Bürgermeister Geier blickt auf 2022 und 2023 Das erwartet Halle im nächsten Jahr

30. Dezember 2022, 14:45 Uhr

Im MDR SACHSEN-ANHALT-Interview erzählt Halles Bürgermeister Egbert Geier, wie das Jahr für die Stadt Halle gelaufen ist und was Halle im kommenden Jahr 2023 erwartet. Große Pläne gibt es zum Beispiel für das Salinemuseum, das neue Planetarium am Holzplatz und in Sachen Mobilitätskonzept.

Fabian Brenner
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MDR SACHSEN-ANHALT: Mehr als 5.000 Menschen aus der Ukraine sind seit Kriegsbeginn nach Halle gekommen. Mehr als 4.500 leben auch noch in der Stadt. Wie ist die Situation aktuell?

Egbert Geier: Zunächst ist es mir noch einmal wichtig, mich bei allen Beteiligten zu bedanken. Wir haben humanitäre Hilfe geleistet und für eine angemessene Unterbringung gesorgt. Das war eine herausragend gute Leistung der Stadtgesellschaft: eine Zahl von rund 5.000 Flüchtlingen, das ist keine Kleinigkeit. Wir haben auch über unser normales Kontingent hinaus etwa 1.200 Ukraine-Flüchtlinge mehr aufgenommen als das gemäß des Zuweisungsschlüssels erforderlich wäre.

Dennoch sind die Kapazitäten begrenzt. Können aktuell alle Ukraine-Flüchtlinge in der Stadt bleiben, die hier ankommen?

Wenn jemand zu uns kommt, dann schicken wir den nicht per se weg. Aber es ist derzeit so, dass wir Geflüchtete aus der Ukraine an andere Bundesländer weiter verweisen. Es sei denn, es geht beispielsweise um eine Familienzusammenführung. Dann wird natürlich das Bestmögliche getan. Der Bund hat ein Interesse daran, dass eine gleichmäßige Verteilung stattfindet. Und wenn man dann weitere Geflüchtete aufnimmt, dann kommt man natürlich irgendwann auch mal wieder in die Fragestellung, wo es um Turnhallen geht. Und die Unterbringung in Turnhallen ist aus unserer Überzeugung eine denkbar schlechte Variante.

Ein Thema, das für viele Diskussionen gesorgt hat, ist die Jugendkriminalität in der Stadt. Kinder und Jugendliche meiden bestimmte Orte in der Stadt. Viele Eltern sind in großer Sorge um ihre Kinder. Hat sich die Situation aus Ihrer Sicht in den vergangenen Monaten verbessert oder gar noch weiter verschlechtert?

Grundsätzlich ist das kein Problem, das Halle exklusiv hat. Das ist ein bundesweites Thema. In Halle ist es so, dass Polizei und Ordnungsamt eine entsprechende Bestreifung vornehmen. Vor allem in Gebieten in der Stadt, die sich als neuralgische Punkte herausgestellt haben. Wir übererarbeiten aktuell unser Präventionskonzept. Und es geht um Themen wie Schulsozial- und Jugendarbeit. Im Jahr 2022 hat die Stadt für die Förderung von Jugendarbeit 3,2 Millionen Euro bereitgestellt und 1,5 Millionen Euro für Jugendsozialarbeit. Wir haben das Ordnungsamt seit Juni auf 24-Stunden-Dienst umgestellt. Ich kenne jetzt auf Anhieb keine Stadt, die das so in diesem Umfang organisiert hat. Wir bleiben aktiv an diesem Thema dran.

Noch mal konkret die Frage zur Einschätzung der aktuellen Lage: Hat sich die Situation verschlechtert oder verbessert?

Ich habe den Eindruck, dass diese Maßnahmen, die da im Frühjahr und Sommer ergriffen wurden, wirken. Es gibt auch klar die Rückmeldungen aus der Polizei, dass die Zahlen der Übergriffe durch Jugendlichen stagnieren beziehungsweise rückläufig sind.

Wie sehr leidet unter so einer Geschichte, unter so einem Thema das Image der Stadt?

