Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, gibt zu Beginn der Fraktionssitzung seiner Partei im Bundestag ein Pressestatement.
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Neue Partei Bartsch: Wagenknecht-Austritt "unverantwortlich und inakzeptabel"

23. Oktober 2023, 21:52 Uhr

Sahra Wagenknechts Pläne zur Gründung einer eigenen Partei haben bei der Bundesspitze der Linke sowie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für heftige Kritik gesorgt. Der Chef der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, will über einen Verbleib der aus der Partei ausgetretenen Abgeordneten in der Fraktion "in Ruhe" entscheiden. Ostdeutsche Landesverbände riefen die Wagenknecht-Abtrünnigen zur Rückgabe ihrer Mandate auf.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat den Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten als "unverantwortlich und inakzeptabel" kritisiert. Er bestätigte, dass die betroffenen Abgeordneten trotz ihres Parteiaustritts einen Antrag auf Verbleib in der Linksfraktion gestellt hätten. "Unsere Fraktion wird souverän und in großer Ruhe darüber entscheiden", sagte Bartsch. Wagenknecht hatte bei der Vorstellung der Pläne für ihre neue Partei erklärt, dass die zehn aus der Linken ausgetretenen Abgeordneten zunächst in der Bundestagsfraktion bleiben würden.

Der Co-Parteichef der Linken, Martin Schirdewan, forderte die Gruppe um Sahra Wagenknecht zur Rückgabe ihrer Bundestagsmandate auf und drohte mit juristischen Schritten.

Martin Schirdewan (DIE LINKE, Mitglied im Europaparlament)
Der Co-Chef der Linkspartei, Martin Schirdewan Bildrechte: IMAGO / Jacob Schröter

Die Partei werde es "notfalls einklagen", dass die ausgetretenen Abgeordneten weiter ihre Mandatsträgerabgabe an die Partei entrichteten, sagte Schirdewan. Er wies darauf hin, dass nach einem Mandatsverzicht der Wagenknecht-Gruppe die vakant gewordenen Bundestagssitze nachbesetzt werden könnten. So würde der Fraktionsstatus erhalten bleiben. "Ich halte das für eine echte Sauerei, auf dem Rücken der Beschäftigten der Bundestagsfraktion solche egoistischen Spiele zu betreiben", sagte Schirdewan in Richtung Wagenknecht.

Thüringen: Landeschefs fordern von Abtrünnigen Rückgabe der Mandate

Kritik an den Plänen kam auch aus den mitteldeutschen Landesverbänden der Linken. Die Thüringer Linke-Chefs Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft erklärten, man halte den Umgang der ausgetretenen Bundestagsabgeordneten mit den ehrenamtlichen Mitgliedern und den Wählern der Linken für unverantwortlich.

Auch sie forderten die abtrünnigen Abgeordneten sowie Wagenknecht selbst auf, ihre Mandate zurückzugeben. Es wäre "eine Sache des Anstands, dass sie auf ihre durch die Linke errungenen Listenmandate verzichten, um diese an die Partei zurückzugeben, welcher die Abgeordneten ihren Sitz im Parlament verdanken", heißt es in der Mitteilung. Sie befürchten aber kein größeres Abwandern von Mitgliedern zur geplanten Wagenknecht-Partei. Schaft sagte dem MDR, dass sich die Thüringer Linke in den vergangenen Monaten stets entschlossen gezeigt habe, etwa beim Landesparteitag im September.

Sachsen-Anhalt: Landtagsfraktion sieht sich stabil

Die Linke in Sachsen-Anhalt geht derweil vorerst nicht von Wechseln zur neuen Partei von Sahra Wagenknecht aus. Die Vorsitzende der Landtagsfraktion, Eva von Angern, sagte dem MDR, ihre Fraktion sei stabil. Sie nehme die Neugründung zur Kenntnis, habe aber lange Zeit dagegen gekämpft. Ziel sei weiterhin, sich für die Menschen in Sachsen-Anhalt einzusetzen und eine bürgernahe Politik zu machen. "Wir können uns nicht nur damit aufhalten, uns selbst zu zerstreiten", sagt von Angern. Sie erwarte, dass mit Wagenknechts Partei-Neugründung die Linke in Sachsen-Anhalt neue Mitglieder gewinnen werde.

Der Co-Landeschef der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, Hendrik Lange, erklärte: "Für Sahra Wagenknecht geht es immer zuerst um Sahra Wagenknecht. An unseren Aufgaben ändert auch ihr neues Projekt nichts."

Sachsen: Abspaltung rücksichtslos gegenüber 200 Beschäftigen in der Fraktion

Die Vorsitzenden der sächsischen Linken, Susanne Schaper und Stefan Hartmann, erklärten, man wolle sich nicht auf einen "schmutzigen Rosenkrieg" mit Wagenknecht einlassen. Die Linke bleibe "die richtige Adresse für alle, denen Gerechtigkeit und Solidarität für alle im Land lebenden Menschen, die friedliche Lösung von Konflikten, sozialer Klimaschutz und der entschlossene Kampf gegen die extreme Rechte am Herzen liegen".

Weiter hieß es aus dem Landesverband in Sachsen, die Abspaltung sei rücksichtslos gegenüber den mehr als 200 Beschäftigten in der Bundestagsfraktion und deren Familien. Zudem sei sie besonders unverantwortlich in einer gesellschaftlichen Situation, die eine starke Linke umso mehr erfordere.

Wagenknecht-Partei in Sachsen formiert sich bereits

Die ehemalige sächsische Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann dagegen sagte dem MDR, sie sei optimistisch, dass man es schaffe, Anfang kommenden Jahres einen Landesverband der Wagenknecht-Partei zu gründen. Außerdem wolle man zur Landtagswahl in Sachsen antreten. Diese findet im Herbst 2024 statt. Zimmermann saß von 2005 bis 2021 für die Linke im Bundestag.

Zimmermann sagte, es gehe nicht darum, Linken-Abgeordnete wegzuziehen, sondern sich breit aufzustellen. Man müsse nun Kreisverbände gründen, das sei ein Stück Arbeit. Wie viele Menschen sich in Sachsen bereit erklärt hätten, bei der neuen Partei mitzumachen, sagte sie nicht. Sie selber sei wie Wagenknecht am Montag aus der Linken ausgetreten.

Weiter sagte Zimmermann, es müsse nun ein Parteiprogramm erstellt werden, als wichtige Themen nannte sie soziale Gerechtigkeit, Friedenspolitik oder den ÖPNV. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schloss Zimmermann aus.

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dpa, MDR

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 23. Oktober 2023 | 13:00 Uhr

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