Björn Höcke (AfD, 2.v.r) betritt am Tag seines Prozesses den Gerichtssaal im Landgericht Halle. 4 min
Der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke muss sich seit Donnerstag in Halle vor Gericht verwantworten. Mehr zum Prozess im Audio. Bildrechte: picture alliance/dpa/Reuters/Pool | Fabrizio Bensch
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Björn Höcke ab Donnerstag in Halle vor Gericht – Einschätzungen von MDR-Investigativreporter Bastian Wierzioch

MDR SACHSEN-ANHALT Mi 17.04.2024 18:49Uhr 03:37 min

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AfD-Politiker Höcke in Halle vor Gericht: Fragen und Antworten zum Prozess

19. April 2024, 11:06 Uhr

Thüringens rechtsextremer AfD-Chef Björn Höcke muss sich seit Donnerstag vor dem Landgericht Halle verantworten. Er soll in zwei Reden eine verbotene NS-Losung verwendet haben. Höcke selbst behauptet, er habe nicht gewusst, worum es sich bei dem Ausspruch gehandelt habe. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess.

Was wird Höcke vorgeworfen?

Höcke soll im Mai 2021 die verbotene SA-Parole "Alles für Deutschland!" in einer Rede in Merseburg (Saalekreis) in Sachsen-Anhalt verwendet haben. Dieser Ausspruch ist in Deutschland verboten. Deswegen muss sich Höcke wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verantworten.

Außerdem wird ihm vorgeworfen, die Losung im Dezember 2023 auch bei einer AfD-Veranstaltung im thüringischen Gera verwendet zu haben. Dabei soll Höcke als Redner den ersten Teil der Losung "Alles für" selbst ausgesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, "Deutschland" zu rufen.

Ursprünglich sollten beide Fälle gemeinsam vor dem Landgericht in Halle verhandelt werden. Kurz vor Beginn des Prozesses hat die Kammer am Mittwoch jedoch beschlossen, den Fall in Gera von dem in Merseburg abzutrennen, wie eine Gerichtssprecherin am Donnerstagmorgen mitteilte. Grund dafür sei, dass Höckes Verteidigung kurzfristig gewechselt habe und daher keine Gelegenheit hatte, in die Akten zum Fall in Gera Einsicht zu nehmen. Im weiteren Verlauf des Prozesses könnten die beiden Fälle wieder zusammengeführt werden.

Polizisten vor dem Justizzentrum in Halle
Vor dem Justizzentrum Halle sind beim Prozessauftakt gegen Björn Höcke viele Polizisten im Einsatz. Bildrechte: picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt

Als Höcke die Parole das zweite Mal im Dezember 2023 öffentlich verwendete, war bereits bekannt, dass er sich für den ersten Fall aus dem Mai 2021 vor Gericht verantworten muss.

Paramilitärische Organisation der NSDAP Die Sturmabteilung (SA) war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP. Die SA spielte unter anderem beim Aufstieg der Nationalsozialisten vor der Machtergreifung 1933 eine entscheidende Rolle.

Konkret muss Höcke sich nun nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verantworten.

Was sagt der AfD-Politiker zu den Vorwürfen?

Höcke, der als Geschichtslehrer gearbeitet hat, erklärt, er habe nicht gewusst, dass "Alles für Deutschland" eine SA-Parole sei. Vielmehr sprach der AfD-Politiker zuletzt von einem "Allerweltsspruch". In einem Fernsehduell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt verteidigte er seine Wortwahl und erklärte, letztlich habe er den Slogan "America First" von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen.

Ist Höckes Argumentation glaubhaft?

Nach Einschätzung von Bastian Wierzioch vom MDR-Investigativ-Team gibt es Indizien dafür, dass Höcke vorsätzlich gehandelt haben könnte. Zum einen handelt es sich um eine Doppelanklage – Höcke werden also gleich zwei Sachverhalte der gleichen Art vorgeworfen. Außerdem ist Höcke ehemaliger Geschichtslehrer eines Gymnasiums in Hessen – was nahelegt, dass er sich mit deutscher Geschichte etwas genauer auskennen könnte.

Auf der Plattform X hat sich Höcke zudem jüngst zu den Regelungen im Strafgesetzbuch geäußert, die das Verwenden von NS-Parolen verbieten. Sie zielten darauf ab, "Deutschland daran zu hindern, sich wieder zu finden", so Höcke. Diese Kritik könnte ein weiteres Indiz sein. Denn wer sich so verteidigt, müsste eigentlich gewusst haben, dass es sich um eine SA-Losung gehandelt hat. Diese Äußerungen Höckes bei X könnten deshalb auch vor Gericht relevant werden.

Wie geht Höcke mit dem Prozess um?

Höcke versucht den Anschein zu erwecken, dass er zu Unrecht verfolgt werde. Im Internet beklagt er eine angebliche politische Verfolgung und angebliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Bei X hat der AfD-Politiker jeden eingeladen, nach Halle zu kommen, um sich ein Bild von der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu machen. Höcke will den Prozess also als Bühne nutzen.

Welche Folgen hätte eine Verurteilung?

Bestraft werden solche Taten mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe. Sein Status als bekannter Politiker ändert nichts an dem normalen Strafprozess – im Prozess gegen Höcke sind zunächst vier Verhandlungstage angesetzt.

Allerdings könnte eine Verurteilung möglicherweise tatsächlich Einfluss auf den laufenden Landtagswahlkampf in Thüringen haben – dort tritt Höcke als Spitzenkandidat der AfD an. Der Landesverband wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Sollte Höcke in Halle zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt werden, könnte ihm das Gericht auch zusätzlich eine Zeit lang das aktive und passive Wahlrecht absprechen. Grundlage hierfür sei Paragraf 92a in Verbindung mit Paragraf 45 im Strafgesetzbuch, teilte eine Sprecherin des Landgerichts Halle mit. Das würde bedeuten: Höcke könnte nicht zur Wahl im September antreten.

Ob Höcke aber tatsächlich verurteilt wird und wie hoch das Strafmaß wäre, ist allerdings völlig offen. 

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Was ist zu Beginn des Prozesses passiert?

Der Prozess am Donnerstag begann mit Verzögerungen. Grund war nach MDR-Informationen, dass sehr viele Prozessbeobachter und Medienvertreter vor Ort waren. Die Verhandlung wurde nach Beginn zunächst unterbrochen, unter anderem, weil Höckes Verteidigung durchgängige Audioaufzeichnungen forderte. Das Gericht lehnte den Antrag ab.

Höcke hatte am ersten Prozesstag die Möglichkeit, sich selbst oder über seinen Verteidiger zu den Vorwürfen zu äußern, tat dies allerdings nicht. Sein Anwalt erklärte, Höcke werde sich später vor dem Landgericht äußern und auch Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten. Der nächste Verhandlungstag ist der 23. April.

Gab es in Halle Proteste?

Für den ersten Tag des Prozesses hatte die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" zu Demonstrationen gegen Höcke vor dem Gericht aufgerufen. Laut Polizei haben sich vor dem Gericht etwa 570 Protestierende versammelt.

Ein Polizeisprecher erklärte im Vorfeld der Verhandlung, man sei auf mögliche Versammlungen vorbereitet. Nähere Angaben machte er nicht. Die Verhandlung findet im Sicherheitstrakt des Justizzentrums in Halle statt. Um einen störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung zu gewährleisten, hatte das Gericht unter anderem Einlasskontrollen angeordnet. 

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dpa, MDR (Bastian Wierzioch, Lars Wohlfarth, Felix Fahnert, Lucas Riemer, Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 18. April 2024 | 19:00 Uhr

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