Sommer-Tipp Ab aufs Fahrrad: Tour 2 von Bernburg nach Dessau im Test
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17. Juli 2023, 14:10 Uhr
Wer Lust hat, Sachsen-Anhalt im Sommer mit dem Rad zu erkunden, der kann in Anhalt Geschichte am laufenden Band entdecken. Unsere Reporter haben die Strecke von Bernburg nach Dessau für Sie getestet. Vorbei an gealterten Prunkbauten, durch liebevoll gestaltete Dörfer und die Weiten der Felder- und Flusslandschaft. Die Tour überzeugt mit perfekter Beschilderung, großen Sehenswürdigkeiten und unvermuteten Entdeckungen. Getränke sollte man allerdings einpacken.
- Der Start: Zwischen Feldern und Schlössern von Bernburg nach Köthen.
- Unerwartete Entdeckungen: Vom Spiegelsaal bis ins Spielzeugmuseum in Chörau.
- Das Ende: Vom Flugplatz im Landeanflug durchs Bauhaus-Spalier.
Kurzinfos zur Tour
Gesamtlänge Bernburg – Dessau: 56 km
Bernburg – Köthen: 25 km
Köthen – Dessau: 31 km
Kondition: Normal
Schwierigkeit: Wenig anspruchsvoll
Kurzbewertung
- Weg-Qualität 3/5
- Ausschilderung 5/5
- Rastmöglichkeiten 3/5
- Natur und Aussicht 4/5
- ÖPNV-Anbindung 5/5
- Familientauglichkeit 3/5
Majestätische Schlösser, weite Felder und Bauhausperlen: Unsere heutige Route führt uns mitten durch das einst so prächtige wie hochverschuldete Anhalt. Das überrascht nicht nur mit seinen Prunkbauten, sondern auch mit einigen Schätzen am Wegesrand. Im Vergleich mit der einsamen Altmarkrunde ist auf dieser Strecke einiges los – aber von vorn. Wir, der Altmärker André Plaul und der Magdeburger Leonard Schubert, haben die Strecke für Sie getestet.
Der Start in Bernburg
Los geht's am Bernburger Hauptbahnhof. In den Nahverkehrszügen in Sachsen-Anhalt kann man sein Fahrrad kostenlos mitnehmen – jedenfalls, sofern Platz ist. Wir teilen uns die Stellplätze mit weiteren Radtouristen, die sich bei sommerlichen dreißig Grad auf den kühlen Saale-Radweg freuen.
Ein kurzer Besuch beim Kanuverleih Funda lässt uns erahnen, warum. Das schattige Kühl der Bäume, das Bernburger Schloss, das über uns thront, und dazwischen die Saale, die sich beruhigend und sanft durch die Stadt schiebt. All das lädt dazu ein, die Fahrräder an den Nagel zu hängen und die Füße ins Wasser baumeln zu lassen.
>>> Persönliche Empfehlungen für Bernburg
Wer Lust hat, in Bernburg zu verweilen und für eine kurze oder längere Zeit Pause zu machen, dem wird einiges geboten. Boris Funda vom Kanuverleih empfiehlt, bewaffnet mit Paddeln oder kleinen Motorbooten erst die Saale und dann die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erkunden. Mit dem Tierpark, dem Märchengarten "Paradies" nebst Parkeisenbahn, der historischen Altstadt und den vielen gute Gaststätten lohne es sich immer, in Bernburg Halt zu machen. Besonders freut ihn, dass sich in der Saale wieder viele Tiere angesiedelt haben, die man mit etwas Glück beobachten kann. Reiher, Eisvögel, Schwäne oder Biber seien regelmäßig zu Gast.
Von Schloss zu Schloss, von Bernburg nach Köthen
Bevor wir schwach werden, machen wir uns auf dem exzellent ausgeschilderten Europaradweg R1 auf den Weg Richtung Köthen. Hier steht wirklich an jedem Abzweig ein Schild – manchmal sogar zwei. Über wenig befahrene Landstraßen schlängeln wir uns zwischen Feldern hindurch in dörflichere Gefilde. Am Wegesrand blüht Kamille und überall schicken Obstbäume einen süßen Duft zu uns rüber.
