Interview Bundestag verkleinern: Wahlstimmen verfallen lassen statt zu verteilen?

01. Dezember 2023, 15:24 Uhr

Der Bundestag wird immer größer und teurer. 736 Abgeordnete sitzen im Plenarsaal - 138 mehr als vorgesehen. Zwar ist eine Verkleinerung schon beschlossen. MDR AKTUELL-Hörer Ingo Berg fragt sich aber, ob sich Bundestag und Länderparlamente nicht noch mehr verkleinern ließen, wenn Wählerstimmen für Parteien, die an der Fünfprozenthürde scheitern, einfach wegfallen würden, anstatt sie auf die anderen Parteien zu verteilen. MDR AKTUELL-Reporter André Seifert hat sich mit dieser Frage beschäftigt.

Was ist von der Idee des Hörers zu halten?

André Seifert, MDR AKTUELL: Nehmen wir an, wir machen, was unser Hörer Ingo Berg sagt – und zwar nicht erst bei der nächsten Bundestagswahl, sondern sofort. Wir setzen den Bundestag anhand der Wahlergebnisse von 2021 neu zusammen. Die Sitze der sonstigen Parteien teilen wir jedoch nicht auf die anderen auf, sondern wir ignorieren sie. Das wären dann laut Wahlergebnis 8,7 Prozent, also 52 Sitze. Das hieße also: Es fielen 52 Abgeordnete weg und mit ihnen deren Diäten, Büros, Mitarbeiter und so weiter.

Wie viel Geld ließe sich dadurch einsparen?

André Seifert, MDR AKTUELL: Das habe ich den Politikwissenschaftler Hendrik Träger von der Universität Leipzig gefragt. Seiner Ansicht nach kommt dadurch sicherlich eine Summe zusammen, bei der wir als Privatpersonen sagen würden, das hätten wir auch bloß bruchstückhaft auf dem Konto. Sehe man diese Summe aber in Gesamtrelation zum Bundeshaushalt, dann sei der Einzeletat des Bundestages vergleichsweise gering. Insgesamt käme zwar eine Summe im dreistelligen Millionenbereich zusammen, was aber in der Dimension des Bundeshaushalts Peanuts seien.

Wäre das tatsächlich demokratischer?

André Seifert, MDR AKTUELL: Es würde zumindest einiges durcheinander wirbeln. Bleiben wir bei unserem Bundestagsbeispiel: Der Bundestag hat aktuell 598 reguläre Sitze. Exakt die Hälfte davon, die Direktmandate, wählt man mit der Erststimme. Die andere Hälfte mit der Zweitstimme. Würden wir jetzt aber bei der Zweitstimme 52 Sitze abziehen, dann hätten wir logischerweise ein Übergewicht bei den Direktmandaten.

Nun sind die Union und die SPD häufig die Parteien mit den meisten Direktmandaten. Das heißt, dieses Übergewicht käme den Unionsparteien und der SPD stark zugute. Und jetzt kommt die Antwort auf die Frage: Um den Bundestag weiterhin demokratisch zusammenzustellen, müssten wir das Übergewicht ausgleichen, indem wir den anderen Parteien, also den Grünen, der FDP und der AfD Ausgleichsmandate zuteilen. Wenn wir das täten, dann wäre der Vorschlag demokratisch. Zwar nicht demokratischer als das aktuelle System, aber demokratisch.

Der Politikwissenschaftler Hendrik Träger merkt dann aber an, dass unser Parlament durch die vielen Ausgleichsmandate wieder anwachsen würde. Im aktuellen Bundestag würden wir dann also nicht mehr 52 Sitze sparen, sondern vielleicht nur noch 20 oder noch weniger. Man hätte also nicht wirklich viel gewonnen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. Dezember 2023 | 06:12 Uhr

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