Berlin Chemiegipfel im Kanzleramt: Wirtschaft und Gewerkschaft enttäuscht
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27. September 2023, 19:28 Uhr
Die Bundesregierung hat nach einem Spitzengespräch mit Vertretern der Chemieindustrie ihre Unterstützung für die kriselnde Branche unterstrichen. Zufrieden ist man damit nicht.
- Wirtschaft und Gewerkschaften sind enttäuscht.
- Haseloff fordert schnelle Entscheidung.
- Wüst: "Es ist 5 vor 12".
Bei einem Chemiegipfel im Kanzleramt hat die Bundesregierung der kriselnden Branche Unterstützung zugesagt. In einer Erklärung wurden unter anderem ein Abbau von bürokratischen Hürden und eine ausgewogene Regulierung in Europa genannt: "Die chemische Industrie ist eine der wichtigsten Branchen der deutschen Volkswirtschaft", hieß es.
Man habe sich darauf verständigt, dass eine wettbewerbsfähige Energie- und Rohstoffversorgung, eine ausgewogene Regulierung in Europa, gezielte Förderung von Innovationen und Fachkräftesicherung notwendige Rahmenbedingungen für die Branche seien.
Wirtschaft und Gewrkschaften zeigen sich enttäuscht
Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften zeigten sich enttäuscht von dem Treffen. Der Präsident des Branchenverbandes VCI, Markus Steilemann, sagte, man habe auf eine kurzfristige Entscheidung bei den viel zu hohen Strompreisen gehofft. Diese Hoffnung habe sich nicht erfüllt.
Schnelle Entscheidung gefordert
Das dringlichste Thema, ein "Brückenstrompreis" zur Verringerung der hohen Energiekosten, habe nicht adressiert werden können, so Steilemann. Er forderte die Bundesregierung auf, noch im Oktober ein kurzfristiges Energiepaket zu schnüren.
Auch der Chef der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, äußerte sich kritisch. Über die Frage eines "Brückenstrompreises" müsse schnell entschieden werden. Es gebe bereits Signale, dass die Situation zu Betriebsschließungen oder Produktionsverlagerungen führen könne. Von Bundeskanzler Olaf Scholz habe es keine Absage an einen "Brückenstrompreis" gegeben, aber auch keine Zusage.
Haseloff: "Substanzielle Entlasung der Unternehmen"
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte schnelle Entlastungen für die Chemie-Industrie: "Unsere Unternehmen müssen substanziell entlastet werden, und das so schnell wie möglich." Insbesondere der beschleunigte Ausbau des Wasserstoffnetzes und die Stabilisierung des Strompreises seien unumgänglich. Sachsen-Anhalt sei mit seiner chemischen und pharmazeutischen Industrie besonders betroffen.
CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, sagte: "Es ist 5 vor 12 in Deutschland." Er könne nachvollziehen, warum Unternehmensvertreter und Gewerkschafter enttäuscht seien. Bei der Bundesregierung sei Problembewusstsein klar erkennbar gewesen. "Aber es ist eben nicht zu der Konkretisierung der Problemlösung gekommen, die der Lage angemessen gewesen wäre." Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil von der SPD.
Die Grünen und die SPD-Fraktion sind für einen Industriestrompreis, Scholz ist skeptisch, die FDP ist dagegen. Die FDP will eine Senkung der Stromsteuer.
Die deutsche Chemieindustrie hatte aus Kostengründen ihre Produktion im zweiten Quartal weiter gedrosselt. Zur Ausgestaltung eines möglichen Industriestrompreises beraten derzeit auch die Energieminister der Länder in Sachsen-Anhalt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. September 2023 | 19:00 Uhr