Ich hoffe, dass das Image der Stadt nicht leidet. Ich wiederhole mich gern noch mal: Das ist ein Thema, das alle größeren Städte im Moment betrifft. Halle ist kein Sonderfall. In einer Studie landete Halle zuletzt unter den Top 10 der deutschen Städte, die sich am dynamischsten entwickeln. Berücksichtigt wurden dabei die Wirtschaftskraft, der Arbeitsmarkt, die Lebensqualität und der Immobilienmarkt.

Was kann die Stadt dafür tun, dass sie auch in dieser Spitzengruppe bleibt?

Es geht darum, dass diejenigen, die hier in Halle was machen wollen, dass die einen sehr guten, hervorragenden Zugang in die Verwaltung haben und dass dann vor allen Dingen auch im Baubereich viele Themen schnell bearbeitet werden. Ich verweise da gern auch auf die Investitionen von Wacker in Halle. Die hier quasi eine neue Produktionsstrecke bauen. Die das hier tun und nicht in Bayern am Hauptstandort. Und da war einer der zentralen Punkte, dass es eine sehr gute Unterstützung der Stadt gab. Die Stadt ergreift auch alle Möglichkeiten, um sich bei der Frage von lukrativen Arbeitsplätzen gut zu positionieren. Beispielhaft dafür ist die Dynamik und Entwicklung am Weinberg Campus. Da bekennen sich namhafte Institute in Deutschland zu einer Standorterweiterung in Halle, also Max Planck und Fraunhofer. Das sind ganz wichtige Signale.

Ganz anders ist die Entwicklung auf dem Marktplatz. Hier schließt "Galeria Kaufhof" zum Ende des Jahres seine Filiale. Was passiert im neuen Jahr mit den dann leerstehenden Gebäuden?

Das war keine schöne Information im Jahr 2022 für die Stadt. Aber wenn man sich natürlich die Entwicklung des Einzelhandels betrachtet, dann ist da schlicht und einfach festzustellen, dass diese Fragestellung nach meiner Überzeugung auf jede Stadt in Deutschland zukommt. Vor allen Dingen auf jede Stadt der Größe von Halle. Es liegt zunächst an dem Gebäudeeigentümer, wie er sich eine Umnutzung vorstellt. Wir sind da im engen Austausch. Ich möchte dem Eigentümer aber da nicht vorgreifen.

Können Sie einen lang anhaltenden Leerstand ausschließen?

Der Eigentümer hat ja selbst ein Interesse daran, dass der Leerstand so kurz wie möglich ist.

Spannend bleibt auch die Frage, wie sich der Verkehr in der Innenstadt von Halle in Zukunft entwickelt. Die weitestgehend autofreie Innenstadt war nach dem Bürgerentscheid im Jahr 2021 erstmal vom Tisch. Jetzt soll es ein Mobilitätskonzept für 2040 geben. Wie ist da der aktuelle Stand?

Es gibt aktuell eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Stadtratsfraktionen. Wir sind also dabei, ein ganzheitliches Mobilitätskonzept zu erarbeiten. Gleichzeitig nehmen wir auch die Bevölkerung mit. Wir haben die Plattform mitmachen-in-halle.de ans Netz gebracht. Wir werden die Diskussion verstärkt in 2023 führen. Dann wollen wir das Mobilitätskonzept auch fertig haben.

Richten wir den Blick von der Innenstadt auf den Rand der Stadt, sind wir bei den großen Industriegebieten. Der Gemeinderat von Kabelsketal hat vor einigen Wochen gegen den "Star Park II" gestimmt. Welche Folgen hat diese Entscheidung für die Stadt Halle?

Nach meiner Überzeugung war das ein sehr transparenter und kommunikativer Prozess. Und jetzt geht es darum, dass man im Schulterschluss mit dem Landkreis nach einer neuen Fläche sucht. Das machen wir gemeinsam.

Die Alternativ-Flächen berühren nun nicht mehr das Gebiet der Stadt Halle. Inwiefern sind Sie da jetzt überhaupt noch Teil der Diskussion?

