Wernigerode Mitfahrerin nach Unfall mit Schlossbahn: "Ich konnte meine Mutter gerade noch festhalten"
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01. Mai 2024, 10:17 Uhr
Eine Mitfahrerin erzählt, wie sie den Unfall der Schlossbahn Wernigerode am Sonntag erlebt hat. Die Bahn war den Schlossberg hinuntergerast und am Ende gegen einen Baum geprallt. "Das war unsere Rettung", meint die Frau. Sie glaubt, die Bahn hätte auch den Abhang herabstürzen oder sich überschlagen können. Ein Interview.
- Svenja Loock bestieg die Schlossbahn am Sonntag mit ihrer Familie für einen Ausflug in die Altstadt.
- Als die Bahn unkontrolliert schneller wurde, konnte sie noch ihre Mutter festhalten. Im Nachhinein sagt sie, der Zusammenprall mit dem Baum habe Schlimmeres verhindert.
- Die Familie muss das Erlebte noch verarbeiten.
Svenja Loock saß gemeinsam mit ihren beiden Töchtern, ihrer Mutter und ihrer Schwiegermutter in der Schlossbahn Wernigerode, als diese am Sonntag verunfallte. Sie hat mit MDR SACHSEN-ANHALT über den Unfall gesprochen.
MDR SACHSEN-ANHALT: Sie saßen am Sonntag in der Bahn. Wie kam es dazu?
Svenja Loock: "Wir hatten einen Mädels-Ausflug. Ich war mit meinen beiden Kindern, meiner Mutter und meiner Schwägerin im Schloss. Wir haben eine Führung mitgemacht, die war sehr schön. Wir waren das erste Mal in Wernigerode und haben gedacht, jetzt schauen wir uns noch die Altstadt an. Wir wussten nicht, wie wir dahin kommen und haben dann die Bahn gesehen. (...) Also sind wird eingestiegen und kurz danach ging die Fahrt los. Da war noch alles gut. Dann hat sich das Blatt leider schnell gewendet und die Fahrt nahm ein nicht so schönes Ende."
Die Bahn wurde immer schneller, hat sich dann verkeilt, ist dann auch noch gegen einen Baum geprallt, und es gab am Ende dann elf Verletzte. Gott sei Dank niemand Schwerverletztes. Geht es Ihnen gut?
"Uns geht es soweit gut. Wir haben alle Prellungen davongetragen. Aber im Vergleich, was hätte passieren können, ist das alles halb so schlimm. Die Prellungen gehen weg. Wir versuchen jetzt, das psychisch zu verarbeiten."
Konnten Sie das während des Unfallhergangs fassen und konnten Sie noch schnell reagieren, sich festhalten und aneinander krallen?
"Ganz ehrlich: Das war kaum möglich. Das ging alles so wahnsinnig schnell, nachdem wir über diese leichte Kuppe am Berg drüber waren. Wir sind wirklich immer nur schneller geworden. Am Anfang denkt man noch: 'Naja, der fährt aber rasant'. Denkt noch, das ist ein bisschen spaßig. Und dann hat man sehr schnell gemerkt, das ist hier alles andere als lustig.
Alle fingen an zu rutschen. Es schaukelt sich ja hoch. Man fängt an zu schleudern. Ich konnte meine Mutter noch festhalten. Meine Schwägerin hat Gott sei Dank meine Kleine festgehalten. Meine Große hat das halbwegs alleine hinbekommen."
Ich konnte meine Mutter noch festhalten. Meine Schwägerin hat Gott sei Dank meine Kleine festgehalten.
"Wir sind dann noch links an einer an einer Böschung hoch und ich habe gedacht: 'Wir kippen gleich um und letztendlich ist er dann direkt gegen den Baum geknallt, oder wir alle. Und ja, ich wurde in den Wagen geschleudert. Dann sind wir alle nur aufgestanden und haben gesagt: 'Raus, raus, raus!' Und dann hat man einen Schritt gemacht durch die Tür raus, die offen stand, und da ging der Abhang herunter."
Ich habe gedacht: 'Wir kippen gleich um!'
Jetzt kristallisiert sich ja auch gerade raus, dass der Fahrer der Bahn offenbar Schlimmeres verhindert hat. Die Polizei hat gesagt, nach dem jetzigen Ermittlungsstand haben die Bremsen wohl versagt. Und da hat der Fahrer wohl versucht, die Bahn gegen den Baum zu lenken. Das wäre wohl das einzig Richtige gewesen.
"Also wenn das alles so stimmt: So hat es sich angefühlt. Man kriegt nichts mit, man ist wirklich wie im Film. Aber es hat sich so angefühlt, als wenn er gegenlenken würde. Als wenn er versucht, den Wagen irgendwie – denn das ist ja ein ganz schmaler Weg – da draufzuhalten.
