Gegen Fachkräftemangel Sind die Studienordnungen noch zeitgemäß?

23. Juni 2023, 05:00 Uhr

Während überall die Fachkräfte fehlen, sieben Universitäten und Hochschulen ihre Studierenden aus. Wer dreimal durch eine Prüfung fällt, wird exmatrikuliert. Das kritisieren viele Studierende. In Sachsen gibt es jetzt Lockerungen im Hochschulgesetz.

Den Numerus clausus, also die Abiturnote als wichtigstes Zugangskriterium zum Studium, wollten Studierendenverbände schon länger loswerden – umso mehr mit Blick auf den Fachkräftemangel, sagt Jonathan Schäfer, Landesstudierendenvertreter in Thüringen: "Jetzt sehen wir das umso kritischer, dass wir gleichzeitig Mangel haben und Leute nicht zulassen, die großes Interesse haben, dieses Fach zu studieren."

Schäfer ist in einem Masterstudiengang an der Fakultät für Mathe und Informatik an der Uni Jena eingeschrieben. Angekommen seien dort längst nicht alle: "Einer meiner Kommilitonen, mit denen ich angefangen habe, musste nach dem sechsten Semester sein Bachelorstudium beenden, weil er in einem Wahlpflichtfach im Nebenfach durchgefallen ist und ist deswegen exmatrikuliert worden", erzählt Schäfer.

Für den Studierendenvertreter ist das ein Unding. Neidvoll blickt er auf die Uni Bielefeld. Dort können Prüfungen unbegrenzt oft wiederholt werden. In Thüringen sei man davon weit entfernt, sagt Jonathan Schäfer. Darunter leidet aus seiner Sicht auch die Wettbewerbsfähigkeit seiner Uni: "Dass Studierende extra nicht zu uns kommen, weil sie sagen: Vielleicht falle ich da durch und dann darf ich das nirgendwo mehr studieren. Das ist ein hohes Risiko." Denn überschreiten Studierende die maximale Zahl an Prüfungsversuchen, dürfen sie in der Regel das Fach in Deutschland nicht mehr studieren.

Mehr Freiheiten an sächsischen Hochschulen

In Sachsen ist jetzt Bewegung in die Sache gekommen. Der Landtag hat gerade erst das Hochschulgesetz geändert. Auch die Forderung der sächsischen Studierendenschaft nach mehr Milde in puncto Prüfungsversuchen spielt darin eine Rolle. Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow erklärt: "Hinsichtlich der Prüfungsversuche gibt es im neuen Hochschulgesetz die Möglichkeit, in Experimentierklauseln mal zu probieren: Hier kann man mal eine Prüfung etwas freier gestalten, so dass man noch einen zusätzlichen Versuch hat." Das bedeute: "Die Hochschulen könnten in der Freiheit, die sie haben, das Prüfungsverfahren selbst ausgestalten", erklärt Gemkow.

Grundsätzlich bleibt man aber auch an den sächsischen Unis bei der alten Sichtweise: "Dem Grunde nach finde ich es richtig, dass eine Prüfung auch einen Wissensstand wiedergibt und abprüft, damit auch die Qualität der Ausbildung gewährleistet ist. Es kann am Ende nicht sein, dass jemand Prüfungen immer wieder wiederholen kann, bis zu dem Tag, an dem es dann mal geklappt hat", findet der Wissenschaftsminister.

Aus Sicht des Thüringer Studierendenvertreters Jonathan Schäfer sagt die Anzahl der Prüfungen nichts darüber aus, ob jemand später gut im Job ist: "Wir wollen hier nicht schauen, wie mental stabil Menschen sind, sondern wir wollen wissen, ob sie die fachlichen Kompetenzen verstanden haben, die aus einem Modul hervorgehen." Besonders im dritten und letzten Versuch sei der Druck enorm.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 23. Juni 2023 | 06:00 Uhr

29 Kommentare

astrodon vor 48 Wochen

@hilflos: Ich kenne da einige, manche schon seit Jahren, andere sind mir zuletzt gesten über den Weg gelaufen. Und die sind real. Aber alles keine Typen, die pauken und dann auf Kommando die Antworten ausk#*?en. Das waren Schüler, die von Anfang an geistig dabei waren, die Grundlagen erlernt und verinnerlicht haben. Das trainiert. Darauf aufbauendes Wissen kann dann zielsicher kombiniert werden. Und wer in einer Prüfung einen gestandenen Lehrer mit Wissen, Ausdrucksfähigkeit und Kombinationsgabe beindrucken kann - der hat 15 Punkte verdient. Abgesehen davon gehen ja auch die Leistungen aller 4 Halbjahre mit ein. Mehr als 850 von 900 Punkten sind da durchaus machbar.

Britta.Weber vor 48 Wochen

In unserem Land geht es auch im Bildungssystem immer weiter nach unten.Ich hatte beruflich mit dem Bildungssystem zu tun, sowohl zu DDR-Zeiten als auch nach der Wende, und kann deshalb gut vergleichen. Der Niveauabfall ist gewaltig und er hat in den letzten Jahren nochmal deutlich zugenommen. Der Vorschlag mit einer beliebigen Zahl von Wiederholungen ist an Absurdität schwer zu überbieten. Ähnlich wie die Idee von der Schule ohne Noten.
Und: Warum gibt man fast den ganzen Artikel lang einem jungen Mann Raum, seine wirren Gedanken darzulegen? Warum fragt man nicht jemand, der sich mit der Materie auskennt?

Harka2 vor 48 Wochen

@kolibrie Maier
Natürlich kann jeder auch gerne Kunstgeschichte studieren, aber was nützt einem der Abschluss? Die verfügbaren Arbeitsplätze sind recht überschaubar. Ein Professor für Sozialwissenschaften erklärte dereinst seinen Studenten, dass man mit einem Abschluss in Sozialkunde entweder Professor oder Taxifahrer wird.

Und, ein Universitätsabschluss in höherer Mathematik hat nur noch wenig zu tun mit guten Mathekenntnissen beim Abitur. Abgesehen davon braucht niemand Fachidioten.

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