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Ab 2025 soll das neue Grundsteuermodell in Kraft treten. Zwei Gerichte haben sich nun damit befasst. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Mitteldeutschland 530.000 Einsprüche gegen neue Grundsteuer

21. Dezember 2023, 07:23 Uhr

In Mitteldeutschland gibt es mehr als 530.000 Einsprüche gegen die neue Grundsteuer. Nach Recherchen von MDR AKTUELL wird damit jeder zehnte Bescheid angefochten. Probleme gibt es nach Angaben des sächsischen Eigentümerverbands "Haus und Grund" vor allem bei der Werteermittlung der Grundstücke.

Ein Mann naht, blickt direkt in die Kamera
Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur MDR AKTUELL Bildrechte: MDR

Für die Finanzämter in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind es Kisten voller Post. Nach Recherchen von MDR Aktuell sind in den drei Bundesländern bislang mehr als 530.000 Einsprüche gegen die neue Grundsteuer eingegangen. Jeder zehnte Bescheid wird also angefochten.

Kritiker: Zu ungenaue und veraltete Berechnungsgrundlagen

Vor allem an der Wertermittlung der Grundstücke gebe es Kritik, sagt René Hobusch, Präsident des sächsischen Eigentümerverbandes Haus und Grund. "Die Berechnungsweise nimmt die Gegebenheiten vor Ort gar nicht wahr. Sondern sie hat eine fixe Tabelle."

Außerdem habe man Grundstückswerte zum Stichtag 01.01.2022, die sich in den letzten zwei Jahren verändert hätten, ergänzt René Hobusch. Auch Grundstückspreise seien schon wieder gefallen. "Und wir haben zum Teil auch Situationen, wo sie gar nicht nachvollziehen können, warum in der einen Lage der Gutachterausschuss zu einem höheren Grundstückswert kommt als in einer anderen Lage."

Die meisten Widersprüche werden von den Finanzämtern zurückgestellt. Denn es gibt diverse Musterklagen, auf deren Ergebnisse sie warten. Viele dieser Klagen werden vom Bund der Steuerzahler unterstützt.

Dort sagt Daniela Karbe-Geßler, in die Grundsteuer fließe auch die theoretisch zu erzielende Miete ein. Auch hier sei die Berechnung zu ungenau. "In ganz Berlin zum Beispiel gibt es für bestimmte Wohnungen nur eine Pauschale. Da kommt es gar nicht darauf an, wo liegen die, wie ist die Lage, wie ist die Ausstattung der Wohnung? Das spielt überhaupt keine Rolle, sodass wir eben Fälle haben, wo eine Pauschale angesetzt ist, die deutlich höher ist, als das, was man tatsächlich verlangen kann, aber auch umgekehrt natürlich."

Zwei Gerichte kommen zu unterschiedlichen Ergbenissen

Zwei Gerichte haben sich mit der Grundsteuerberechnung schon befasst. Das Sächsische Finanzgericht hatte keine Einwände. Ein Finanzgericht in Rheinland-Pfalz äußerte hingegen deutliche Bedenken.

Letzteres macht René Hobusch Hoffnung: "Wenn in der Hauptsache und beim Bundesfinanzhof die Argumente, die jetzt in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom Gericht vorgetragen worden sind, bestätigt werden, heißt das natürlich, dass das Grundsteuermodell fallen kann, das ab 2025 Anwendung finden soll."

Sachsen-Anhalt und Thüringen erwarten keine Absage vom Verfassungsgericht

Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU) hält das hingegen für unwahrscheinlich. Der CDU-Politiker geht davon aus, dass die neue Grundsteuer kommt. "Die bisherigen Entscheidungen der Finanzgerichte betreffen jeweils Einzelfälle. Und letztlich haben wir noch keine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der zu Grunde liegenden Bewertungen des Grundsteuerrechts. Und insofern müssen wir dort einfach abwarten, bis wir eine endgültige Klärung haben."

Auch Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD) geht davon aus, dass die neue Grundsteuer 2025 erhoben werden kann. Es sei unwahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht das gesamte Gesetz stoppe. "Wenn, dann gibt es möglicherweise Hinweise, wie man das in Zukunft verändert. Also so sind unsere Erfahrungen mit solchen schwerwiegenden Reformen. Und insofern: Das Bundesgesetz wird so bleiben. Was natürlich sein kann, dass es so kleine Änderungen gibt."

Das Bundesgesetz wird so bleiben.

Heike Taubert, Finanzministerin in Thüringen

Für Deutschlands Städte und Gemeinden wäre schnell Klarheit wichtig. Denn die Grundsteuer ist eine ihre wichtigsten Einnahmen. Bezahlen müssen diese Steuer übrigens keineswegs nur Eigentümer. Bei Mietwohnungen wird die Grundsteuer fast immer auf die Nebenkosten draufgeschlagen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Dezember 2023 | 06:05 Uhr

45 Kommentare

part vor 20 Wochen

Die neuen Grundsteuererhebungsverfahren scheinen auf reinen Spekulationen zu beruhen, dazu wohl noch auf Satellitendaten, die Gartenland widerrechtlich bebauten Grundstücken zuordnen. Der reale Zustand von Gebäuden wird zudem überbewertet, spekulativ zugeordnet und erst gar nicht erfasst. Im Thüringen-Viewer zur Grundsteuer erscheinen ganz andere Bodenrichtwerte als auf Bescheiden des Finanzamtes. Für selbst bewohnte Gebäude werde spekulative Mietpreise herangezogen. Es scheint, hier hat sich die Legislative den Spekulationen des Marktes untergeordnet, um sich selbst die Taschen füllen zu dürfen.

hinter-dem-Regenbogen vor 20 Wochen

@Peter Pan __"ziehen Sie doch in ein Abrisshaus oder ne Scheune, . . ."

Da haben Sie auch wieder recht, zumal am Bahnhof unserer Stadt, schon wieder mögliche Interessenten für die Grundstücke in unserer Region "rumlungern" und Ausschau halten.

Früher nannte man solche Prozesse auch Verdrängung, später sogar Vertreibung. Die Großeltern meiner Frau kennen die Abläufe noch aus ihrer Jugendzeit.

hinter-dem-Regenbogen vor 20 Wochen

@Frank L. ____"Und was den Hebesatz angeht, so sind da noch gar keine Angaben . . ."

Nach kommunalem Abgabenrecht , ist die Kommune sogar "verpflichtet", im Falle der Verschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, z.B. bei den Umlagen , sämtliche Möglichkeiten auszuschöpfen , die sich positiv auf die Haben-Seite des Haushalts auswirken könnten. . . . das aber ist einzig das Geld des Bürgers, welches dann nur umverteilt werden muß. Und so wird dem Gesetz Genüge getan.

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