Der Weg ist auch bei Radwanderern beliebt. Nach einigen Kilometern kommt uns das Ehepaar Saurwalt aus den Niederlanden entgegen. Sie radeln von Berlin in die Heimat. "Es ist ein bisschen wie zu Hause hier – nur etwas hügeliger", freut sich Franz Saurwalt.
Über Kilometer geht es durch leise rauschende Felder und kleine Orte, in denen viele alte Schlösser und Anwesen versuchen, der Zeit zu trotzen. Durch Dörfer wie Biendorf und Frenz rumpeln wir über Schotter, Landstraßen und Kopfsteinpflaster. Immer wieder sind wir von den vielen liebevollen Details überrascht, mit denen die Menschen hier ihre Orte zu etwas besonderem machen. Die Mittagshitze liegt wie ein heißes Tuch über allem und lässt alles etwas träge wirken.
Irgendwann taucht rechterhand das Wasserschloss Großpaschleben auf und ein paar Minuten dahinter auch schon unser nächster Halt: die Bachstadt Köthen. Hier sind wir verabredet, um dem Schloss samt Spiegelsaal einen kurzen Besuch abzustatten.
>>> Kulturchefin gibt Tipps zu Köthen
Christine Friedrich, Kulturchefin der Stadt, ist überzeugt: Auch wer nur eine halbe Stunde anhält, kommt in Köthen auf seine Kosten. Eine kurze Pause in den Parkanlagen, auf ein Eis oder einen Kaffee lohne sich immer. Ganz besonders empfiehlt Friedrich aber das Schloss Köthen, an dem der R1 direkt vorbeiführt. Der klassizistische Spiegelsaal, ein Geschenk von Herzog Friedrich Ferdinand zum 30. Geburtstag der Fürstin Julie, sei ausnehmend prächtig. Und auch die anderen Ausstellungen im Schloss solle man keineswegs verpassen.
P.S.: Wer im Schlosspark genau hinschaut, kann hier ein paar Entenküken beobachten, die erst vor Kurzem geschlüpft sind. Laut Friedrich brüten die Enten im Schlossturm und die erste Reise der kleinen Quaker geht gleich mal 35 Meter tief in den Graben – ganz schön mutig.
Tipp: Verkürzte Tour Wer mag, kann seine Reise auch gleich in Köthen beginnen oder nach einer schönen Pause beenden. Vom Bahnhof aus fahren Züge nach Halle und Magdeburg.
Stop-and-go von Köthen nach Chörau
Aus dem Spiegelsaal geht es für uns wieder ab auf den Radweg und raus aus Köthen. Ab hier sind alle Fahrradwege asphaltiert und wir nehmen Tempo auf. Wieder säumen Felder den Weg – diesmal voller Sonnenblumen, die ihre großen Köpfe dem Licht entgegenrecken. Ab und zu überholt uns ein Auto, ansonsten ist es ruhig – und heiß.
Hinter Elsnigk kommt uns ein alter Seemann auf dem Fahrrad entgegen. Der erzählt, dass er jeden Tag auf dem Weg unterwegs ist, um sich im nahen Aken an die Elbe zu setzen, das Wasser zu sehen und ein Dosenbier zu zischen. Man müsse ja in Bewegung bleiben.
Auch wir bleiben in Bewegung und radeln ein Stückchen weiter durch Reppichau. Hier wurde Eike von Repgow geboren, der mit dem Sachsenspiegel einst deutsche Rechtsgeschichte geschrieben hat. Reppichau würdigt dies in einer großen Ausstellung, die in bunten Bildern und Aufstellern durch das ganze Dorf führt. Mitradler André, gebürtiger Altmärker, ist beeindruckt: "Dass es den Sachsenspiegel auch als Straße gibt!" höre ich. Dann fährt er die Straße ungefähr sieben Mal auf und ab, um Fotos zu machen. Irgendwann ist der Akku leer und wir brechen endlich auf Richtung Dessau.
Doch weit kommen wir nicht. Bei einer kurzen Trinkpause in Chörau entdecken wir zufällig einen kleinen Schatz: Den Museumshof Chörau. Mit einer kühlen Brause in der Hand führt uns der vor Enthusiasmus sprühende Inhaber Torsten Winger mitten hinein in Papas Plattensammlung, Großmutters Wäscheküche und das alte Spielzeugzimmer. Sogar der Geruch stimmt und uns fällt es schwer, nur kurz zu bleiben.
