diesen Flickenteppich will die Bundesregierung mit einer Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes ausräumen: Prüfungen sollen einheitlich verlaufen und die Anzahl der kollisionsgefährdeten Vogelarten wird festgesetzt.

Zum Unmut von Ute Eggers, Referentin für Vogelschutz beim Naturschutzbund NABU: "Es gibt da zum einen eine abschließende Artenliste. Die führt nur noch 15 Vogelarten als kollisionsgefährdet auf, die eben berücksichtigt werden müssen bei der Planung von Windparks." In Wirklichkeit seien jedoch deutlich mehr als diese gelisteten Arten von Kollisionen gefährdet. 44 Vogelarten müssten es laut NABU sein.

Geht es den Arten in Deutschland besser, ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien auch von der Antragslage her, von der Genehmigungslage aber nachher auch gerichtsfest viel einfacher möglich.

Josef Tumbrinck Sonderbeauftragter für das Nationale Artenhilfsprogramm

Um den Konflikt zwischen Ausbau der Erneuerbaren und Artenschutz zu entschärfen, hat die aktuelle Bundesregierung ein neues Amt eingeführt: Den Sonderbeauftragten für das Nationale Artenhilfsprogramm, Josef Tumbrinck, ehemaliger NABU-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen: "Also im Idealfall bin ich sozusagen auch einer der Beschleuniger des Ausbaus der Erneuerbaren. So verstehe ich meine Aufgabe, dass es den Arten in Deutschland besser geht", erklärt Tumbrinck.

Über 82 Millionen um Naturschutz und Erneuerbare zu vereinen

Gehe es den Arten in Deutschland besser, sei der Ausbau der Erneuerbaren Energien auch von der Antragslage her, von der Genehmigungslage aber nachher auch gerichtsfest viel einfacher möglich, sagt Tumbrinck.

Er bekommt 82 Millionen Euro vom Bund und noch Geld von den Anlagen-Betreibern. Nächstes Jahr sollen die ersten, gezielten Projekte für Fledermäuse, Rotmilane und Co. losgehen: Nistplätze sollen besser gesichert, Rast- und Nahrungsflächen der Vögel aufgewertet und Biotope neu geschaffen werden.

Peter Horntrich vom Projektentwickler VSB erhofft sich nun kürzere Genehmigungsverfahren und mehr Planungssicherheit. Er glaubt aber, dass die neuen Gesetze erst in einiger Zeit überall greifen. Ein Repowering-Projekt in der Nähe von Wittenberg könnte ein gutes Beispiel für Artenschutz und Energiewende werden. "Wir wollen, da sind wir bereits dabei, 50 Anlagen zurückbauen, und es werden 17 neue errichtet", erklärt Horntrich. Rein vom Energieertrag sei es so, dass ca. auf 2/3 der Fläche der sechsfache Energieertrag erwirtschaftet werde. Dabei werde auch die gesamte Fläche kleiner.

Mehr Leistung bei geringerem Flächenverbrauch und weniger Kollisionsgefahr: Die Anlagen besitzen automatische Abschalteinrichtungen, die Fledermäuse und Vögel erkennen und den Betrieb pausieren. Außerdem sind sie so groß, dass die Rotoren über den Flugzonen der meisten Vögel kreisen. Technologische Maßnahmen wie diese fordert auch der NABU zum Schutz der Tiere.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 25. Dezember 2022 | 05:00 Uhr

4 Kommentare

Der Erfurter Bub am 26.12.2022

„…wenn man einen Fehler macht gibt es auch eine kleine Explosion. Es macht puff und die Kühe fallen um und die kleinen Häuser und Bäume. Da ist dann immer ein großes Hallo....
Loriot lässt grüßen

Rain Man am 26.12.2022

Welchen unerträglichen Lärm die Einwohner Weißandt-Göltaus dank der laut lärmenden riesigen Windräder erleiden müssen, erwähnt der Herr Horntrich lieber mit keiner Silbe. Ich wohne dort in der Nähe und weiß wovon ich rede!

Rain Man am 26.12.2022

Windräder gehören abgeschafft! Diese laut lärmenden, krankmachenden und vögelschreddernden Ungetüme sind niemals die Lösung für unsere Energiewende! Es ist Wahnsinn, was hier abläuft! Atomkraft muss neu gedacht werden! Sichere Atomkraft ist die Zukunft!

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