Lebensretter berichtet Kleinkind in Halle gerettet: Ersthelfer erzählt von dramatischer Situation

25. Oktober 2022, 09:30 Uhr

In Halle musste am Freitagabend ein Kleinkind wiederbelebt werden. Die Eltern waren in der Straßenbahn unterwegs, als der Junge plötzlich nicht mehr atmete. Durch Zufall war der 33-jährige Ersthelfer Hannes D. vor Ort und konnte helfen – wir haben ihn getroffen.

So richtig fassen kann es der 33-jährige Hannes D.* noch immer nicht. Obwohl er inzwischen schon drei Nächte darüber schlafen konnte und mit Verwandten und Bekannten über das Erlebnis gesprochen hat. "Es war Zufall, dass ich in der Straßenbahn saß", sagt D. kopfschüttelnd am Montagvormittag im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

Am späten Freitagabend ist D. auf dem Heimweg. Der Laborant hatte Spätschicht in Leipzig und jetzt will er nach Halle in seine Wohnung. Seine S-Bahn fährt nicht wie gewohnt nach Neustadt, sodass er am Hauptbahnhof umsteigen muss. Eigentlich wollte er den Bus nehmen, weil der etwas schneller ist. Aus Gewohnheit und ohne weiter darüber nachzudenken, geht er aber zur Straßenbahnhaltestelle und nimmt die nächste Bahn in den Westen der Stadt.

Unruhe in der Straßenbahn

Viele Leute sind an diesem Abend unterwegs, die Bahn ist gut gefüllt, erinnert sich D. Es war der letzte Schultag vor den Herbstferien in Sachsen-Anhalt. Schüler waren in der Bahn, dazu das übliche Publikum an einem Freitagabend. "Dann habe ich mitbekommen, dass irgendwas nicht stimmt." Eine Familie mit Kinderwagen hat Probleme. "Die Mutter hat versucht, dem Kind etwas zu trinken zu geben und musste feststellen, dass das Kind keinen Schluckreflex hat und dass es anscheinend nicht geatmet hat", erzählt D. "Die Eltern waren da nachvollziehbar verzweifelt, die Mutter hat um Hilfe geschrien."

Andere Fahrgäste haben daraufhin ihre Handys gezückt und Notrufe abgesetzt. "An der Haltestelle Feuerwache ist die Mutter mit dem Kind rausgestürmt." Eine andere Frau hat laut gerufen und die Fahrgäste gefragt, ob jemand eine Ersthelferausbildung hat. "Dann bin ich sofort vorgegangen und habe gebeten, dass das Kind auf den Boden gelegt wird." D. hat von seinem Arbeitgeber eine Ersthelferausbildung bekommen, aber das Wissen noch nie in der Praxis einsetzen müssen.

Alles passiert in Windeseile

Sofort fängt D. mit einer Herzdruckmassage an. Er schätzt, dass das Kind ungefähr 15 Monate alt ist. "Ich musste Gott sei Dank keine Beatmung machen, weil es dann relativ schnell wieder Reaktionen gezeigt hat" erzählt D. noch immer spürbar erleichtert. "Für mich hat es eine Ewigkeit gedauert, bis dann der Rettungswagen gekommen ist. Aber mit Aufnahme meiner Personalien durch die Polizei hat alles nur 18 Minuten gedauert." Der Junge wurde anschließend in ein Krankenhaus gebracht. Laut Polizei geht es ihm bereits besser.

D. geht anschließend nach Hause, mit Tausenden Gedanken in seinem Kopf. Er braucht lange, um wieder zur Ruhe zu kommen, fragt sich, ob er alles richtig gemacht hat. Am Wochenende verfolgt er die Kommentare im Netz unter den Berichten zu seinem Einsatz. "Da war viel Dank dabei aber auch Leute, die gefragt haben, warum die Eltern so spät noch unterwegs waren - die Kommentare hätte man sich sparen können, finde ich."

Erste-Hilfe-Kurs als Pflicht?

Niemals hätte D. gedacht, dass die Nachricht über seinen Rettungseinsatz solche Wellen schlägt. Aber es ist ein anderer Punkt, der ihm auch nicht aus dem Kopf geht: "Das hat mich an dem Abend noch beschäftigt: Wären diese ganzen Zufälle nicht gewesen, hätte jemand anderes dem Kleinkind geholfen?" Daraus folgt für D.: "Am besten wäre natürlich, wenn alle Eltern oder auch werdende Eltern einen Erste-Hilfe-Kurs machen würden." Schließlich könne jeder in eine Situation kommen, in der man schnelle medizinische Hilfe brauche.

* Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

MDR (Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. Oktober 2022 | 15:30 Uhr

5 Kommentare

Erna am 25.10.2022

Einerseits gehört dem Mann Hochachtung andererseits ist es erschreckend, wenn er der Einzige in einer vollen Straßenbahn war der reagierte. Jeder muss für den Führerschein eine Erstausbildung absolvieren und viele Arbeitgeber (nicht nur seiner) bilden Kurse an. Das macht sich letztlich bei der Prämie für die Berufsgenossenschaft gut. Wenn es bei manchen schon nur zum Handyzücken reicht, dann sollten sie wenigsten sich eine entsprechende App für Ersthelfer runterladen. Irgendwann kann es auch ihre Familie oder Freunde einmal treffen.

mattotaupa am 25.10.2022

"D. hat von seinem Arbeitgeber eine Ersthelferausbildung bekommen" welche im regelfall aber keine erste hilfe für säuglinge/kinder umfaßt. der kinderkörper verlangt andere herangehensweisen bei stabiler seitenlage (seite vs. bauchlage bei babies), atemspende (überstrecken vs. bei babies kopf nicht überstrecken) und herzdruckmassage (handballen vs. nur 2 finger bei babies). da kann der lehrgang beim arbeitgeber nicht 1:1 übertragen werden. fehlende berührungspunkte mit kindern veranlassen arbeitgeber nur das nötigste zu bezahlen und da gibt es halt nur infos für den umgang mit erwachsenen gewinnerwirtschaftern, um deren ausfallzeiten zu minimieren. "Am besten wäre natürlich, wenn alle Eltern oder auch werdende Eltern einen Erste-Hilfe-Kurs machen würden." sowas sollte gleich vom krankenhaus mit angeboten werden aber die welt ist halt nicht ideal.

hilflos am 25.10.2022

Man sollte dem jungen Mann die Tat richtig vergoldet. Im Ernst, ich selbst hätte schon Bedenken ein Baby mit einer falschen Herzdruckmassage größeren Schaden zuzufügen. Die Landesregierung sollte den Mann mit 10000€ ordentlich prämierten. Auch als Ansporn für andere. Der gute Willen reicht nicht aus.

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