Schild vor dem Landgericht Dessau-Roßlau 1 min
Zum Hören: Staatsanwaltschaft plädiert beim Giftmordprozess auf lebenslange Haft. Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer
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MDR SACHSEN-ANHALT Di 21.05.2024 18:09Uhr 00:32 min

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Landgericht Dessau "Blauer Eisenhut" im Joghurt: Lebenslange Haftstrafe im Giftmordprozess

24. Mai 2024, 18:16 Uhr

Ein 57-Jähriger aus Muldestausee hat 2023 seine Ehefrau mit Blauem Eisenhut vergiftet, einer hochtoxischen Pflanze. Am Freitag ist er nun zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Auch die Geliebte des Verurteilten muss ins Gefängnis.

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Im Giftmordprozess ist der Angeklagte am Freitag vor dem Landgericht Dessau zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das geht aus Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT hervor. Der Richter folgte damit der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte für den 57-jährigen Angeklagten aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert.

Die Verteidiger forderten Freispruch für ihre Mandanten. Sie bezeichneten die Beweisführung insgesamt als lückenhaft. Die Geliebte des Verurteilten wurde ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Blauer Eisenhut im Joghurt

Der Angeklagte hatte seiner Ehefrau Teile der hochgiftigen Pflanze "Blauer Eisenhut" ins Essen gemischt. Weil die Dosis nicht tödlich gewesen war, hatte er ihr zwei Tage später eine größere Menge in einen Joghurt gemischt, so die Staatsanwaltschaft. Die Frau starb einen Tag später. Die nachträgliche Einschätzung eines Herz-Experten ergab schließlich, dass das Opfer mit hoher Wahrscheinlichkeit vergiftet worden war.

Angeklagter bestreitet Tat

Der Angeklagte hatte zum Prozessbeginn durch seinen Anwalt eine Erklärung verlesen lassen, in der er die Tat bestreitet.

Der Mann sitzt seit September 2023 in Untersuchungshaft. Hintergrund der Tat soll eine längere Affäre mit einer anderen Frau gewesen sein. Auch gegen die 58-Jährige aus Sandersdorf-Brehna wurde Anklage erhoben – wegen versuchter Nötigung und Nichtanzeige einer geplanten Straftat. Für sie forderte die Staatsanwaltschaft eine Strafe von drei Jahren Haft. Sie soll den Mann unter Druck gesetzt haben, sich zwischen ihr und seiner Gattin zu entscheiden. Die Verteidigung plädierte auch hier auf Freispruch. Durch die Aussage einer Bekannten der Frau kamen schließlich die Ermittlungen ins Rollen, die dann zur Festnahme des Angeklagten führten.

Anklagebank eines Gerichts
Zum Prozessbeginn hatte der Angeklagte (links) eine Erklärung verlesen lassen. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Martin Krause

Mitangeklagte äußerte sich

Die Mitangeklagte kam bereits am ersten Verhandlungstag zu Wort. Sie sprach vor Gericht von einer zehnjährigen Liebesbeziehung zum Hauptangeklagten. Nach ihren Worten hat sie ihn aufgefordert, sich von seiner Frau zu trennen. Daraufhin habe er davon gesprochen, das Problem zu "lösen" und habe auch den Eisenhut ins Spiel gebracht – was sie aber als Blödsinn abgetan habe.

Was ist der "Blaue Eisenhut"?

Der "Blaue Eisenhut" ist hochgiftig und gilt als die giftigste Wildpflanze Europas. Wichtigstes Merkmal sind die violett-blauen Blüten, die in einer Traube ausgebildet sind. Das oberste Blütenblatt ist helmförmig und hängt wie eine Art Hut über der Blüte.

Wie giftig ist der "Blaue Eisenhut"?

Die Pflanze enthält den Wirkstoff Aconitin. Bereits eine kleine eingenommene Menge, etwa ein Blatt, kann für Menschen tödlich sein. Als tödliche Dosis gelten 2-6 Milligramm. Auch die bloße Berührung mit der Haut kann Irritationen oder Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Dabei sind alle Bestandteile der Pflanze giftig, von der Knolle bis zu den Blüten.

Woran erkenne ich eine Vergiftung?

Bei Berührung mit der Haut können Wärmegefühl und Brennen eintreten, bei längerem Einwirken sogar Taubheitsgefühl.

Nach Einnahme sind innerhalb etwa einer Viertelstunde im Mund Kribbeln und Brennen zu spüren, was sich über die ganze Haut ausbreitet. Folgende Gefühllosigkeit, Atemlähmung und Herzrhythmusstörung führen zum Tod innerhalb weniger Stunden.

Was tun bei Vergiftung?

Der Giftnotruf für Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen ist unter der Nummer 0361 730 730 erreichbar. Bei Lebensgefahr ist der Rettungsdienst unter 112 zu alarmieren. Weitere Informationen.

Bei einer Vergiftung mit dem "Blauen Eisenhut" müssen die Bestandteile aus dem Körper befördert werden – durch Erbrechen oder Magenspülung. Es gibt kein Gegenmittel. Patienten erhalten Aktivkohle, die Gift absorbiert.

Wo wächst der "Blaue Eisenhut"?

Die Pflanze tritt vor allem in den Alpen und den Mittelgebirgen Europas auf, wird aber auch in Gärten kultiviert. Sie steht in Deutschland unter Naturschutz.

Wie wird die Giftpflanze eingesetzt?

Mit dem "Blauen Eisenhut" wird seit der Antike gemordet. Auch in Serien und Filmen wird die Methode zuweilen aufgegriffen.

Der in Köthen forschende Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, hat Eisenhut-Extrakte unter anderem eingesetzt, um Nervenschmerzen zu behandeln. In der Homöopathie findet der hochverdünnte Wirkstoff bis heute Anwendung, etwa bei Fieber oder Entzündung.

Blauer Eisenhut in den Ötztaler Alpen
Der "Blaue Eisenhut" wächst eher in höheren Lagen – wie hier in den Ötztaler Alpen. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Christoph Schimmelpfennig

dpa, MDR (Susanne Liermann, André Plaul, Martin Krause, Lucas Riemer, Tina Wieczorek, Sebastian Gall, Moritz Arand) | erstmals veröffentlicht am 23. Februar 2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. Mai 2024 | 13:00 Uhr

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