Der Schleusenraum am Eingang des ABC-Bunkers unter dem Hauptbahnhof. Der Atomschutzbunker wurde in den siebziger Jahren während des "Kalten Krieges" gebaut und sollte den Bürgern Schutz vor Atomwaffen oder auch chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen bieten.
Der Städte- und Gemeindebund will mehr Geld für den Zivilschutz, inbesondere für die Reaktivierung von Schutzbunkern. Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall Städtebund und Verteidigungsminister fordern Reaktivierung von Schutzräumen

09. März 2024, 14:53 Uhr

Der Städte- und Gemeindebund fordert Milliarden-Investitionen für den Zivilschutz. Insbesondere müssten Schutzräume reaktiviert werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius besichtigte in Finnland gelungene Beispiele.

Der Städte- und Gemeindebund fordert vom Bund bessere Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall, darunter mehr Bunker. Der Hauptgeschäftsführer des Kommunalverbandes, André Berghegger, sagte den Zeitungen der "Funke Mediengruppe": "Jetzt kommt es nicht nur darauf an, die Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen. Es geht ganz allgemein um den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren." Neben dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr müsse der Bund "große Summen aufbringen, um die Widerstandsfähigkeit im Inneren zu gewährleisten", forderte Berghegger.

Es ist dringend notwendig, stillgelegte Bunker wieder in Betrieb zu nehmen.

André Berghegger, CDU Hauptgeschäftsführer Städte- und Gemeindebund
Dr. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer und Präsidialmitglied Deutscher Städt- und Gemeindebund.
André Berghegger, seit Anfang des Jahres Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Bildrechte: IMAGO/Jürgen Heinrich

Der CDU-Politiker nannte dabei für den Schutz der Zivilbevölkerung die Summe von mindestens einer Milliarde Euro in jedem der nächsten zehn Jahre. Dies sei aber nur ein Anschub. Die Mittel sollten aus dem regulären Bundeshaushalt kommen. Konkret forderte Berghegger mehr Bunker in Deutschland. Von den 2.000 öffentlichen Schutzräumen aus dem Kalten Krieg seien nur noch 600 vorhanden, die rund 500.000 Personen aufnehmen könnten. "Es ist dringend notwendig, stillgelegte Bunker wieder in Betrieb zu nehmen." Außerdem müssten neue, moderne Schutzräume gebaut werden. In Ballungszentren könne man auch Tiefgaragen und U-Bahn-Schächte nutzen.

Pistorius informiert sich in Finnland

Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Freitag ebenfalls für einen stärkeren Schutz der Zivilbevölkerung in Deutschland plädiert. Dies müsse schnell angegangen werden, "weil natürlich der Schutz der Bevölkerung, der Zivilschutz, immer die Kehrseite einer militärischen Bedrohung und der Verteidigungsfähigkeit ist", sagte der SPD-Politiker am Freitag in Helsinki bei einem Treffen mit seinem finnischen Amtskollegen.

Boris Pistorius (SPD, M), Bundesminister der Verteidigung, und sein finnischer Amtskollege Antti Häkkänen (vorn, r) besichtigen einen Bunker in der finnischen Hauptstadt.
Finnland investiert viel in den Zivilschutz und stellt in der Hauptstadt Helsinki mehr Plätze in Schutzräumen bereit, als es überhaupt Bewohner gibt. Verteidigungsminister Pistorius besuchte eine Anlage, die in Friedenszeiten als Turnhalle gtenutzt wird. Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der Minister besuchte im in Helsinki die Zivilschutzanlage Merihaka. In Friedenszeiten wird die Anlage als Sportzentrum genutzt. Insgesamt gibt es in den Bunkeranlagen Helsinkis Platz für 900.000 Menschen, mehr als die Stadt Einwohner hat. Dagegen verfügte Deutschland nie über Bunker-Plätze für alle Einwohner. Selbst im Kalten Krieg habe Deutschland nur Bunkerplätze für zehn Prozent der Bevölkerung gehabt, sagte Pistorius.

