Künstlerin Hanna Sass steht in der Jahresausstellung der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle vor ihrer Holzreliefarbeit Matti an the birds 9 min
In Sachsen-Anhalt arbeiten so wenig Menschen in Kulturberufen wie nirgendwo sonst in Deutschland. Im Audio ist Maria Meinel von der Akademie der Künste Sachsen-Anhalt dazu im Gespräch. Bildrechte: picture alliance/dpa

Schlusslicht Sachsen-Anhalt hat deutschlandweit die wenigsten Kulturschaffenden

09. Februar 2024, 16:04 Uhr

Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in einem Kulturberuf – die wenigsten davon in Sachsen-Anhalt. Das geht aus den Kulturindikatoren der Statistischen Landesämter hervor, die jetzt veröffentlicht wurden. Demnach lag der Anteil im Jahr 2022 in Sachsen-Anhalt bei 1,9 Prozent – bundesweit sind es 3,1 Prozent. Für die Akademie der Künste Sachsen-Anhalt kommen diese Zahlen nicht überraschend. Die Gründe sind strukturell verankert, erklärt deren Vertreterin Maria Meinel.

  • Für Maria Meinel von der Akademie der Künste Sachsen-Anhalt ist es entscheidend, Künstlerinnen und Künstler in Sachsen-Anhalt zu halten.
  • Gemeinsam mit der Landesregierung wird beraten, wie Künstlerinnen und Künstler besser gefördert werden können.
  • Große Institutionen und Museen seien gut aufgestellt, so Meinel, aber in der Gegenwartskunst fehle es an Repräsentanz.

MDR KULTUR: Der Anteil der Künstler in Sachsen-Anhalt ist bundesweit am geringsten. Das geht aus den Kulturindikatoren der Statistischen Ämter der Länder hervor: 1,9 Prozent sind in Sachsen-Anhalt in Kulturberufen erwerbstätig – der bundesweite Schnitt liegt bei 3,1 Prozent. Starke Bundesländer sind Berlin mit 8,6 Prozent, Hamburg mit 6,8 Prozent. Sind Sie überrascht?

Maria Meinel, Vorstandsmitglied der Akademie der Künste Sachsen-Anhalt: Um ehrlich zu sein, hat mich das nicht überrascht, weil wir hier schon seit einiger Zeit diesen Missstand registrieren und auch kundgetan haben. Es gibt eine ziemlich starke Abwanderung. Wir haben zwar eine Kunsthochschule hier in Halle, aber die meisten Absolventinnen und Absolventen bleiben nicht in der Stadt, sondern gehen genau in die Länder, die mehr Budget für die Kunst zur Verfügung stellen und da fängt in Sachsen-Anhalt die Misere an.

Maria Meinel, Porträt, eine Frau im schulterfreien, schwarzen Kleid schaut freundlich.
Maria Meinel ist Übersetzerin, Autorin und Vorstandsmitglied der Akademie der Künste Sachsen-Anhalt. Sie lebt in Halle (Saale). Bildrechte: Nicole Müller

Wenn man auf städtischer Ebene schon überlegt, ob man den Kulturetat vielleicht auf fünf Prozent erhöht und davon dann alle Kultur, also nicht nur die Musik, Theater, Literatur, sondern eben auch die bildende Kunst gespeist werden soll, dann überrascht es nicht, dass das für die Kunst existenziell wird.

Also das Land wirft offensichtlich nicht genügend Fördermittel aus. Ist der Aufwand für attraktive Fördermöglichkeiten so hoch, dass es zu bürokratisch ist oder woran liegt's?

Über den Verwaltungsaufwand kann ich gar nichts sagen, weil ich da nicht tätig bin. Aber es gibt ja zwei Arten der Förderung. Projektgebundene durch Institutionen wie die Kunststiftung Sachsen-Anhalt oder die Sparkassen-Stiftung. Auch Lotto fördert ausgewählte Vorhaben. Man muss sich darauf bewerben in allen Fällen.

Außerdem fördert das Land, und da sind wir bei der Politik und bei dem Budget, was generell für die Kunst zur Verfügung gestellt wird. Da gibt es offenbar Bedarf, an diesem Budget etwas zu ändern, um nicht nur Leuchtturmprojekte zu fördern, also Museen, das Bauhaus Dessau oder ähnliche Institutionen – die natürlich wichtig sind, keine Frage – aber die, wie der Name schon sagt, museal arbeiten. Und das bildet nicht die gegenwärtige Kunst ab, sondern die gestrige.

