Bernd Wiegand sitzt 2020 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags in Magdeburg
Zuletzt hat das Landgericht eine Anklage gegen Wiegand abgelehnt – die Staatsanwaltschaft hat dazu aber Beschwerde eingelegt. Auch das Landesverwaltungsamt ermittelt gegen den gewählten OB. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Ronny Hartmann

Suspendierter Oberbürgermeister Unklare Zukunft in Halle: Landespolitiker wollen schnelle Lösung im Fall Wiegand

08. März 2023, 18:55 Uhr

Vor zwei Jahre ist Halles gewählter Oberbürgermeister Bernd Wiegand wegen der sogenannten Impfaffäre von seinem Amt suspendiert worden. Zuletzt hat das Landgericht eine Anklage gegen Wiegand abgelehnt, doch weitere Verfahren gegen ihn laufen. Landespolitiker fordern, dass es in der größten Stadt Sachsen-Anhalts nun endlich Klarheit geben muss – andere hingegen üben sich in Zurückhaltung.

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Landespolitiker haben in der Hängepartie um Halles suspendierten Oberbürgermeister Bernd Wiegand rasche Klarheit gefordert. Der CDU-Landtagsabgeordnete und Chef des halleschen CDU-Stadtverbands, Marco Tullner, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, der seit zwei Jahren währende Zustand sei "demokratietheoretisch sehr fragwürdig". Es könne nicht sein, dass in Sachsen-Anhalts größter Stadt ein ewiger Schwebezustand herrsche. Tullner kritisierte dabei auch die Justiz, die zu lange brauche, um Entscheidungen zu treffen. "Dieses Verfahren hat der Demokratie geschadet und tut es weiterhin", sagte der CDU-Politiker.

Grünen-Abgeordneter: Politik-Geschäft nicht beeinträchtigt

Tullner zufolge gibt es nur Verlierer, da sich sowohl der OB, die Justiz, aber auch der Stadtrat nicht mit Ruhm bekleckert hätten. So hätten die Stadträte etwa ein Abwahlverfahren initiieren können. Tullner erklärte, er hoffe im Zuge der laufenden Beschwerde beim Oberlandesgericht, dass dort "mehr Dynamik" herrsche als auf der unteren Gerichtsebene. Er erwarte eine schnelle und verantwortungsbewusste Reaktion und ein "klares Signal, wie es in Sachsen-Anhalts größter Stadt weitergehen soll".

Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Wolfgang Aldag, der zugleich in Halles Stadtrat sitzt, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die Länge des Verfahrens sei "sicherlich ungünstig". Es wäre besser, wenn es schnell Klarheit gebe. Allerdings beeinträchtige der Schwebezustand nicht das politische Geschäft. Vielmehr laufe etwa die Zusammenarbeit mit dem Land in Teilen sogar besser als in Zeiten, in denen Wiegand noch regulär im Amt war. Das habe sich etwa im Bewerbungsverfahren für das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation gezeigt. Halle hatte dafür im Februar den Zuschlag erhalten.

SPD-Landeschef: Kein Einmischen in Verfahren der Behörden

Auch in der Stadtpolitik sei es unter Wiegand häufig zur Konfrontation mit dem Stadtrat gekommen – das sei seit der Suspendierung anders, erklärte Aldag. Das politische Agieren in Halle "läuft auf allen Ebenen sehr gut". Er räumte ein, dass auch der Stadtrat eine Mitschuld am Schwebezustand in Halle habe. Für ein Abwahlverfahren gibt es Aldag zufolge dort allerdings keine Mehrheit – daher mache ein solches Vorhaben auch keinen Sinn.

SPD-Landeschef Andreas Schmidt erklärte hingegen, er mische sich nicht in die Verfahrensabläufe von Justiz und Kommunalaufsichtsbehörde ein. Politikerinnen und Politiker sollten den Behörden demnach keine Ratschläge geben und keine Forderungen aufstellen. Wenn sie dies doch täten, werde das zurecht kritisiert.

