Kino und TV Draht nach Hollywood: Diese Sachsen-Anhalter mischen im internationalen Filmgeschäft mit
Hauptinhalt
06. September 2024, 09:37 Uhr
Dreharbeiten für nationale und internationale Filme finden in Sachsen-Anhalt immer wieder statt. Auch George Clooney und Helen Mirren haben schon hier gedreht. Doch nicht nur Kulissen findet Hollywood in der Region, sondern auch Experten für Licht, Requisiten und einiges mehr. Diese Firmen arbeiten regelmäßig mit internationalen Filmgrößen zusammen.
- Bei Dreharbeiten mit Hollywood-Regisseur am Lichtpult: Riesen-Verantwortung für Dessauer.
- Sachsen-Anhalts Filmbranche ist in den vergangenen Jahren leicht gewachsen.
- Warum das Luftfahrmuseum Wernigerode mit Steven Spielberg und Wes Anderson zusammenarbeitet.
Im Leben des Dessauers Lukas Hippe kommt es vor, dass das Telefon klingelt und Hollywood ist dran. Und dann fragt am anderen Ende ein namhafter Oberbeleuchter lapidar, ob Hippe nicht Lust habe, in drei Wochen für ein halbes Jahr nach Mexiko zu fliegen, um an einem Film mitzuarbeiten. So geschehen 2021.
Den Kameramann des Projekts kannte Hippe bereits von einer Apple-TV-Produktion: Kein geringerer als Darius Khondji (Panic Room, The Beach, Midnight in Paris). Der Regisseur des Streifens stellte sich als noch ein wenig hochkarätiger heraus: Oscarpreisträger Alejandro González Iñárritu (u.a. Birdman und The Revenant). Und der Film hieß "Bardo – die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten". "Mir ist schon bewusst, mit wem ich da arbeite, und es ist toll. Aber andererseits ist es einfach ein Job und es sind auch nur ganz normale Menschen", kommentiert Hippe überraschend bescheiden.
Mit seinen 29 Jahren hat er für die kleine Dessauer Firma Hodam-Produktion schon an diversen internationalen Filmproduktionen mitgewirkt. Sein Fachgebiet ist Licht. Als "Junior Dimmer Board Operator" stand sein Name erstmals 2015 im Abspann eines großen Hollywood-Streifens: Das war damals der vierte Teil der "Tribute von Panem".
Zwei Erfolgsrezepte für Hollywood
Bei den Dreharbeiten für "Bardo" in Mexiko war Hippe auch noch für das Lichtdesign zuständig. Dazu gehört die Planung, welche Scheinwerfer eingesetzt und wie sie am Set positioniert werden. Mit einer Spezialsoftware visualisierte Hippe für Regisseur, Kameramann und Oberbeleuchter vorab, wie alles aussehen kann.
Bei den eigentlichen Dreharbeiten steuerte der Dessauer das Lichtpult – eine riesige Verantwortung: Weil jede Drehminute sehr viel Geld kostet, muss alles perfekt laufen. Sonst wird es schon mal unangenehm. "An einem Drehtag in Mexiko ist viel schiefgelaufen. Auch ich habe einen allerdings eher banalen Fehler gemacht", erinnert sich der Dessauer. Dafür gab es vor versammelter Mannschaft Schelte vom Regisseur. "Da muss man drüberstehen." Andere, die sich gröbere Schnitzer geleistet hätten an dem Tag, seien gefeuert worden.
Um generell in diesem Umfeld zu bestehen und immer wieder Aufträge zu bekommen, sind laut Hippe zwei Dinge ungefähr gleich wichtig: Immer gute Arbeit abliefern und eine persönliche Ebene mit Kameraleuten und Beleuchtern aufbauen. "Du musst zu einer guten Stimmung am Set beitragen, Druck aushalten, ruhig bleiben und eine gewisse Coolness mitbringen."
So konnten Dessauer in Filmbranche Fuß fassen
Genau auf solche "Softskills" kommt es Hippes Chef, Sven Hodam, bei der Auswahl seiner Mitarbeiter an. Hodams Team besteht derzeit aus sieben Leuten, die er alle selbst ausgebildet hat. Neben Licht hat er sich auch auf Ton spezialisiert, verantwortet u.a. den Sound bei den MDR-Silbereisen-Shows und der Talksendung Riverboat. Das Unternehmen steht aber zum Beispiel auch hinter Showkonzept und Lichtshow der Konzerte von Pietro Lombardi. Seit 2002 gibt es die Firma.
Ich bin als Dessauer sehr stolz darauf, dass auch eine kleine Unternehmung aus einer mittelgroßen Stadt in Sachsen-Anhalt sowas stemmen kann.
