Solaris, Eine Frau im Weltraumanzug steht auf einer Bühne, vor ihr liegen viele Zettel auf dem Boden, im Hintergrund ein großer Kreis, der blau beleuchtet ist.
"Solaris" von dem polnischen Schriftsteller Stanisław Lem ist einer der Klassiker der Science-Fiction-Literatur. Bildrechte: Ray Behringer

Konzerthaus Liebfrauenkirche "Solaris" – Der Roman-Klassiker von Stanisław Lem als Theaterstück in Wernigerode

10. November 2023, 21:29 Uhr

Stanisław Lems Science-Fiction-Roman "Solaris" aus dem Jahr 1961 scheint der Zeit immer noch voraus zu sein. Die Geschichte des polnischen Schriftstellers wurde sowohl von Andrej Tarkowski wie auch von Hollywood (mit George Clooney) verfilmt. Jetzt ist eine neue Bühnenfassung im Konzerthaus Liebfrauenkirche in Wernigerode zu erleben.

Mit seinem gleichnamigen Roman über den offensichtlich ein Eigenleben führenden Planeten Solaris hat Stanisław Lem 1961 etwas angestoßen, das Künstler bis heute zu immer neuen Interpretationen für das Kino und Theater inspiriert. 1972 hat Andrej Tarkowski einen Film für die sowjetischen Mosfilm-Studios gedreht. 30 Jahre später legte Hollywood mit einem Streifen nach, in dem George Clooney und Ulrich Tukur gemeinsam spielten.

Ein Mann sitzt auf einem Sessel, hat ein Buch und Zettel in der Hand, hinter ihm sind viele Bücherregale.
Der polnische Schriftsteller, Essayist und Philosoph Stanisław Lem (1921-2006), aufgenommen in seiner Bibliothek in Krakau 1975. Bildrechte: picture alliance/dpa

Und gerade hat der deutsche Ausnahmekünstler Anselm Kiefer den Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper mit einem Monumentalgemälde verziert, für das er sich von dem Lems Roman "Solaris" inspirieren ließ. Die Zahl der Bühnenadaptionen ist ungezählt – nun kommt in Wernigerode eine brandneue hinzu.

Zwei Sonnen in der Kirche

Der Spielort ist auf den ersten Blick ungewöhnlich, passt auf dem zweiten aber offensichtlich sehr gut. Es ist die säkularisierte und zum Konzerthaus umgebaute Liebfrauenkirche in Wernigerode. In die hat Bühnenbildner Hannes Hartmann eine metallische Ellipse, einen riesigen Ring, einen Spiegel und einen die Spielfläche auf drei Seiten umschließenden Laufsteg aus alten Europaletten eingepasst.

Solaris, ein großer Kreis in rotem Licht, davor läuft eine Frau in einem Weltraumanzug.
Während die eine Sonne blau erstrahlt, leuchtet die andere Sonne in Rot. Bildrechte: Ray Behringer

Die zwei riesigen geometrischen Formen, Ellipse und Ring, stehen symbolisch für die zwei Sonnen, die den Planeten Solaris bei Lem abwechselnd in rotes und blaues Licht tauchen. Unterstützt von den Videoinstallationen von Stefan Haberkorn ergibt sich hier im alten Kirchenschiff ein assoziativer Spielraum für Janek Liebetruth und sein Theaterkollektiv für "Künstlerische Intelligenz".

Zweiter Teil der "Zukunft(s)Utopie"-Trilogie

Der aus dem Harz stammende und Berlin lebende Regisseur Liebetruth hat für drei Jahre einen künstlerischen Gestaltungsfreibrief für den Theaterspielplan des Konzerthauses Liebfrauenkirche erhalten.

Nach der Auftaktproduktion "Die vorletzten Tage der Menschheit" folgt nun mit "Solaris" der zweite Teil einer dafür geplanten utopischen Trilogie. Alle Texte dafür stammen vom Berliner Autor Sören Hornung, mit dem Liebetruth schon mehrfach erfolgreich zusammengearbeitet hat, auch schon hier im Harz beim Festival Theaternatur auf der Waldbühne Benneckenstein.

