Öffentliche Förderung Skepsis bei Tablets für Jugendclubs

05. Juni 2022, 16:33 Uhr

Laptops und Tablets für Schüler, Notebooks für Lehrer – Sachsen-Anhalts Schulen sind mit digitalen Geräten ausgestattet. Mitunter werden sie nicht genutzt. Jetzt sollen auch Jugendeinrichtungen Geld für Geräte bekommen. Ist das sinnvoll?

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Digital leben

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Es ist ein Posten im sogenannten Corona-Sondervermögen: 6,75 Millionen Euro stehen für "Digitalisierungsprojekte für Einrichtungen der Jugendarbeit" bis 2026 zur Verfügung. In diesem Jahr sind es 1,35 Millionen Euro. Das geht aus einer Anfrage der Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt an das Sozialministerium hervor.

Allerdings befürchten manche, dass Geräte verteilen zu kurz gedacht ist. Denn unklar scheint bislang, wer die Geräte zum Beispiel in ehrenamtlich organisierter Jugendarbeit datenschutzkonform einrichtet, wer sicherstellt, dass im WLAN im Jugendclub im ländlichen Raum keine jugendgefährdenden Internetinhalte abgerufen werden, wer haftet, falls das doch geschieht und wer sich um Updates oder beschädigte Geräte kümmert.

Jugendschutz, Urheberschutz und Datenschutz mitdenken

Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT sieht jedenfalls Sachsen-Anhalts Sozialministerium beim Thema Datenschutz auch die Träger verantwortlich. Ähnlich wie bei Schulen gibt es auch bei Jugendeinrichtungen viele verschiedene Träger: Was bei den Schulen die Kommunen, Landkreise oder private Träger sind, sind bei Jugendeinrichtungen neben Kommunen auch Kirchen oder kleine Vereine. Und ähnlich wie bei Schulen sind Jugendeinrichtungen personell sehr unterschiedlich aufgestellt. Der Kauf von IT für Schulen hat gezeigt: Er muss wohl durchdacht sein. Denn so, wie die Geräte für Schüler beschafft wurden, waren alle zufrieden – an der Organisation der Geräte für Lehrer aber gibt es Kritik.

Das Sozialministerium antwortet auf die Frage, inwiefern bei der Anschaffung von Geräten aus den Erfahrungen des Bildungsministeriums geschöpft wird: Es würden so viele Erfahrungen wie möglich einbezogen. "Das Sozialministerium legt besonderen Wert auf die Beteiligung der Empfängerinnen und Empfänger der Geräte selbst (also Kinder und Jugendliche) sowie der Träger, die ja auch über Expertise im Hinblick auf den Bedarf der von ihnen betreuten Kinder und Jugendliche verfügen."

Ähnlich wie im Bildungsministerium scheint es im Sozialministerium keine Strategie zu geben, wofür genau digitale Technik in Jugendeinrichtungen sinnvoll ist. Die Ausstattung solle jedenfalls "Wirksamkeit entfalten und zu einer 'Verbesserung' gegenüber dem bisherigen Zustand führen", schreibt das Ministerium. Unklar ist, wie sich eine solche Wirksamkeit und Verbesserung messen lässt.

Olaf Schütte leitet die Servicestelle Kinder- und Jugendschutz in Magdeburg.
Olaf Schütte (fjp media): Geräte allein helfen nicht. Außerdem hätten Jugendeinrichtungen wenig Zeit, Konzepte zu entwickeln und Anträge zu schreiben. Bildrechte: Jonas Mandel

Olaf Schütte, Geschäftsführer von "fjp media", dem Verband junger Medienmacher, begrüßt im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben", dass Jugendclubs Geld für Technik bekommen: "Grundsätzlich ist so ein Ausstattungsprogramm eine coole Sache. Was aber ein wenig zu denken gibt, ist die Frage: Was tun die Kollegen vor Ort damit?" Ein Computer sei vor allem ein Handwerkszeug. "Aber wenn ich nicht weiß, mit einem umgehen, dann wird es schwierig", sagt Schütte.

Das macht "fjp media"

Olaf Schütte: "Wir arbeiten im außerschulischen Bereich ganz viel mit jungen Menschen, die selbst Medien gestalten und Schülerzeitungen, Videoprojekte, Podcasts oder Blogs machen. Und wir kümmern uns auch um Jugendschutz und versuchen, Fachkräfte und Eltern zu beraten. In Magdeburg haben wir eine Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die sich insbesondere an Medieninteressierte richtet."