Hodam selbst hat sein Handwerk im MDR-Landesfunkhaus Magdeburg beim Hörfunk gelernt und arbeitet nach wie vor noch als freier Mitarbeiter beim MDR-Servicepartner MCS.
Dass er sich mit seiner eigenen Firma beim Film etabliert hat, habe mit Zufällen und Kontakten zu tun. Für Hodam fing das vor allem mit Werbedrehs an. Für solche Jobs müsse man spontan sein, weil die Anfragen dazu teils erst drei Tage vorher reinkämen. Bei den Dreharbeiten treffe man dann auf dieselben Oberbeleuchter und Kameraleute, die auch für die großen Filme engagiert würden. "Dann lernst du die kennen und die finden vielleicht, dass du ein cooler Typ bist, und dann fragen die dich nächstes Mal auch für Filme an."
Das macht ein Oberbeleuchter
Der Dessauer Lukas Hippe beschreibt das so: Während Regisseur und Kameramann die grundsätzliche visuelle Ausrichtung des Films zusammen festlegen, entscheiden wiederum Kameramann und Oberbeleuchter gemeinsam, wie das Licht dafür gesetzt wird, welche Lampen benutzt werden und wie diese in den Filmsets gehängt werden. Hippe steht als Lichtdesigner und Operator in diesem Prozess beratend zur Seite.
Film-Geschäft kaum planbar
Zupass komme ihm dabei, dass die Riege der Spitzenleute beim Film äußerst klein sei, so Hodam. Es gebe vielleicht zehn Oberbeleuchter, die internationale Projekte in und um Deutschland abfingen und die würden alle die kleine Dessauer Firma mit dem Licht-Spezialisten Lukas Hippe kennen.
Planbar ist das Geschäft allerdings nicht. Die Anrufe kämen immer spontan. Dessau und Sachsen-Anhalt seien als Firmensitz dabei weder Vor- noch Nachteil. Für sein Geschäft sei es irrelevant, wo sich das Büro befinde. Seine Mitarbeiter seien ohnehin immer unterwegs. Als Dessauer sei er aber dennoch sehr stolz darauf, "dass auch eine kleine Unternehmung aus einer mittelgroßen Stadt in Sachsen-Anhalt sowas stemmen kann".
Sachsen-Anhalts Filmbranche leicht gewachsen
Sachsen-Anhalts Filmbranche hat nach Angaben der Staatskanzlei in den vergangenen Jahren eine stabile Entwicklung genommen – während die Zahl der Firmen (um die 40) in den Bereichen Produktion, Postproduktion, Ton, Licht, Requisite oder Animation leicht gestiegen sei, sei die Zahl der Beschäftigten konstant geblieben. Zu nennen seien insbesondere hochprofessionelle Dienstleister für Bild- und Tonbearbeitung, die sich in Halle angesiedelt hätten. Aber auch der Standort Magdeburg etabliere sich mit neuen Produktionsfirmen.
Laut Mitteldeutscher Medienförderung (MDM) zeichnet die sachsen-anhaltischen Firmen aus, dass sie international bestens vernetzt, von der Mitarbeiterzahl her eher klein, aber sehr erfahren und professionell sind. 12,6 Millionen Euro hat die MDM 2023 für die Produktion von 49 Kino- und Fernsehstoffen in Mitteldeutschland vergeben. Im Jahr 2021 waren es noch 15 Millionen Euro. Da die Gelder in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen ausgegeben werden müssten, würden sie an ansässige Firmen verteilt.
Das macht die Mitteldeutsche Filmförderung
Die Mitteldeutsche Medienförderung ist für die Filmförderung in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen zuständig. Zu ihren Gesellschaftern gehört auch der MDR, weshalb im MDM-Aufsichtsrat Programmdirektoren des MDR sitzen. Sie ist der größte Förderer in Mitteldeutschland.
Robra: Sektor mit hoher Innovationskraft
Wie die Staatskanzlei mitteilte, lagen die Umsätze der Branche 2022 bei 54,6 Millionen Euro. Zwar sei dies gemessen an der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes (74,5 Milliarden Euro) vergleichsweise gering. Wie Kultur- und Staatsminister Rainer Robra MDR SACHSEN-ANHALT sagte, handelt es sich jedoch um einen Sektor mit hoher Innovationskraft, von der auch andere Wirtschaftsbereiche profitieren würden.
Von den 115 Filmproduktionen in Sachsen-Anhalt binnen fünf Jahren hätten nicht nur hiesige Filmdienstleister, sondern auch Hotellerie, Gastronomie und das Image der Region profitiert. Wie MDM-Geschäftsführer André Naumann ergänzt, sind für Filmproduktionen besonders die Stadt Halle und der Harz beliebt, wo aktuell "Die Schule der magischen Tiere 4" und "Woodwalkers 2" gedreht würden. Große internationale Produktionen wie "Monuments Men" von George Clooney haben zuletzt dagegen einen Bogen um Sachsen-Anhalt gemacht.
