Ein Mann und eine Wahlurne
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Kommunalwahl 2024 Analyse: AfD-Sieg betrifft Kommunen – meint aber die Bundespolitik

12. Juni 2024, 15:21 Uhr

In vielen Kreistagen, Stadtparlamenten und Gemeinderäten von Sachsen-Anhalt tritt die AfD künftig als stärkste Kraft auf. Den Rechtsruck im Land mit Appellen und Sonntagsreden bekämpfen zu wollen, hat sich erneut als die völlig falsche Strategie erwiesen. Um den Trend umzukehren, muss die Politik praktikablere und vor allem gerechtere Lösungen für die Probleme im Land präsentieren.

Daniel Salpius schaut freundlich
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Die Kommunalwahl hat gezeigt: Fast ein Drittel der Wählerinnen und Wähler in Sachsen-Anhalt (28,1 Prozent, Stand aller Zahlen: 4:30 Uhr) unterstützt ganz bewusst völkische, nationalistische und fremdenfeindliche Positionen. Denn genau dafür steht die Partei ihrer Wahl, die AfD, die hierzulande vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde.

"Protestwahl", "Denkzettel" – das sind gern herbeidiskutierte Feigenblätter in diesem Zusammenhang, hinter denen sich AfD-Wähler aber nicht verstecken können. Überall im Land hatten sich Wählergruppen und Einzelbewerber für Sitze in den kommunalen Parlamenten beworben. Wer bloß Denkzettel Richtung CDU, SPD, Grüne, Linke und FDP verteilen wollte, hätte seine Kreuze also ebenso gut dort machen können.

AfD große Gewinnerin

Zur Wahrheit gehört: Viele Menschen haben das auch getan, Wählergruppen haben landesweit 11,7 Prozent der Stimmen geholt, mehr als die Kanzlerpartei SPD, aber kaum mehr als vor fünf Jahren schon.

Die AfD kann sich hingegen über deutliche Zugewinne freuen – 11,7 Prozentpunkte hat die Rechts-Außen-Partei gegenüber 2019 zugelegt. Den SS-Verharmlosungen, SA-Zitaten, Deportationsfantasien eines Teils des Spitzenpersonals zum Trotz. Oder muss man sogar sagen: gerade deswegen?

Sound und Habitus der AfD haben jedenfalls immer mehr Fans, auch unter jungen Menschen. Wer sich in Sachsen-Anhalt bewegt, kann das hören, in Gesprächen auf der Straße, in der Bahn, an der Kasse im Supermarkt. Rechte Positionen haben neuerdings den Schick des Unangepassten.

Unzufrieden mit der Ampel: Bundespolitik dominiert

Der Rechtsruck hat dabei Ursachen, die nicht in den Kommunen liegen. Vielmehr hat sich die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Ampel in Berlin, von AfD und CDU gleichermaßen kräftig geschürt, Bahn gebrochen. Das zeigen die Wahlergebnisse deutlich: Die Grünen – nahezu halbiert (4,5 Prozent), die FDP – ebenfalls fast halbiert (3,4 Prozent), die Kanzler-Partei SPD kommt mit 1,8 Prozentpunkten weniger noch relativ glimpflich davon (11,8 Prozent).

Aber es geht nicht nur um die Ampel. Die herbste Klatsche hat hierzulande Die Linke erlebt, die gegenüber 2019 fast sieben Prozentpunkte verloren hat und nun nur noch bei 8,3 Prozent steht.

Unzufriedenheit ist begründet

Viele Menschen sind also mit der sogenannten "etablierten" Politik im Allgemeinen unzufrieden, egal ob Landtag oder Bundestag, egal ob Kenia, Rot-Grün oder Ampel. Und sie sind vielfach auch zurecht unzufrieden: Wenn insbesondere untere und mittlere Einkommen immer stärker belastet werden, wenn Leistungen abgebaut, Hürden aufgebaut werden, wenn die angesichts des Fachkräftemangels dringend notwendige Einwanderung nicht ordentlich gesteuert wird usw. Hinzu kommen immer mehr Krisen, von denen sich Menschen überfordert fühlen.