Wenn er das wirklich geschafft hat, da gezielt gegen (den Baum) zu fahren, war das tatsächlich unsere Rettung. Weil ich mag mir wirklich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn wir den Abhang heruntergefahren wären oder sich der Wagen überschlagen hätte. Es wäre ja nur weiter bergab gegangen. Wir wären noch schneller geworden. Ich weiß nicht, wie schnell wir waren, gefühlt unglaublich schnell. Wir haben alle gesagt: 'Das war unsere Rettung.'"
Anmerkung der Redaktion Das Interview wurde am Montag mit der Mitfahrerin der Schlossbahn geführt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Polizei von einem möglichen Defekt der Bremsen ausgegangen. Laut einem Gutachten waren die Bremsen aber in Ordnung. Das teilte die Polizei am Dienstag mit. Nun wird gegen den Fahrer wegen eines Fehlverhaltens ermittelt. (Stand: 30.04.2024)
Sie haben gerade gesagt: 'Wir müssen das jetzt erstmal verarbeiten." Was heißt das für Sie? Und die Kinder? Die haben jetzt ja auch Erinnerungen abgespeichert. Das kann man vermutlich so nicht stehen lassen.
"Wir haben tatsächlich gestern mit dem Alltag wieder gestartet, also wieder mit Arbeit und Schule. Weil das ist einfach auch Ablenkung. Meine Mädels wollten sich auch mit ihren Freundinnen unterhalten, die wollten das alles erzählen.
Ich bin auch ein Mensch, der erzählt darüber und verarbeitet über das Sprechen. Da ist ja jeder auch anders. Es kommen immer mal Fragen von den beiden oder auch so Aussagen wie "Wir setzen uns nie wieder in so eine Bahn."
Manchmal kommen Aussagen wie: 'Wir setzen uns nie wieder in so eine Bahn.'
"Wir haben einen Wohnwagen. Meine Große hat gestern gesagt: 'Nie wieder fahre ich irgendwo mit, wo ein Wohnanhänger hinten dran ist.' Ja, da muss man drauf reagieren, manchmal auch sachlich, und erklären, wie so etwas passieren kann und dass das hoffentlich nie wieder vorkommt. Und auch sehr selten ist. Da müssen wir jetzt gucken, wie wir es einfangen können. Ja, das wird noch dauern."
Auf den ersten Blick sagen manche natürlich: 'Die Bahn, das ist eine kleine Bimmelbahn, hübsch und rot.' Doch auf den zweiten Blick ist dieser Schlosspark doch ganz schön steil. Wenn man den hochgelaufen ist, weiß man das. Würden Sie denn wieder mit so einer Bahn fahren? Haben Sie sich Gedanken gemacht?
"Eigentlich weiß ich es noch nicht. Also ich wahrscheinlich schon. Ich bin aber grundsätzlich ein optimistischer Mensch und mache einfach weiter. Wir fahren auch jeden Sommer an die Nordsee, da fährt auch so eine Bahn. Aber da geht es auch nur geradeaus. Ich denke mal, da werden wir uns auf jeden Fall wieder reinsetzen.
Die ersten Gedanken waren: Wir, fahren nie wieder nach Wernigerode und würden uns auch nie wieder da reinsetzen. Also ich denke, wenn wir jemals nach Wernigerode fahren, würden wir uns tatsächlich nicht in diese Bahn setzen, nicht den Berg runter. Nein, da bin ich mir eigentlich ziemlich sicher. Aber es hat was mit unserer Erfahrung zu tun. Nicht, dass wir da kein Vertrauen haben. Sondern, ich glaube, die Bilder würden wieder hochkommen. Und das möchte man verhindern."
Danke, dass Sie die Gedanken mit uns geteilt haben. Das ist ja sicher auch nicht ganz einfach. Und vielleicht hat es aber auch geholfen, darüber zu reden.
Das Interview führte MDR-Moderator Lars Wohlfarth.
MDR (Leonard Schubert)| Quelle: Interview Lars Wohlfarth
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 30. April 2024 | 07:10 Uhr
Maria A. vor 31 Wochen
Bei dem neuerlichen Sinnieren über Steigung und Risiko - es ist doch sicherlich so, dass diese Bahn in vielen Saisons zuverlässig gehandhabt wurde, oder? Passieren kann ja überall mal was. Leider.
Thommi Tulpe vor 31 Wochen
Auto-, Rad-, Schiff-, Ballonfahren können auch tödlich enden genauso wie Reisen im Flugzeug. Und wenn es das alles nicht ist: Auch ohne das endet alles irgendwann mal.
pwsksk vor 31 Wochen
Der Artikel kam heute hier raus.
Gestern Abend im MDR, "gegen den Fahrer wird ermittelt, kein technischer Defekt".
Ist MDR.de nicht auf der Höhe der Zeit?