Außerdem bemängelt Schütte, dass gerade kleine Projekte der Jugendarbeit kaum Zeit dafür haben, Anträge oder Konzepte zu schreiben. Denn oftmals ist Jugendarbeit ehrenamtlich organisiert. Aber selbst wenn Sozialarbeiter bei einem Träger der Jugendarbeit angestellt sind: sicher sind die Jobs nicht immer. "Die Bedingungen, unter denen die Menschen dort arbeiten, sind deutlich prekärer als an einer Schule", sagt Schütte. Die Arbeitsverträge seien oft jährlich befristet, es gebe eine große Fluktuation. Außerdem haben sie auch nicht den zeitlichen Vorlauf wie Beschäftigte an Schulen, um regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen zu können."

Jugend- und Sozialarbeiter im Einzelkampf

Was Schütte auch bemängelt: die Kommunikation des Sozialministeriums mit Trägern und Jugendeinrichtungen. "Sie ist essenziell. Man muss dauerhaft miteinander reden. Mir ist zum Beispiel nicht klar, wie es weiter geht, wenn eine Einrichtung einen Satz Notebooks gekriegt hat." Aber unstete Kommunikation und unklare Kanäle für einen regelmäßigen Austausch fehlen nicht nur im Sozialministerium. Auch das Bildungsministerium wurde vor kurzem für fehlende Kommunikation kritisiert – als Gemeinden und Landkreise sich über die Beschaffung der Lehrer-Laptops an Schulen geärgert hatten.

Investition in Geräte – und Menschen

Allerdings scheint es dem Sozialministerium nicht ausschließlich darum zu gehen, dass in Jugendclubs Tablets oder Notebooks stehen. In seiner Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion schreibt es nämlich, dass Träger und Fachkräfte sich mit dem Geld auch beraten oder fortbilden lassen können. Das Geld kann "für die Erstellung eines medienpädagogischen Konzeptes oder zur gezielten Qualifizierung der Fachkräfte vor Ort eingesetzt werden."

Diesen Ansatz betont auch bekräftigt Nicole Anger, Landtagsabgeordnete der Linken. Sie sagt, das Corona-Sondervermögen greife viel zu kurz. "Das Sondervermögen zielt vor allem auf eine Ausstattungsoffensive ab und muss zwingend mit adäquaten medienpädagogischen Maßnahmen untersetzt werden!" Nur Endgeräte zu kaufen, reiche für einen ganzheitlichen Digitalisierungsanspruch nicht aus.

Linken-Forderung: Medienschutzfachkräfte

Denn die Erfahrungen in der Pandemie hätten gezeigt, wie groß das Bedürfnis für Qualifikationen und Weiterbildungen im Bereich Medienkompetenz, Medienbildung und Mediendidaktik von Fachkräften sei. "Diesem muss man mit dem Sondervermögen auch nachkommen." Angers Forderung deshalb: "So, wie es Kinderschutzfachkräfte gibt, brauchen wir in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe geschulte Medienschutzfachkräfte."

Auch Olaf Schütte von fjp media wünscht sich, dass viel ganzheitlicher darüber nachgedacht wird, wie Kinder und Jugendliche am besten zu fördern sind: "Es geht ja um Kinder und Jugendliche – egal ob sie Schule, Hort oder Kita besuchen oder in der Freizeit bei einem Jugendverband sind. Strategisch muss man sagen, was man will." Im Business-Deutsch lässt sich diese Frage auch so formulieren: Was ist das Produkt der Landesregierung für junge Menschen? Olaf Schüttes Antwort: "Ein gutes Aufwachsen in einer medial bestimmten Welt."

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Über den Autor Marcel Roth arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter bei MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir. Nach seinem Abitur hat der gebürtige Magdeburger Zivildienst im Behindertenwohnheim gemacht, in Bochum studiert, in England unterrichtet und in München die Deutsche Journalistenschule absolviert. Anschließend arbeitete er für den Westdeutschen Rundfunk in Köln.

Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er über Sprachassistenten und Virtual Reality, über Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau und IT-Angriffe. Er ist Gastgeber des MDR SACHSEN-ANHALT-Podcasts "Digital leben". E-Mail: digitalleben@mdr.de

MDR (Marcel Roth)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. Mai 2022 | 12:00 Uhr

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