Solaris, eine Frau liegt scheinbar bewegungslos auf vielen Zetteln, hinter ihr ist ein Mann in einem großen Kreis des Bühnenbildes.
"Solaris" ist kein Science-Fiction-Stück, in dem es um technische Errungenschaften geht. Lems Romanvorlage betrachtet die Psychologie von Menschen. Bildrechte: Ray Behringer

Zum neuen Spielort sagt Liebetruth: "Die Wahl des Konzerthauses Liebfrauen als Veranstaltungsort für 'Solaris' ist kein Zufall. Diese einst sakrale Stätte, die heute der Kunst und Kultur gewidmet ist, spiegelt die Wandlungsfähigkeit der menschlichen Gesellschaft wider. Einst ein Ort des Glaubens, ist es nun ein Ort der Kunst und Reflexion."

Flucht in den Weltraum

Die aktuelle Adaption des Lem-Romans spielt, wie ihr Vorbild, in einer nahen Zukunft, in der die Menschheit mit weltweit drängenden Problemen beschäftigt ist und sich gleichzeitig auf der Suche nach Auswegen in die Weiten des Weltraums aufgemacht hat. Doch kann man mit Hilfe einer solchen intergalaktischen Flucht seinen Problemen und sich selbst entkommen?

Der Regisseur will mit seiner Inszenierung zeigen, "wie die Menschheit auf der Suche nach neuen Lebensräumen ist, während gleichzeitig die Entwicklung künstlicher Intelligenz die Realität und den Alltag der Menschen verändert."

Solaris, eine Frau und ein Mann sitzen auf einer Bühne, der Mann schaut die Frau an, die ernst blickt.
Das Stück "Solaris" ist Teil der Trilogie "Zukunft(s)Utopie". Bildrechte: Ray Behringer

Willkommen zu Hause

Klingt spannend, aber auch nicht nach ganz leichter Kost und stellt die Frage in den Raum, ob das Theaterkollektiv aus der Hauptstadt hier in Wernigerode nicht vielleicht ein bisschen wie ein UFO gelandet ist und es zu Verständnisproblemen mit dem Publikum des "Planeten Provinz" kommen könnte?

Das sieht Liebetruth nicht so, sind er und einer seiner Hauptdarsteller Karl Schaper doch hier in der Region geboren und aufgewachsen. Und auch der Großteil seines Teams kennt die Region und ihre Menschen, war mehrmals beim Festival Theaternatur in Benneckenstein erfolgreich unterwegs. Hinsichtlich der neuen Spielstätte in Wernigerode meint Liebetruth lachend: "Es ist ein bisschen so, als ob man zu seiner Familie nach Hause kommt – nur hat die inzwischen eine neue Wohnung."

Quelle: MDR KULTUR (Wolfgang Schilling), Redaktionelle Bearbeitung: op

Die Aufführung Solaris
Eine theatrale Bearbeitung des Science-Fiction-Klassikers von Stanisław Lem als Multimedia-Event.

Eine Produktion des Theaterkollektivs Künstlerische Intelligenz

Konzerthaus Liebfrauen
Liebfrauenkirchhof 2
38855 Wernigerode

Vorstellungen:
10.11.2023, 19.30 Uhr
11.11.2023, 19.30 Uhr
12.11.2023, 17.00 Uhr
17.11.2023, 19.30 Uhr
18.11.2023, 19.30 Uhr
19.11.2023, 17.00 Uhr

Die Inszenierung bildet nach "Die vorletzten Tage der Menschheit" den zweiten Teil der Trilogie "Zukunft(s)Utopie".

Besetzung:
Kris Kelvin - Simone Müller Pradella
Harry - Jan Tsien Beller
Dr. Snaut - Gerrit Neuhaus
Dr. Sartorius - Nora Decker
Dr. Gibarian - Rita Feldmeier
K.A.R.L. - Karl Schaper

Inszenierung und Produktion - Janek Liebetruth
Text - Sören Hornung
Bühne und Raumgestaltung - Hannes Hartmann
Kostüme - Leonie Mohr
Videokunst - Stefan Haberkorn

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. November 2023 | 12:10 Uhr

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