Kein einziger einsatzfähiger Schutzraum

Die Bundesrepublik hat seit Ende des Kalten Krieges die bestehenden Anlagen aus staatlichem Besitz verkauft oder teils verfallen lassen. Die in Ostdeutschland bestehenden Schutzräume wurden nach der Wiedervereinigung erst gar nicht in das Schutzraumkonzept des Bundes übernommen. Nach Angaben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die seit 2020 für die Rückabwicklung zuständig ist, stehen bundesweit daher "aktuell keine einsatzbereiten öffentlichen Schutzräume zur Verfügung".

Die BImA hat vergangenes Jahr für das zuständige Bundesinnenministerium einen Bericht erstellt zur möglichen Reaktivierung von Schutzräumen. Der Bericht ist öfffentlich nicht zugänglich. Kernaussage des Berichtes ist nach Angaben der BImA gleichwohl, dass "eine Reaktivierung der 579 noch gewidmeten öffentlichen Schutzräume grundsätzlich möglich ist". Zeit- und Kostenaufwand würden von dem Schutzniveau abhängen, das die Schutzräume bieten sollen. Der Bericht unterscheidet vier Schutzniveaus. Diese reichen vom Trümmer- und Splitterschutz bis hin zum Schutz auch vor atomaren Gefahren. Die Auswertung des Berichts erfolge derzeit.

dpa,MDR (ala)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – das Nachrichtenradio | 09. März 2024 | 08:26 Uhr

84 Kommentare

dimehl vor 6 Wochen

Wie lange möchte man den Menschen hierzulande eigentlich noch erzählen, das die Taurus-Marschflugkörper einzig und allein deshalb nicht an die Ukraine geliefert werden, weil Hr. Scholz dies nicht möchte ? Ist es nicht eher so, das es auch in Washington und/oder Brüssel Kreise gibt, die der Ansicht sind, daß die Ukraine den Krieg gegen Russland verlieren wird und man die Taurus-Marschflugkörper deshalb vorsichtshalber für Anderes aufsparen sollte ? Für Jenes, für dass nun hierzulande wieder Bunker/Schutzräume eingerichtet werden sollen ?
Aktuell, auch der mdr berichtet darüber, steht der Vorschlag eines Ringtausches im Raum: die Taurus-Marschflugkörper verbleiben in NATO-Beständen, die Ukraine erhält andere Marschflugkörper mit weniger Reichweite. Man hilft natürlich der Ukraine, hält aber das eigene Pulver vorsichtshalber trocken.
Dies zeigt, das meine Überlegung doch nicht soweit hergeholt sein kann ...

dimehl vor 6 Wochen

So richtig dies ist: allein bei einem konventionellen Krieg, der nicht nur in einem Teil eines europäischen Landes stattfindet, sondern in größeren Teilen Europas, wird Norwegen die vorhandene Infrastruktur an Bunkern/Schutzräumen nicht sehr viel nutzen. Ein solcher Krieg würde in einem dicht besiedelten, industrialisierten Gebiet stattfinden (Stichpunkte: stillgelegte/in Betrieb befindliche AKW/Chemiewerke). Die Folgen wären wahrscheinlich auch für Norwegen katastrophal.
Und es geht ja nicht nicht nur um Bunker/Schutzräume. Eine Folge eines solchen Krieges wäre sicher eine hohe Anzahl von Menschen mit schweren Brandverletzungen: für die Behandlung solcher Menschen standen 2008 in der gesamten Bundesrepublik nur 183 spezielle Krankenhausplätze zur Verfügung
(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin).
Bei einem größeren konventionellen Krieg, erst recht bei einem Atomkrieg, wird es wahrscheinlich keine Überlebenden geben, nur Menschen, die etwas später sterben als Andere.

Sascha vor 6 Wochen

Mit der Lieferung von Waffen sind wie am Krieg schon beteiligt,und haben gegen das Kapitulationsabkommen von 1945 verstoßen. Sie wissen schon,daß wir keinen Friedensvertrag mit Russland haben.

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