Faktencheck Können die Entlastungspakete die Preissteigerung zu 90 Prozent auffangen?

06. Juli 2022, 13:31 Uhr

Die Inflation ist in aller Munde – auch in dem von Kanzler Olaf Scholz. Und der hat nun angekündigt: Der Bund fängt für untere und mittlere Einkommen mit seinen Entlastungspaketen 90 Prozent der Preissteigerung auf. Stimmt das?

Die Inflation ist gerade eines der bestimmenden Themen europaweit – auch in Deutschland. Wegen der Teuerung in fast allen Bereichen des alltäglichen Lebens hat die Bundesregierung Entlastungspakete auf den Weg gebracht.

Für dieses Jahr sagen fast alle, die nachgerechnet haben, dass wir bei den unteren und mittleren Einkommen ungefähr 90 Prozent der Preissteigerungen durch die vielen Maßnahmen, die wir ergriffen haben, aufgefangen haben.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich im ARD-Sommerinterview dazu geäußert und gesagt: "Das nächste Jahr wird die größte Herausforderung. Für dieses Jahr sagen fast alle, die nachgerechnet haben, dass wir bei den unteren und mittleren Einkommen ungefähr 90 Prozent der Preissteigerungen durch die vielen Maßnahmen, die wir ergriffen haben, aufgefangen haben."

Regierungssprecher relativiert Scholz-Aussage

Es wäre ein großer Erfolg für die Bundesregierung, sollten die Maßnahmenpakete tatsächlich so durchschlagen. So sicher, wie der Kanzler es hier erscheinen lässt, ist es aber nicht. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat die Scholz-Aussage im Nachgang nämlich direkt relativiert.

Er sagte in der Bundespressekonferenz: "Bei der Klausur des Bundeskabinettes haben zwei Wirtschaftswissenschaftler, Herr Hüther und Herr Dullien, vorgetragen." Sie hätten die beiden beschlossenen Entlastungspakete, die insgesamt ein Volumen von etwa 30 Milliarden Euro hätten, bewertet. Sie seien zu der Aussage gekommen, dass damit nach aktuell absehbarem Stand für dieses Jahr etwa 90 Prozent der Zusatzkosten, die auf alle zukämen, abgegolten sein könnten.

Oder würden. Man müsse da vorsichtig sein, so Hebestreit. Das sei eine statistische Größe und es werde immer Einzelfälle geben, wo das anders ausfällt. Professor Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung war für eine Einschätzung nicht zu erreichen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft, dem Michael Hüther als Direktor vorsteht, äußert sich zurückhaltend.

Keine Präzisen Aussagen zum Effekt der Entlastungspakete

Präzise Aussagen zum Effekt der Maßnahmen seien noch nicht möglich, sagt Martin Beznoska, IW-Experte für Steuer- und Finanzpolitik: "Wir wissen zwar ungefähr, was die Preissteigerungen waren, wie hoch die waren, dass Energie- und Lebensmittelpreise gestiegen sind. Wir wissen auch ungefähr, was das Entlastungspaket bringt." Viele Maßnahmen seien aber nicht auf den Weg gebracht – "oder die Auszahlungen werden erst in den nächsten Monaten stattfinden". Darüber hinaus wisse man noch nicht, in welchem Umfang die Preissteigerungen an die Verbraucher weitergereicht würden.

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Eine konkrete Einschätzung kommt dagegen vom Paritätischen Gesamtverband. Geschäftsführer Ulrich Schneider sagt: "Ich habe nachgerechnet und diese Aussage von Herrn Scholz ist völlig falsch, was die untersten Einkommen anbelangt."

Enormer Kaufkraftverlust für Menschen mit niedrigen Einkommen

Bei den Grundsicherungsbeziehern, also bei Hartz IV und in der Altersgrundsicherung, liege der Regelsatz bei 449 Euro im Monat. "Der Kaufkraftverlust ist jetzt durch die Inflation bereits bei 35 Euro angelangt. Das rechnen wir mal auf ein Jahr hoch: Das sind 420 Euro Kaufkraftverlust." Alleinlebende Grundsicherungsbezieher hätten durch das Entlastungspaket jedoch lediglich 200 Euro ausgeglichen bekommen."

Damit würden noch nicht einmal 50 Prozent der Preissteigerungen aufgefangen, geschweige denn 90 Prozent, sagt Schneider.

Dass die Entlastungspakete vielen Menschen in Deutschland in erheblichem Maße zu Gute kommen und noch kommen werden, ist unstrittig. Ob die unteren und mittleren Einkommen allerdings in dem Maße profitieren werden, wie Kanzler Scholz es dargestellt hat, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Bislang jedenfalls dürften die Preissteigerungen mit großer Sicherheit noch nicht zu 90 Prozent aufgefangen worden sein. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. Juli 2022 | 06:57 Uhr

66 Kommentare

Wessi am 07.07.2022

also @ Anni22 ...Sie verbreiten Dinge, die nicht wahr sind!Über den Tag hinaus denkend, werden wir kein Mangel an Öl haben+der Preis wird da von anderen als Russland maßgeblich bestimmt.Wir brauchen, bis auf Gas, keine Produkte aus dem Land des Kriegsverbrechers.

Wessi am 07.07.2022

"Arbeiten" @ Anni22...bedeutet heute nicht unbedingt mehr präsent zu sein.NOCHEINMAL:"es ist alles abgestimmt,was geantwortet wird"...dazu braucht an nicht da zu sein.Der mdr hats erklärt.Mag in Ihrem Russland anders sein...

Wessi am 07.07.2022

hab ich gelesen @ Anni22...sagt letztendlich nichts anderes als das, was ich sagte, lässt nur die Negativa aus.Siehe ZDF.Ich lese mehrere Quellen bevor ich was schreibe!

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