Sie sagen, da ist Bedarf – sicherlich von der Künstlerseite. Sieht das Land das denn überhaupt als Manko? Also hat man auf dem Schirm, dass es mehr Künstler in Sachsen-Anhalt bräuchte?

Es geht erst mal darum die, die da sind, zu halten. Also es bräuchte nicht noch mehr Künstler. Wir haben viele, aber die wenigsten können davon leben. Die meisten suchen sich einen anderen Nebenbei-Job oder einen Brotjob. Und dann sieht es natürlich arg aus, wenn man von neun bis 17 Uhr in einem Brotjob arbeitet und einen dann erst nach 17 Uhr die Muse küssen darf.

Aber zurück zum Land: Die Akademie der Künste hat sich schon 2022 an das Land gewandt, an Staatssekretär Dr. Putz, und hat in einer Stellungnahme die Position der zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler dargestellt und um einen Runden Tisch gebeten. Das hat man aufgegriffen und von Landesseite dazu eingeladen. Das war nicht ganz unser Konzept. Wir wollten mehr an der Basis arbeiten, also Künstlerinnen und Künstler selbst zu Wort kommen lassen.

Unter dem großen Übertitel "Kunst und Design Land Sachsen-Anhalt" saßen die sogenannten Leuchtturmprojekte, die schon gefördert werden, am Tisch: Museen, die Burg Giebichenstein – aber es durften auch wir am Tisch sitzen, die Akademie der Künste und der BBK, der Berufsverband der Bildenden Künstler.

Es geht darum zu überlegen, wie man Künstlerinnen und Künstler fördern. Nicht nur durch Ausstellungsprojekte oder einzelne Stipendien, sondern generell muss man Ateliergemeinschaften fördern, Arbeitsräume schaffen und den Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, für die Existenz planbar zu arbeiten.

Wenn Sie jetzt an einem Runden Tisch sitzen, was sagen Sie den Vertretern vom Land, was da der Nutzwert dabei wäre? Denn es sind viele große Projekte, aber die kleinen Künstler scheinen eben noch nicht in der Art gefördert zu werden, wie es ihnen gut täte, weil viele am Existenzminimum sind. Was sagen Sie den Landesvertretern, weswegen das wichtig ist?

Da sind wir genau an der Stelle, wo man schwierig mit Zahlen kommen kann. Die bildende Kunst hat ja keinen monetären Nutzwert. Sie ist ein meritorisches Gut, wie wir so schön sagen. Sie ist am Puls der Zeit und spricht Themen an, reflektiert, aber sie ist nicht abrechenbar. Sie wird gebraucht, um Situationen zu reflektieren. Das muss sich im Bewusstsein manifestieren, dass die Kunst ideelle Werte schafft und man aber trotzdem davon leben muss.

Und das verbessert auch das Image von Sachsen-Anhalt als Kulturstandort?

Das soll das Ziel sein. Deswegen gibt es jetzt diesen Runden Tisch, dass Sachsen-Anhalt als Kulturstandort überhaupt wahrgenommen wird und nachhaltige Projekte entstehen.

Eine Baustelle ist zum Beispiel die Nachlassverwaltung, es müsste systematisch jemand sichten, Nachlässe ankaufen. Da fällt die kulturelle Bildung darunter, das heißt, es müssten auch Schülerinnen und Schüler künstlerisch gebildet werden. Jugendkunstschulen gibt es viel zu wenige.

Es geht bis hin zu Überlegungen, ob man nicht eine Halle für zeitgenössische Kunst schaffen sollte, um den zeitgenössisch Arbeitenden eine Plattform zu bieten. Museal sind wir gut aufgestellt, aber in der Gegenwartskunst fehlt es eindeutig an Repräsentanz. Deswegen hieß der Titel "Initiative Gegenwart", den wir damals gewählt hatten, um Dr. Putz an den Runden Tisch zu kriegen.

Quelle: MDR KULTUR, redaktionelle Bearbeitung: hro

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. Februar 2024 | 06:30 Uhr

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