In solch einer Situation können Populisten problemlos die latent in jeder Gesellschaft vorhandenen nationalistischen Tendenzen triggern und befeuern. Die Strategie der übrigen Parteien, an das demokratische Gewissen der Wählerinnen und Wähler zu appellieren, die Aufrufe, sich für die Demokratie und gegen die Demokratiefeinde stark zu machen, läuft ins Leere.

Die Menschen wollen ja eben gerade mehr, nicht weniger Demokratie und glauben, dass ihnen die AfD genau dazu verhilft.

Sonntagsreden stoppen Rechtsruck nicht

Gegen den Rechtsruck helfen keine Sonntagsreden, sondern nur intelligente, pragmatische und vor allem gerechte Lösungen. Das heißt zum Beispiel, Klimapolitik vor allem von denjenigen bezahlen zu lassen, die am meisten zur Klimakrise beigetragen haben: Und das sind nicht in erster Linie die Autofahrer, sondern die Großkonzerne und Superreichen.

Die kommunalen Parlamente können diese übergeordneten Probleme natürlich nicht lösen. Sie müssen nun trotzdem mit den Folgen der bundes- und landespolitisch gefärbten Wahl umgehen.

Was jetzt auf die Kommunen zukommt

Mit einer erstarkten AfD in Kreistagen und in den Stadträten von Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau dürfte es für Landräte und Oberbürgermeister schwieriger werden, ihre Vorhaben durchzubringen. Vor allem für kommunal getragene Jugendeinrichtungen, Vereine und Projekte, die sich außerhalb des Wertekanons der AfD bewegen, dürfte die Luft nun dünner werden.

Und auch kommunale Bühnen und Theater müssen sich wohl auf stärkere Einflussnahmen gefasst machen. Wenngleich zu bemerken bleibt, dass die AfD nirgendwo eine absolute Mehrheit der Sitze gewinnen konnte, so dass die Partei zumindest im Alleingang nichts blockieren kann, was die übrigen Kräfte befürworten. Inwieweit die viel besungene Brandmauer auf kommunaler Ebene aber nun noch zu halten ist, muss sich zeigen.

CDU macht es sich zu einfach

Zum Abschluss ein paar Gedanken zur CDU. Ja, die Christdemokraten konnten neben der AfD als einzige im Bundestag vertretenen Partei zulegen. Sie landeten mit 26,9 Prozent zwar dennoch hinter den Rechtspopulisten, aber nur knapp. Bei der Europawahl blieben sie in Sachsen-Anhalt dagegen weit dahinter, konnten mit 22,8 Prozent jedoch ihr Ergebnis von 2019 fast halten. Sich deshalb nun zurücklehnen und auf die anderen zu zeigen, ist eine schlechte Idee.

Der CDU-Landesvorsitzende Sven Schulze tut trotzdem genau das. Die anderen Parteien müssten sich hinterfragen, was sie alles falsch machen. Die Europawahl sei eine Abwahl des Kanzlers, sagte Schulze am Wahlabend. In Wahrheit hat die CDU Glück, dass sie mit permanentem Ampel-Bashing und rhetorischen Anleihen bei der AfD noch einmal durchgekommen ist.

Dabei hat sie sich zwar nicht selbst geschwächt, aber zur Schwächung der anderen bzw. Stärkung der AfD mit beigetragen. Stellt sich die Frage, mit wem sie künftig noch koalieren will, wenn die Landtagswahlen 2026 ähnlich ausgehen.

Was bedeuten die Wahlergebnisse für Mitteldeutschland? Darüber hat am Abend nach der Wahl die Runde bei "Fakt ist!" diskutiert:

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MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. Juni 2024 | 19:00 Uhr

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