Für uns ist es wichtig, dass wir das Know-how gern bereitstellen, wenn der Landkreis das möchte. Das Ziel war immer, ein innovatives und nachhaltiges Gewerbegebiet gemeinsam in der Region Halle zu realisieren. Dafür stellen wir weiterhin unser Know-how bereit, wenn der Landkreis das möchte.

Ein Projekt, das in der Stadt in 2023 fertiggestellt wird, ist das neue Planetarium am Holzplatz. Gibt es schon einen Termin für die Eröffnung?

Zum Ende des ersten Quartals wollen wir das Planetarium eröffnen. Das ist ein herausragendes Projekt. Im Bereich Planetarien spielt die Stadt dann mit in der europäischen Liga. Wir wollen die Eröffnung gleichzeitig mit einem Frühjahrsempfang der Stadt verbinden.

Auch am neuen Salinemuseum gehen die Arbeiten voran. Es gab zuletzt Diskussionen zwischen der Stadtverwaltung und den Halloren, wie und durch wen das Salinemuseum in Zukunft betrieben wird. Wie sieht die Lösung aus, mit der beide Seiten zufrieden sind?

Indem sich beide Seiten einbringen und zwar mit ihren Stärken, die sie haben. Ich sehe da viele Möglichkeiten, wie es für die Stadt und die Salzwirker-Brüderschaft zu einer Win-win-Situation wird. Wir sind in inhaltlich sehr guten Gesprächen.

Die Stadt Halle hat sich beworben für das "Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation". Standort des Neubaus wäre der Riebeckplatz. Auch andere ostdeutsche Standorte sind noch im Rennen. An welchem Punkt der Entscheidungsfindung befinden wir uns?

Ein Besuch der Jury in Halle war für den November geplant. Dieser Besuch hat sich aber ins Jahr 2023 verschoben. Außerdem werden wir im Januar in Berlin noch mal für uns als Standort werben. Das ist ein Projekt, das sich nur alle paar Jahrzehnte so bietet. Der Bund rechnet in seiner Ausschreibung selbst mit jährlichen Besuchszahlen von bis zu einer Million Gästen. Aus meiner Sicht hat das Zukunftszentrum eine wirklich herausragende, einmalige Sogwirkung für die Stadt und die Region.

Seit fast zwei Jahren ist Oberbürgermeister Bernd Wiegand suspendiert. Es liefen Ermittlungsverfahren, ob tatsächlich auch Anklage erhoben wird, ist seit Monaten unklar. Das Landgericht hat bis heute darüber nicht entschieden. Wie empfinden Sie diese Situation?

Dazu werde ich mich weiterhin nicht äußern.

Inwiefern besteht die Gefahr, dass bedingt durch diesen "Schwebezustand" Dinge weniger vorangebracht werden? Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung gehemmt sein könnten, weil der "alte Chef" ja zurückkommen könnte?

Ich habe mich generell nicht zu diesen Themen geäußert und ich werde das auch weiterhin nicht machen. Mein Ziel ist es, dass sich die Stadt in dieser Situation bestmöglich entwickeln kann. Ich wünsche mir, dass auch die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat so bleibt, wie sie aktuell ist.

MDR (Fabian Brenner, Alisa Sonntag)

3 Kommentare

steka am 30.12.2022

Herr Wiegand wird 66 und ist damit ins beste Rentenalter gekommen. Damit dürfte sich auch sein weiterer Amtsanspruch erledigen. Auch einer unsrer besten Bürgermeister Klaus Peter Rauen mußte deshalb sein Amt aufgeben "da Sachsen-Anhalt seinen Oberbürgermeistern das Ausscheiden mit 65 vorschreibt"(wikipedia).

fassungslos am 30.12.2022

Mir war gar nicht klar, dass Herr Geier jetzt Oberbürgermeister ist.
Vielleicht einfach mal besser recherchieren, bevor Schlagzeilen gesetzt werden!

MDR-Team am 30.12.2022

Vielen Dank für den Hinweis. Da haben Sie recht. Herr Geier ist nur Bürgermeister. Wir haben das im Text geändert.

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