Versteigerungshammer 3 min
Audio: Letztes Jahr wurden in sächsischen Amtsgerichten 1.197 Anträge auf Zwangsversteigerung gestellt. Tendenz steigend, für manche Experten jedoch kein Grund zur Sorge. Bildrechte: Colourbox.de

Überschuldung Leichter Anstieg bei Zwangsversteigerungen in Mitteldeutschland

07. März 2024, 12:22 Uhr

Die Überschuldung von Verbrauchern hat zugenommen. Patrick-Ludwig Hantzsch von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform sagte MDR AKTUELL, dass Energiekosten, Inflation und Zinsen Eigenheimbesitzern und Bauwilligen das Leben schwermachten. Die Zahl der Zwangsversteigerungen in Mitteldeutschland ist tatsächlich auch gestiegen, aber vergleichsweise gering. Unter anderem deswegen rät Volkswirt Andreas Bley zur Gelassenheit.

Ein Mann naht, blickt direkt in die Kamera
Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur MDR AKTUELL Bildrechte: MDR

Zur Versteigerung steht eine Eigentumswohnung im sächsischen Oelsnitz: DDR-Plattenbau, vierter Stock, drei Zimmer. Renovierungsbedürftig, aber günstig. Geschätzter Verkehrswert: 20.000 Euro. Auf die Wohnung kann heute im Amtsgericht Zwickau geboten werden. Solche Zwangsversteigerungen haben wieder zugenommen.

Für Patrick-Ludwig Hantzsch von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform ist das nicht überraschend: "Wir haben ein allgemeines Wirtschaftsumfeld, das halt problematisch ist. Sowohl für Unternehmen, aber eben auch für Verbraucher. Die Überschuldung bei den Verbrauchern steigt wieder an nach vielen Jahren des Rückgangs. Und dann sind da natürlich Energiekosten, Inflation, da sind natürlich die Zinsen, die Eigenheimbesitzern und Bauwilligen das Leben schwermachen."

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Zahl der Zwangsversteigerungen trotzdem vergleichsweise gering

Zu einer Zwangsversteigerung kommt es in der Regel dann, wenn Eigentümer ihren Kredit nicht mehr bezahlen können. Bei den Amtsgerichten in Sachsen wurden vergangenes Jahr 1.197 Anträge auf Zwangsversteigerung gestellt, in Sachsen-Anhalt 847. Aus Thüringen liegen noch keine Zahlen vor.

Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anstieg gering. Deswegen sieht Konstantin Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung keinen Grund zur Beunruhigung: "Ich gehe davon aus, dass die Anzahl der Zwangsversteigerungen weiter steigen wird. Allerdings wird dieser Anstieg nicht sehr dramatisch sein. Ich glaube, dass es zu keinem Rutsch des Marktes führen wird, dass massenhaft die Leute ihre Immobilien verlieren und diese zwangsversteigert werden müssen."

Tatsächlich zeigt der Langzeitvergleich: Die Zahl der Zwangsversteigerungen ist noch immer sehr niedrig. 2013 wurden in Sachsen-Anhalt und Sachsen rund drei Mal so viele Immobilien zur Zwangsversteigerung angemeldet wie im vergangenen Jahr. Deswegen sieht auch Andreas Bley, der Chefvolkswirt des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, den bisherigen Anstieg viel gelassener als andere in der Branche.

Volkswirt: Spürbar mehr Zwangsversteigerungen in der Zukunft unwahrscheinlich

Bley vermittelt dieses entspannte Gefühl sogar Hauseigentümern, die demnächst einen Anschlusskredit benötigen: "Die Zinsen haben ihren Höhepunkt überschritten. Und die EZB wird voraussichtlich ab Juni die Leitzinsen senken, wodurch die Zinsen nochmals etwas nachgeben werden. Außerdem ist der Arbeitsmarkt stabil. Und schließlich geht die Inflation zurück. Zusammen mit den stärker steigenden Löhnen führt dies zu realen Einkommenszuwächsen bei den meisten Haushalten."

Wo Einkommen steigen und Zinsen sinken, lässt sich eine Immobilie weiter abbezahlen. Unterm Strich hält Bley einen weiteren spürbaren Anstieg der Zwangsversteigerungen deshalb für unwahrscheinlich.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 07. März 2024 | 06:09 Uhr

1 Kommentar

Steffen B. vor 7 Wochen

Danke für den Beitrag. Aus meiner Sicht anzumerken:
-Ein Vertreter einer Bank wir immer anmerken, es wird nicht so schlimm, ergo, es gibt nicht soviel Abschreibungsbedarf.
-unberücksichtigt sind auch die Auswirkungen des GEG
- robuster Arbeitsmarkt ist angesichts von steigender Abwanderung von Industrie ins Ausland und steigenden Lohn- und Lohnnebenkosten sehr euphemistisch ausgedrückt
- leicht fallende Zinsen und rückgängige Inflation schließen Reallohnverlust nicht, mindern allenfalls dessen Ausdehnung
- Inflation dürfte u.a. mit Blick nach Nahost (Verteuerung von Rohstoffen und Transportkosten), Lohn-Preis-Spirale und massiver Zunahme der öffentlichen Verschuldung, als Ausweitung der Geldmenge, zeitnah wieder spürbar ansteigen

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