"Bridge of Spies": Zwei Jahre mit Steven Spielberg
Aus dem Harz kommt ein weiteres Unternehmen, das sich im nationalen und internationalen Filmgeschäft zu einer festen Größe entwickelt hat. Das Luftfahrtmuseum Wernigerode ist ein gefragter Partner, wenn es um Flugszenen geht – auch für Hollywood. Für "Bridge of Spies" (2015) mit Tom Hanks hat Museumseigentümer Clemens Aulich zwei Jahre mit Star-Regisseur Steven Spielberg zusammengearbeitet.
Konkret ging es um eine Absturz-Szene mit einem amerikanischen U-2-Jet, die in Berlin Tempelhof gedreht wurde. Aufgabe der Wernigeröder war, den vorderen Teil des Flugzeugs samt Cockpit originalgetreu nachzubauen. Die Ansprüche waren hoch. "Spielberg ist sehr detailbesessen. Er erwartet absolute Originalität, also jeder Schalter muss da nach Möglichkeit so sein wie in der Realität", berichtet Aulich.
Für derartige Spezialaufträge unterhält das Filmmuseum eine eigene Werkstatt. Alles was Aulich an Originalteilen finden kann, besorge er weltweit. "Im Fall der U-2 kamen teilweise Teile aus den USA, die unter Verschluss waren, das ging bis hoch zur CIA." Was nicht aufzutreiben ist, baut Aulichs Team nach. Die Requisite entstehe dreimal: erst aus Pappe, dann aus Holz, dann aus Metall. Bei jedem Schritt würden sich die Wünsche des Filmteams verfeinern. "Das U-2-Cockpit haben wir am Ende ein klein wenig größer gebaut als im Original, damit die Kameras mit reingepasst haben."
"Dieses Jahr schon mit Wes Anderson gedreht"
Doch Aulich liefert nicht nur Requisiten oder ganze Flugzeuge – er besitzt etwa eine flugfähige Armee-Transportmaschine (Transall) –, sondern zum Beispiel auch Pilotenkleidung. Außerdem arbeit Aulich, der selbst Pilot ist und sogar Jets fliegt, mit den Schauspielern. "Das sind ja keine Piloten. Das heißt, wir trainieren die so, dass sie wie Piloten wirken."
Den Jet aus Bridge of Spies hat sich Spielberg ins eigene Museum gestellt.
Mittlerweile hat das Luftfahrtmuseum zwei bis vier Anfragen von Filmteams pro Jahr. "Dieses Jahr haben wir schon mit Wes Anderson in Berlin zusammengearbeitet", verrät Aulich. Auf die Frage, wie sich das Filmmuseum im Filmgeschäft etablieren konnte, spricht auch er genau wie die Dessauer von Hodam-Produktion von Zufällen. Los gegangen sei es mit einer Kinderfilm-Produktion. "Aber da die Requisiteure und Set-Bauer offenbar eine sehr kleine Familie sind, kamen dann schnell die nächsten Aufträge."
Sachsen-Anhalt bereits Filmland?
Die Museumsbesucher haben leider eher wenig vom aufregenden Nebengeschäft Aulichs, das sich ihm zufolge auch finanziell lohnt. Denn in der Regel bleiben die teuren Requisiten bei den Filmstudios und kommen nicht zurück nach Wernigerode. "Den Jet aus Bridge of Spies hat sich Spielberg ins eigene Museum gestellt", so Aulich. Bei einigen der ausgestellten Flugzeuge, die in Filmen zu sehen waren, habe er unterschreiben müssen, dass das Museum damit keine Werbung machen dürfe.
Kontakte nach Hollywood, Filmdrehs, ansässige Firmen – ist Sachsen-Anhalt damit schon ein Filmland? Clemens Aulich sieht das differenziert: "Also es entwickelt sich zumindest als Filmland. Und ich denke, dass die Förderkulisse ganz gut ist." Mithalten mit den Bavaria Filmstudios bei München oder den Babelsberg Studios in Potsdam könne Sachsen-Anhalt sicherlich noch nicht, "aber es gibt tolle Landschaften, tolle Gebäude und sicherlich auch Anreizsysteme, die die Filmemacher dazu bewegen, eben Sachsen-Anhalt als Drehort zu nehmen".
MDR (Daniel Salpius) | Erstmals veröffentlicht am 05.09.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. September 2024 | 14:40 Uhr