Ukraine Feuer in Tschernobyl: Brandstiftung oder Unfall?

16. April 2020, 05:00 Uhr

Länger als eine Woche kämpfte die ukrainische Feuerwehr gegen den Waldbrand in der Sperrzone um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl. Nun half der Regen, den Brand zu löschen. Doch die Gefahr ist nicht gebannt, meint unser Ostblogger Denis Trubetskoy.

Brennendes Haus in Tschernobyl
In der Sperrzone um das ehemalige AKW Tschernobyl brennt ein leerstehendes Haus. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Ist das Feuer in Tschernobyl unter Kontrolle?

Zwischen Montag und Dienstag sah es durchaus kritisch aus. In der Nacht hatten die Rauchschwaden vom Waldbrand in der Tschernobyl-Sperrzone die rund 100 Kilometer entfernte Hauptstadt Kiew erreicht. Der Einsatz von mehr als 400 Feuerwehrleuten brachte auch am Montag wenig. Für große Befürchtungen sorgten mehrere voneinander unabhängige Berichte, dass sich das Feuer nur noch wenige Kilometer von einer Lagerstätte für radioaktive Abfälle befindet. Am Dienstag kam der rettende Regen. Er half, das Feuer größtenteils zu löschen. Bis alle Brandherde beseitigt sein werden, wird es aber wohl noch einige Tage dauern. Weil die Behörden von Anfang an stets betonten, die Lage sei unter Kontrolle, sollte man allerdings genau hinschauen und die Lage über eine längere Zeit im Auge behalten. Denn es waren Lokalaktivisten, die auf den Ernst der Situation viel früher als der Staat hingewiesen haben.

Hat sich durch das Feuer die radioaktive Strahlung erhöht?

In Kiew ist die radioaktive Strahlung derzeit etwas erhöht, befindet sich aber noch im natürlichen Rahmen. Trotzdem rät das Gesundheitsministerium, nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen der erhöhten Strahlung, im Moment lieber zu Hause zu bleiben.

Was weiß man über die Brandursachen?

Die Polizei hat mehrere Anwohner festgenommen, die angaben, aus Langeweile und Spaß Laub, Zweige und Gras angezündet zu haben. In mindestens einem Fall gehen Lokalaktivisten von einer gezielten Aktion, also von Brandstiftung, aus. Ob kleine Gartenfeuer alleine allerdings einen derart großen Brand verursachen konnten, ist fraglich. Auf jeden Fall spielten der extrem trockene Winter an sich, aber auch die generelle Lage eine Rolle. Die Laubverbrennung hat in der Ukraine im Frühjahr und im Herbst Tradition, die war hierzulande schon immer ein großes Problem. Durch die Corona-Krise und die dazugehörende Quarantäne, die in einer strengen Form bereits einen Monat dauert, nehmen viele Ukrainer verstärkt an, ihre Verbrennungsaktionen blieben unbemerkt. Dies führt dazu, dass es im ganzen Land mehr Waldbrände gibt. Eine der Haupttheorien zum Brand in Tschernobyl ist daher, dass ein Feuer aus einer benachbarten Region auf das Sperrgebiet übergesprungen ist.  

Ein stark rauchender, brennender Laubhaufen
Laubfeuer: In Zeiten von Corona zündeln die ukrainischen Gärtner offensichtlich noch öfter als sonst. Bildrechte: Colourbox.de

Wie reagieren die Menschen und die Medien auf den Brand?

Das Feuer von Tschernobyl ist in Zeiten von Corona natürlich kein absolutes Thema Nummer eins, aber zumindest hier in Kiew sind die Menschen durchaus besorgt. Nach dem Motto: Wir haben diese Pandemie, die unser schwaches Gesundheitssystem extrem belastet, und jetzt noch Tschernobyl! Darüber hinaus ist das Vertrauen in die Behörden im postsowjetischen Raum generell sehr niedrig. Dazu hat der lange verschwiegene Super-GAU von 1986 übrigens mit am Stärksten beigetragen. Die Ukraine ist hier selbstverständlich keine Ausnahme – und die ursprüngliche Verharmlosung des Brandes durch die Regierung ist eine gute Erklärung, warum das immer noch so ist. Die Medien haben darüber hinaus klargemacht, dass die Löscharbeiten ohnehin extrem kompliziert sind, weil die Feuerwehr mit ihrer Technik nicht zu allen Brandherden vordringen konnte. Hätte der Regen nicht beim Löschen geholfen, es hätte schlimmer kommen können…

Wie soll es nun weitergehen?

Der Brand in der Sperrzone von Tschernobyl wird wahrscheinlich in einigen Tagen endgültig gelöscht sein. Doch ein Problem wird bleiben. Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gibt es in diesem Jahr 30 Prozent mehr Brände in Ökosystemen des Landes, die Waldbrände sollen sich gar vervierfacht haben. Die Corona-Quarantäne spielt dabei wegen der vielen illegalen Laubverbrennungen offensichtlich eine beträchtliche Rolle. Die Strafen für verbotene Gartenfeuer wurde nun jedenfalls drastisch angehoben. Musste man bislang maximal umgerechnet 300 Euro für ein illegales Feuer zahlen, werden ab sofort bis zu umgerechnet 5.000 Euro fällig. Ob das wirken wird, bleibt abzuwarten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 14. April 2020 | 17:45 Uhr

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