>>> Mehr zum Museumshof Chörau
Wer mag kann auf dem Muesumshof Chörau auch einfach nur ein Getränk trinken, Handy- oder E-Bike aufladen und den Beinen eine kurze Pause gönnen. Aber die meisten kommen bereits bei den Simson-Mottorrädern oder den großen Badusan-Aufstellern im Hof ins Schmunzeln. Und dann öffnen sich hinter den vielen Türen und Winkeln des Hofes überall kleine Welten.
Denn Ortsbürgermeister Torsten Winger hat mit dem "Museumshof Chörau" eine kleines Paradies für Technikinteressierte, (N)ostalgiker und Neugierige geschaffen. Ob Spielzeugmuseum, DDR-Garage oder Antennenausstellung: Die meisten finden sofort ein Stück aus ihrer Kindheit, und dann geht das große Erzählen los. Dabei gilt stets: Anfassen verboten, so schwer es auch fällt.
Fliegen, springen, Bauhaus: Von Chörau nach Dessau
Den Museumshof hätten wir mit dem Auto vermutlich nie entdeckt. Es sind die kleinen Begegnungen, die Details am Wegesrand, der Eindruck von Landschaft und Weiten, die die Tour mit dem Rad so besonders machen. Eine schöne Motivation, wenn uns der Gegenwind entgegenpfeift oder das lauwarme Leitungswasser aus unseren Flaschen im trockenen Mund versickert. Trotzdem treten wir nochmal kräftig in die Pedale, denn weit ist es nun nicht mehr bis nach Dessau.
Noch einmal führt uns der R1 zwischen Feldern und durch kleine Wälder, Elbe und Bauhaus entgegen. In Schrebergärten grillen und schwatzen Menschen, Kinder schaukeln, ab und an bellt ein Hund. In der Ferne können wir Dessau langsam erahnen. Doch einen letzten Halt haben wir noch, bevor es zum Bahnhof geht: Der Flugplatz Dessau, der nicht nur für eingefleischte Flugzeugfans etwas zu bieten hat.
>>> Der Flugplatz von Dessau: Mehr als nur Flugzeug
Am Flugplatz von Dessau starten und landen jedes Jahr etwa 6.000 kleine und größere Flugzeuge. Hobbypiloten, die Segelflugschule, Fallschirmspringer: irgendjemand will fast immer in die Luft. Wer Flugzeuge angucken oder sich vielleicht sogar mal in eins reinsetzen will, ist hier genau richtig.
Außer den luftigen Höhen hat der Flugplatz auch noch einen Wohnmobilstellplatz und eine Art kleines Tourismusbüro zu bieten. Wer will kann hier übernachten, elektrische Geräte laden, Sanitäranlagen nutzen, oder sich mit zahlreichen Informationen zu Hugo Junkers, dem Wörlitzer Gartenreich oder den Bauhaus-Touren durch Dessau versorgen lassen. Die Bauhauslinie 10 hält direkt vor dem Terminal.
Aus den luftigen Höhen des Towers schwingen wir uns wieder aufs Rad und beginnen unseren Landeanflug auf den Dessauer Bahnhof. Obwohl wir uns beeilen müssen, unseren Zug zu erwischen, genießen wir die Aussicht, denn wir fahren entlang der Bauhausroute: Das Kornhaus, die Meisterhäuser und die Trinkhalle bilden ein edles Spalier, mit dem uns Dessau verabschiedet.
"Hat auch was", meint der Altmärker. Dann wuchten wir unsere Räder in die Bahn und ab gehts, mit dem Kopf voller Eindrücke wieder nach Hause.
Über die Autoren
André Plaul (der Altmärker) fährt geschlagene 16.000 Kilometer im Jahr. Auf seinem alten Damenrad. Und ohne zu schwitzen. Am liebsten mit Rückenwind und Podcast im Ohr.
Leonard Schubert hat im Alter von vier Jahren ohne Stützräder Fahrradfahren gelernt. Seitdem ist kein Weg vor ihm sicher. Er bringt nicht nur Tempo in Andrés Touren, sondern steuert auch jede Menge Werkzeug und schlechte Witze bei.
MDR (Leonard Schubert, André Plaul)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 18. Juli 2023 | 10:00 Uhr