Vom Kneipensport zur Weltspitze Wie Deutschlands Tischkicker-Meisterin ihren Sport in Salzwedel voranbringen will
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27. Februar 2024, 18:11 Uhr
Tischkicker oder Tischfußball kennen die meisten aus Jugendzentren, Gemeinschaftsräumen, Kneipen. Aber Tischfußball ist inzwischen ein Hochleistungssport, den die Salzwedlerin Djamila Nader perfekt beherrscht. Sie ist jüngst Deutsche Meisterin im Tischkicker-Einzel geworden. Nun will sie ihrem Sport auch in Salzwedel zu neuem Schwung verhelfen.
- Djamila Nader ist aktuell Deutschlands beste Tischkickerin.
- In ihrer Heimatstadt Salzwedel ist von der Begeisterung früherer Tage aktuell nur noch wenig übrig.
- Nader will helfen, ihren Jugendverein wieder zu einer großen Nummer zu machen.
Fragen beantworten, Tipps und Tricks verraten, Lust auf ihren Sport machen und schließlich sogar Autgramme geben – die beste deutsche Tischfußballspielerin Djamila Nader nimmt sich bei diesem Besuch Zeit für den Salzwedeler Tischkickernachwuchs. Der will zum Beispiel wissen, ob Nader mit Tischfußball Geld verdient und berühmt ist: "Manchmal gewinne ich Preisgeld und finanziere damit die An- und Abfahrten. In der Kickerszene bin ich bekannt, aber die meisten Leute wissen nicht einmal, dass Tischkicker ein Leistungssport ist."
Tischkicker/ Tischfußball
Wohl nirgendwo ist Tischfußball so populär wie in Deutschland: Laut Deutschem Tischfußballverband kickern hierzulande mehr als eine Million Menschen, sei es am Tisch zuhause, in der Kneipe oder in einem der rund 300 Vereine. Zudem haben sich mehr als 8.500 Tischfußballer und Tischfußballerinnen in 13 Landesverbänden organisiert. Vor fast 100 Jahren wurde der erste Kickertisch gebaut. Seit über 50 Jahren wird die Deutsche Meisterschaft im Tischfußball ausgetragen. Deutschlands Spielerinnen und Spieler sind seit Jahren Weltspitze.
Kicker-AG spielt einmal in der Woche
Anders als Djamila Nader, die in Spitzenzeiten bis zu sechs Mal die Woche trainiert, treffen sich die Salzwedeler Kickerkids von der Lessingschule mit ihrem AG-Leiter Marco Heide einmal in der Woche. Sie sind zwischen elf und 13 Jahre alt und begeistert von der Spezialtrainingsstunde mit der frisch gebackenen Deutschen Meisterin.
Genau wie Marco Heide: "Djamila spielt absolutes Spitzenniveau und es ist einfach toll, dass sie heute den AG-Teilnehmern zeigt, was alles beim Tischkicker möglich ist." Denn Deutschlands beste Tischfußballerin trainiert und studiert momentan in Hamburg, kommt daher nur sporadisch in ihre Heimatstadt.
Lieber am Tischkicker als auf der Tanzfläche
Dass Kickern genau ihr Ding ist, merkte Djamila schon als Kind. Wenn irgendwo ein Kickertisch stand, zog er die heute 20-Jährige magisch an. "Mit 15 Jahren habe ich dann zunächst in der Kneipe gespielt. Meine Freundinnen waren auf der Tanzfläche, ich lieber am Kickertisch", erinnert sich Djamila. So kam sie auch in Kontakt mit den Salzwedeler Kickerfreunden, einem Verein, der bis vor wenigen Jahren richtig große Kickerevents veranstaltete. "Vor vier, fünf Jahren hatten wir hier große Turniere mit 20 bis 30 Mannschaften, mit Live-Übertragung im Offenen Kanal Salzwedel. Dahin wollen wir zurück, daher leite ich zwei Arbeitsgemeinschaften an der Lessingschule", sagt Marco Heide.
