Ein Paar sitzt vor Unterlagen.
Durch eine Reform des Ehegattensplittings können mehrere Milliarden Euro gespart werden. Bildrechte: imago images/Shotshop

Faktencheck Reform des Ehegattensplittings würde sich mehr lohnen als Kürzungen beim Elterngeld

10. Juli 2023, 13:15 Uhr

Die geplante Herabsetzung der Einkommensgrenze von 300.000 Euro auf 150.000 Euro, bis zu der Paare Elterngeld beantragen können, sorgt für viel Diskussionsstoff. Wido Geis-Thöne, Experte für Familienpolitik beim Institut der Deutschen Wirtschaft, sprach sich dafür aus, wenn dann im Bereich des Ehegattensplittings anzusetzen. Dadurch könnte um einiges mehr gespart werden.

Könnte man mit einer Reform des Ehegattensplittings zum Beispiel hin zu einem gedeckelten Realsplitting wirklich mehr bewirken als mit der Senkung der Einkommensobergrenze beim Kindergeld? Wirtschafts- und Sozialforscher sind sich in dieser Frage einig. Für Michaela Kreyenfeld zum Beispiel, Professorin für Soziologie an der Hertie School in Berlin, ist die Diskussion nicht neu: "Die Reform des Ehegattensplittings, die kommt häufig auf. Das wird von allen Beiräten gefordert und man könnte Maßnahmen wie die Reform des Ehegattensplittings, also die Mitversicherung des nichterwerbstätigen Ehepartners, genauso gut überdenken und da würde mehr Geld rauskommen."

Ehegattensplitting-Reform würde Milliarden einbringen

Wie viel mehr, erklärt Dr. Robin Jessen, stellv. Leiter des Kompetenzbereichs Wachstum, Konjunktur und öffentliche Finanzen beim RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung: "Das sind wirklich andere Größenordnungen. Beim Elterngeld ist jetzt ungefähr von 300 Millionen Euro pro Jahr die Rede. Beim Ehegattensplitting sind es zweistellige Milliarden-Beträge."

Der Grund liegt auf der Hand: Beim Ehegattensplitting spielt die Einkommensteuer eine Rolle, über die der Staat jährlich mehrere Hundert Milliarden Steuern einnimmt. Jessen erklärt weiter: "Wenn man dabei Vergünstigungen, wenn man das Ehegattensplitting als solches betrachten will, abschafft, dann ist einfach die Hebelwirkung viel größer, als wenn man einen Transfer wie das Elterngeld für etwa 60.000 Familien abschafft." 20 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen könnten so durch den Staat generiert werden, sagt Jessen.

Ausspielen zweier familienpolitischen Maßnahmen

Allerdings nur unter bedingten Voraussetzungen, denn eine Abschaffung des Ehegattensplittings an sich würde keinen einzigen Haushalt besserstellen und es wäre nur eine Steuererhöhung, sagt Jessen.

Es ist nicht zu vermeiden, dass bei der Abschaffung des Ehegattensplittings – auch in Kombination mit einer Steuersenkung – Verlierer produziert werden, aber das wären ziemlich wenige.

Dr. Robin Jessen Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung

Deswegen wäre es notwendig, einen Reformvorschlag des Ehegattensplittings mit einer Steuersenkung des Einkommensteuertarifs zu verknüpfen, erklärt Jessen. Denn dadurch könnten viele Haushalte auch gewinnen: "Wenn man das nicht tut, dann werden sich insbesondere Ehepaare Sorgen machen, bei denen die Arbeitseinkommen relativ ungleich verteilt sind. Es ist nicht zu vermeiden, dass bei der Abschaffung des Ehegattensplittings – auch in Kombination mit einer Steuersenkung – Verlierer produziert werden, aber das wären ziemlich wenige."

So sehr Ehegattensplitting wie auch Elterngeld reformiert werden müssten, gibt Soziologin Michaela Kreyenfeld zu bedenken, in der ganzen Diskussion eines nicht aus den Augen zu verlieren: "Es werden dann zwei familienpolitische Maßnahmen gegeneinander ausgespielt – also die Wichtigkeit eben nicht gegeben. Das ist, glaube ich, die grundsätzliche Frage: Warum muss es dann wieder in der Familienpolitik sein?"

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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