Gleichstellung, Klimakrise, Umverteilung Jungwähler sind von Parteien nicht überzeugt

25. Mai 2023, 14:13 Uhr

Überzeugen können die Politikangebote der Parteien in Deutschland junge Menschen nicht. Das ist eine der Kernaussagen aus einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Erwachsenwerden in Krisenzeiten. Die Befragten zwischen 16 und 30 Jahren vermissen vor allem die Verbindung von Sozialem mit Klimapolitik.

Nastassja von der Weiden
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Anders als das Bundestagswahlergebnis 2021 vermuten lässt, verfügen Grüne und SPD über das größte Wahlpotenzial unter den 16- bis 30-Jährigen, schreiben die Macherinnen und Macher der Studie "Krisenerwachsen".

Junge Menschen sehen sich demnach links der Mitte. Die Themen Gleichberechtigung (88 Prozent), Klimaschutz (78 Prozent), stärkere Besteuerung von hohen Einkommen (77 Prozent) finden große Zustimmung und stehen damit hoch im Kurs.

Und: Die Hälfte der jungen Wählerinnen und Wähler ist grundsätzlich zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie. Politik spielt bei ihnen zwar eine erhebliche Rolle im Alltag, aber weniger als die Hälfte (45 Prozent) glauben, Einfluss auf politische Entscheidungen haben zu können.

Kritik an Parteien

Jungwähler äußern in der Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung deutliche Kritik an Politik und Parteien. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) bemängeln fehlende Beteiligungsmöglichkeiten in der Politik.

Etwas mehr als die Hälfte ist von keiner der im Wettbewerb stehenden Parteien überzeugt und für knapp 40 Prozent ist die Sprache der Politikerinnen und Politiker ein Problem. Nur jeder Vierte ist der Ansicht, dass Parteien offen für die Ideen junger Menschen seien und nur jeder Fünfte glaubt, dass die Politik Sorgen junger Menschen ernst nimmt.

Keine gute, aber wenig überraschende Bilanz – ähnliche Studien kommen seit Jahren zu den gleichen Ergebnissen.

Zufriedenheit mit Demokratie

Die aktuelle Erhebung der Friedrich-Ebert-Stiftung bestätigt, was auch Maximilian Kreter in seiner Arbeit am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden beobachtet. Er ist Politikwissenschaftler und forscht zu verschiedenen Ausprägungen von politischem Verhalten.

Im Gespräch mit MDR AKTUELL schätzt er die politische Lage unter jungen Menschen ein: "Jungwählerinnen und Jungwähler sind mit der Demokratie insgesamt zufrieden. Mit der Funktionsweise schon weniger, besonders im Osten. Das hat historische Gründe."

Jungwählerinnen würden zu den Grünen, Jungwähler eher zur FDP tendieren. Die AfD sei unter jungen Menschen deutschlandweit als Partei nicht so gefragt wie bei der älteren Wählerschaft, sagt er. Im Osten sei die Partei im Vergleich stärker vertreten, unter jungen wie alten Menschen.

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Soziale Netzwerke und persönliche Gespräche

Politischer Austausch fände bei jungen Menschen vor allem untereinander statt, sagt Kreter. Aber die Orte der Diskussion verändern sich. Soziale Netzwerke wie Instagram und Tiktok lösen klassische Formate wie Parteistammtische ab.

Weiterhin wichtig seien die Eltern und gemeinsame Gespräche am Essenstisch. Sie hätten weiterhin Einfluss darauf, ob und wie sich Jugendliche politisch positionieren oder überhaupt dafür interessieren.

Eine Frage des Alters

"Junge Menschen sind zu Veränderung bereit. Gerade das Thema Klimaschutz ist Menschen von 16 bis 30 Jahren wichtig", sagt Kreter. Politische Entscheidungsträger widmen sich jedoch eher Reformen, die für die ältere Wählerschaft Priorität haben: "Die Volksparteien wenden sich Themen wie der Rente stark zu, weil Rentner eine extrem relevante Zielgruppe sind."

Das Gefühl von jungen Menschen nicht gesehen und gehört zu werden, kann zu Frustration und Rückzug führen. Oder aber zu Engagement, sagt der Politikwissenschaftler aus Dresden. Wenn ab 16 Jahren gewählt werden dürfte, würde sich "definitiv einiges in der Politik verändern".

Kreter betont, dass sich politisches Wissen von 16-Jährigen nicht signifikant von dem Wissen von 18-Jährigen unterscheide. Studienergebnisse würden nahelegen, dass Grüne, FDP, SPD und in gewissem Abstand Die Linke von jüngeren Wählern profitieren könnten. CDU und AfD würden nicht profitieren.

Aus seiner Sicht spricht für eine Herabsetzung des Wahlalters, dass zukunftsweisende Entscheidungen besonders junge Menschen betreffen. Deshalb sollten sie auch Mitsprache in Form von Wahlstimmen haben.

Studie "Krisenerwachsen" "Krisenerwachsen: Wie blicken junge Wähler:innen auf
Politik, Parteien und Gesellschaft?" ist eine repräsentative quantitative Studie mit 4.059 Befragten im Alter von 16–30 Jahren der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Befragung wurde vom 17.11.2022 bis 15.12.2022 von infratest dimap durchgeführt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. Mai 2023 | 06:00 Uhr

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