Djamila Nader
Mit 15 Jahren entdeckt Djamila Nader das Kickern für sich, aber erst mit 18 Jahren spielt sie ihr erstes offizielles Turnier in Braunschweig. Das war im März 2022. Danach geht alles ganz schnell. Djamila Nader wird Ranglistenerste in der zweiten Bundesliga und wechselt in die erste Bundesliga. Bereits im Oktober 2022 gewinnt sie ihre erste internationale Medaille. Nach einer dreimonatigen Auszeit bei ihrer Tante auf Hawaii wird sie 2023 im Einzel zweite bei der Deutschen Meisterschaft und ebenso Vize in der ersten Bundesliga.
Sie kämpft in der European Champions League (ECL) in Rom um die Europäische Tischfußballkrone und nimmt im August 2023 an der "ITSF World Series by Leonhart 2023" auf Weltniveau teil, kann sich dort aber gegen die beste deutsche Spielerin My Linh Tran noch nicht durchsetzen. Am 21. Januar 2024 gewinnt sie dann erstmalig gegen My Linh Tran und wird Deutsche Meisterin im Damen-Einzel.
Während der Coronapandemie trainierte Nader alleine
Dass ihr erster Verein, die "Kickerfreunde Salzwedel", eingeschlafen ist, das wurmt nicht nur Djamila Nader und AG-Leiter Marco Heide, sondern auch den Vereinsvorsitzenden Florian Lahmann. "Als wir 2014 anfingen, war hier in Salzwedel eine große Begeisterung da. Dann wurde es immer professioneller mit Spielern aus Uelzen, Braunschweig, Hamburg." Doch Corona brachte alles zum Erliegen. "Djamila, gegen den Trend, hat sich im Vereinshaus alleine hingestellt und trainiert und wurde Deutschlands Spitze.", sagt Florian Lahmann stolz.
Verein will zurück zu alter Größe
Dass die amtierende Deutsche Meisterin bei den "Kickerfreunden Salzwedel e.V." angefangen hat, bedeutet Lahmann viel und ist für ihn eine große Motivation, der Kickerszene mit seinem Verein einen Neustart zu verpassen. Damit die "Kickerfreunde Salzwedel" wieder zu alter Größe wachsen, braucht es Sponsoren und engagierte Mitstreiter. Auch Djamila Nader kann und möchte dabei unterstützen.
Weltmeisterschaft Tischkicker
Alle zwei Jahre treffen sich die besten Spielerinnen und Spieler aus den rund 60 Mitgliedsländern des Weltverbands ITSF (International Table Soccer Federation), um die Weltmeister in den jeweiligen Kategorien zu ermitteln. Neben den Damen und Herren werden in zwei Senioren- und vier Juniorenkategorien Titel im Einzel, Doppel und Mixed ausgespielt.
Um Deutschland bei der Weltmeisterschaft vertreten zu dürfen, sind die recht ambitionierten Qualifikationsregeln zu erfüllen. Qualifizieren kann man sich als Erstplatzierter der Deutschen Rangliste, als Sieger der Deutschen Meisterschaften, oder durch eine Spitzenplatzierung bei den World Series-Turnieren des ITSF und über die Weltrangliste. Gespielt wird die WM im sogenannten Multitable-Modus, wobei in jeder Begegnung zu gleichen Anteilen auf dem jeweiligen Heimtisch der beiden Gegner gespielt wird. Denn während in Deutschland der "Deutsche Tisch" zum Einsatz kommt, ist es in Frankreich zum Beispiel der "Bonzini" oder in den USA der "Tornado". Die verschiedenen internationalen Tische unterscheiden sich zum Beispiel in Ballgröße, Oberfläche oder Figuren.
Denn Tischfußball habe alles, was ein Sport braucht, findet Djamila Nader. Durch Tischkicker können man viel lernen: "Meine Sportart ist total fair. Das spannende ist dabei, dass man sich direkt gegenübersteht und dadurch die ganze Energie des Gegners intensiv mitbekommt. Das macht Tischkicker für mich so reizvoll und besonders", schwärmt Nader. Die derzeitige Deutsche Meisterin gilt mit ihren 20 Jahren übrigens als Ausnahmetalent, bestätigt ihr Hamburger Trainer Oliver Westphal. Naders Ziele: Als nächstes die Europameisterschaft und dann die Weltmeisterschaft gewinnen.
MDR (Carina Emig, Oliver Leiste)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. Februar 2024 | 19:00 Uhr