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Audio: Investoren sind vorsichtiger geworden, Geld in Start-ups zu stecken. Auch deswegen mussten viele junge Unternehmen Insolvenz anmelden. Bildrechte: IMAGO / Westend61

Insolvenzwelle Warum 2023 so viele Start-ups wie noch nie pleite gegangen sind

11. Januar 2024, 11:54 Uhr

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland so viele Start-ups pleite gegangen wie nie zuvor. Fast 300 Jungunternehmen meldeten Insolvenz an, 65 Prozent mehr als 2022. Trotz Standortvorteilen waren auch etliche mitteldeutsche Start-ups von der Pleitewelle betroffen. 2024 dürfte sich diese Entwicklung aber voraussichtlich nicht weiter fortsetzen.

  • Die Hauptgründe sind, dass Investoren im vergangenen Jahr deutlich vorsichtiger agierten und viele Start-ups zusätzlich Corona-Hilfen zurückzahlen mussten.
  • Obwohl Start-ups in Mitteldeutschland gewisse Standortvorteile haben, mussten auch hier mehrere Jungunternehmen Insolvenz anmelden.
  • In diesem Jahr sieht die Finanzierungslage aber wieder deutlich besser aus.

Start-ups haben ein großes Problem: In der Regel machen sie in der Anfangszeit keinen Profit, sind also auf Investoren angewiesen, die ihnen Geld geben.

Und genau an der Stelle hat es im vergangenen Jahr gehakt, erklärt Eric Weber. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Leipziger Netzwerks für Start-ups SpinLab. "Die Investoren sind im letzten Jahr deutlich vorsichtiger geworden und man sieht das insgesamt auch an der investierten Summe von Wagniskapital", sagt Weber.

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In diesem Bereich seien 2023 deutliche Einbrüche zu verzeichnen gewesen. Weber meint: "Die Zahl oder die Höhe der Finanzierungen ist im letzten Jahr ungefähr so niedrig wie seit fünf Jahren nicht mehr und das merkt man dann auch in der Zahl der Insolvenzen, wenn die Refinanzierungen einbrechen."

Die Vorsicht der Investoren ist aber nicht der alleinige Grund für die Pleiten. Der Geschäftsführer des Start-up-Verbands, Christoph Stresing, erkennt in den Insolvenzen auch Spätfolgen der Corona-Zeit. "Ein weiterer Faktor ist auch, dass viele Corona-Hilfen zurückgezahlt werden mussten, was zusätzlich auf die Bilanzen drückt. Und gerade, wenn das Umfeld angespannt ist, ist das ein weiterer sehr, sehr stark belastender Faktor."

Auch mitteldeutsche Start-ups von Pleitewelle betroffen

Auch in Mitteldeutschland sind 2023 viele Start-ups pleite gegangen – und das, obwohl es für die Jungunternehmen hier eigentlich einen Standortvorteil gibt, erklärt Eric Weber vom SpinLab. "Wir haben hier allerdings die Situation, dass sowieso relativ hohe Anteile der Gesamtfinanzierung von halböffentlichen Investoren kommen, von Landesfonds oder auch Förderinstitutionen."

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Die Start-ups in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind also nicht so sehr auf private Geldgeber angewiesen. Trotzdem musste beispielsweise das Fahrzeug-Scanner-Start-up Twinner aus Halle Insolvenz anmelden. Auch dem in Leipzig und Hamburg ansässigen Gesundheits-Start-up Aidhere ging das Geld aus, daraufhin wurde es vom etablierten Unternehmen Sidekick Health übernommen. Über Umwege ging es also doch weiter.

Weber sagt deshalb: "Die Insolvenz ist noch nicht notwendigerweise das Ende des Unternehmens, sondern es ist eine spezielle Phase, die natürlich auch mit einer Sanierung und mit einer erfolgreichen Fortführung des Unternehmens enden kann. Und auch wir haben letztes Jahr Start-up-Insolvenzen gesehen, bei denen das Unternehmen heute weitergeführt wird, teilweise mit anderen Eigentümern."

Krise als Chance

Damit es gar nicht erst soweit kommt, brauchen die Start-ups vor allem eines: Geld. Christoph Stresing ist zuversichtlich, dass genau das bei den Investoren in diesem Jahr wieder lockerer sitzen wird – gerade weil sie Krisen oft als Chancen verstehen:

"Es ist so, dass es natürlich bei niedrigen Bewertungen, beim angespannten Finanzierungsumfeld, für Investoren eigentlich genau der richtige Zeitpunkt ist, zuzuschlagen und zu investieren. Das ist einer der Gründe, weshalb ich davon ausgehe, dass wir zumindest, was das Finanzierungsumfeld angeht, 2024 wieder einen Anstieg sehen werden."

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Die Gründer selbst scheinen auch zuversichtlich zu sein. Denn wie Stresing sagt, werden weiterhin viele junge, vielversprechende Start-ups gegründet.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 11. Januar 2024 | 06:09 Uhr

6 Kommentare

Wagner vor 15 Wochen

Entscheident ist :die brauchen Geld,solange bis das Modell greift ,Verkauf läuft und sich Investitionen beginnen zu refinanzieren.Das kann lange dauern.Die Frage ist,ob der Kapitalmarkt diese Geduld aufbringt.

Il Sassone vor 15 Wochen

Es ist halt ein Philosoph und kann alles schön reden. Solche Leute werden in der Politik immer gesucht. Nur in der Wirtschaft hilft das halt wenig, es sei denn man ist der Pressesprecher eines Unternehmens.

astrodon vor 15 Wochen

@Sassone: Oder wie ja oben zu lesen ist: "Insolvenz ist noch nicht notwendigerweise das Ende des Unternehmens, sondern es ist eine spezielle Phase, die natürlich auch mit einer Sanierung und mit einer erfolgreichen Fortführung des Unternehmens enden kann."
So gesehen hatte Herr Habeck durchaus Recht.

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