Lange: "Kein guter Zustand"

Andreas Schmidt gibt am Rande einer Pressekonferenz seiner Partei ein Interview.
SPD-Landesvorsitzender Andreas Schmidt Bildrechte: MDR

Schmidt stellte sich zudem hinter den Stadtrat in Halle. Dieser habe mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und durch das Landesverwaltungsamt gar nichts zu tun und könne die Verfahren auch nicht beeinflussen. Weil es sich um schwebende Verfahren handele, sei es nachvollziehbar, dass es bisher auch kein Abwahlverfahren gegen Wiegand gegeben habe, erklärte der Landesvorsitzende der SPD.

Ähnlich äußerte sich Hendrik Lange, Landtagsabgeordnete der Linken und Stadtrat in Halle im Gespräch. Er erklärte, die Politik sollte es "tunlichts lassen", sich in derlei Verfahren einzumischen. Es sei zwar "kein guter Zustand", wenn die Stadt Halle über Jahre nur kommissarisch geführt werde. Allerdings laufe die Arbeit von Stadtrat und Verwaltung weiter – Absprachen und die Zusammenarbeit mit der Stadtspitze funktionierten gut.

Beschwerde beim Oberlandesgericht eingereicht

Zu dem Vorwurf, dass das langwierige Verfahren der Demokratie schade, erwiderte Lange, dass das, was Wiegand getan haben soll, für die Demokratie ebenfalls schwierig sei. Gleichwohl sei die derzeitige Lage "nicht wünschenswert". Lange war bei der Oberbürgermeisterwahl 2019 selbst gegen Wiegand angetreten, unterlag dem Amtsinhaber aber in der Stichwahl.

In der vergangenen Woche hatte das Landgericht in Halle erklärt, kein Strafverfahren gegen Wiegand wegen einer möglichen Manipulation bei der Verabreichung von Corona-Impfstoff im Jahr 2021 führen zu wollen. Dabei war ihm veruntreuende Unterschlagung und Fälschung beweiserheblicher Daten vorgeworfen worden. Dem Gericht zufolge erfüllen die Vorwürfe allerdings nicht den Straftatbestand der Untreue, auch die Veränderung eines Protokolls sei nicht als Fälschung strafbar. Gegen die Ablehnung hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Wiegand selbst forderte bereits die sofortige Aufhebung seiner Suspendierung.

Wiegands Amtszeit geht bis 2026

Bernd Wiegand, 2015
Bernd Wiegand (parteilos) wurde 2019 als Halles Oberbürgermeister wiedergewählt. Bildrechte: picture alliance / dpa | Hendrik Schmidt

Neben den strafrechtlichen Ermittlungen läuft auch ein Disziplinarverfahren des Landesverwaltungsamts gegen Wiegand, das eine Reihe von Vorwürfen umfasst. So soll er etwa ein Dienstvergehen begangen haben, vor dem Landgericht bewusst falsche Aussagen gemacht haben und außerdem dienstliche Ressourcen für private Zwecke genutzt haben. Wiegand hatte sich selbst sowie Mitarbeiter und einige Stadträte 2021 vorzeitig gegen Corona impfen lassen und sich bei der Aufklärung in Widersprüche verstrickt. Im Frühjahr 2021 wurde er sowohl vom Stadtrat als auch vom Landesverwaltungsamt vom Dienst suspendiert.

Wiegand war im Sommer 2019 als Oberbürgermeister wiedergewählt worden. Seine Amtszeit dauert bis 2026. Seit Wiegands Suspendierung im Jahr 2021 hat Bürgermeister Egbert Geier (SPD) die Amtsgeschäfte in Halles Rathaus übernommen.

Mehr zur Impfaffäre um Halles OB Wiegand

MDR (Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. März 2023 | 18:00 Uhr

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