Forschungsprojekt Alternative zu herkömmlichem Fleisch: Schnecken-Babys in der Altmark geschlüpft
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11. März 2024, 19:41 Uhr
Auf dem Hof von Carmen Kalkofen in Cobbel in der Altmark sind zahlreiche kleine Schnecken geschlüpft. Die Landwirtin züchtet die Weinbergschnecken im Rahmen eines Pilotprojekts: Die Hochschule Anhalt in Bernburg testet das proteinreiche Fleisch als Alternative für Rind, Schwein oder Huhn. In Dresden wird die Verwendung von Schneckenhäusern und -schleim erforscht. Auch wenn das Projekt Ende des Jahres ausläuft, soll die Schneckenzucht in der Altmark weitergehen.
- Carmen Kalkofen aus Cobbel in der Altmark züchtet Schnecken – die unter anderem als Alternative zu herkömmlichem Fleisch erprobt werden.
- Die ersten Schnecken-Pasteten wurden bereits serviert. Neben dem Fleisch sollen auch Schneckenhäuser und -schleim genutzt werden.
- Das Forschungsprojekt läuft bis Ende des Jahres. Carmen Kalkofen will auch danach weitermachen.
Diese Kinderstube ist besonders: Der schmale Kühlraum in einem ehemaligen Stall auf dem landwirtschaftlichen Hof von Carmen Kalkofen in Cobbel ist hell erleuchtet und ziemlich kühl. Schnecken könnten Temperaturwechsel nicht gut vertragen, erklärt die Landwirtin. Minusgrade in der Nacht, 15 Grad plus in der Sonne – das würden die Tiere nicht verkraften.
Also habe Carmen Kalkofen im vergangenen Herbst die erwachsenen Tiere, jedes größer als eine Walnuss, eingesammelt. Bis dahin lebten die Schnecke in Gehegen unter freiem Himmel. Für ihre Zucht hatte Carmen Kalkofen einen Hektar ehemaligen Spargelackers umgebaut zur Schneckenfarm.
Sachsen-Anhalt und EU fördern Forschung an der Fleisch-Alternative
Jetzt sitzen die Tiere in der Kinderstube in sieben transparenten Boxen mit rosa Deckel. Die Kisten sind ausgepolstert mit frischem Grün und Zweigen, an denen die Schnecken hinauf- und hinunterkriechen können. Zu essen bekommen sie Apfelscheiben und Getreideschrot. Dazu wird der Raum regelmäßig mit Wassernebel eingesprüht. Perfekte Bedingungen für "Helix Aspersa": "Schneckenwellness", grinst Carmen Kalkofen.
Sie steht hinter dem Pilotprojekt, das von der Europäischen Union und dem Land Sachsen-Anhalt gefördert wird. Kalkofen hat bislang auf die Produktion von Kartoffeln und Spargel gesetzt. An das Schnecken-Projekt aber hat sie ihr Herz verloren. Dabei soll innerhalb von zwei Jahren erforscht werden, wie die mediterranen Weinbergschnecken komplett verwertet werden können.
Grüne Woche mit Schnecken-Pastete aus der Altmark
Das Fleisch der Schnecken enthält kein Fett, dafür jede Menge Proteine. Allerdings hat es auch kaum Eigengeschmack. Deshalb ist die Forschungsarbeit der Hochschule Anhalt in Bernburg wichtig: Die Wissenschaftler haben spezielle Verfahren entwickelt, wie das Fleisch verarbeitet werden kann, außerdem Rezepte, die es schmackhaft machen.
Während des Landeserntedankfestes im September in Magdeburg und zur Grünen Woche im Januar in Berlin war den Besuchern erstmals Pastete aus Cobbeler Schnecken angeboten worden. Einige sträubten sich zunächst, erinnert sich Carmen Kalkofen, weil sie den Gedanken schlecht ertrugen, Schnecken zu essen. Wer sich aber überwand, fand die Pasteten recht lecker.
Schneckenhäuser und -schleim sollen auch verwertet werden
Geforscht wird zudem an der Verwertbarkeit der Schneckenhäuser. Sie bestehen aus Kalk, der unter anderem als Dünger genutzt werden könnte. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts Dresden untersuchen parallel die Nutzbarkeit des Schneckenschleims. Schon jetzt wird er unter anderem in der Kosmetik-Industrie eingesetzt. Die Dresdner Forscher wollen herausfinden, ob er für Bio-Polymere genutzt werden kann.
Die Baby-Schnecken in Cobbel sind die ersten, die tatsächlich für diese drei Forschungsrichtungen gemästet werden. Es dauert nur ein Dreivierteljahr, bis sie ausgewachsen sind. Im Moment sind sie nicht größer als ein halbes Maiskorn und weißlich-gelb. Und erstaunlich fix, sagt Carmen Kalkofen, die die winzigen Tiere vor allem auf den Unterseiten der Deckel der Geburtskisten findet.
Fördermittel für die Fleisch-Alternative laufen 2024 aus
Das Pilotprojekt allerdings endet nach knapp zwei Jahren zum Ende des Jahres. Dann laufen die Fördermittel in Höhe von etwa 800.000 Euro aus. Dabei bräuchte man ungefähr noch zwei Jahre, um wirklich fundierte Kenntnisse zu erlangen, sagt Carmen Kalkofen. Sie wolle weitermachen, so oder so – aus Neugier, aber auch, weil sie in das Schneckenprojekt eine gehörige Summe ihres eigenen Kapitals gesteckt habe.
Also hat sich Carmen Kalkofen auf die Suche nach Partnern gemacht, um zumindest das Schneckenfleisch weiter auf den Markt zu bringen, berichtet sie. Sie sei fündig geworden: Eine Feinkost-Firma aus Sachsen-Anhalt werde mit ihr das Risiko eingehen. Gerade beantrage Kalkofen eine Schlachtgenehmigung für die Schnecken. Davon ahnen die winzigen Baby-Schnecken in der gekühlten Kinderstube in Cobbel aber nichts.
MDR (Katharina Häckl, Maren Wilczek)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. März 2024 | 07:10 Uhr
Anni22 vor 39 Wochen
@ Steffen Nun ich ess das auch nicht, auch keine Muscheln, aber irgendwem wird es schon schecken. Nur was da nun groß erforscht werden muss?! Frankreich hat schon lange Schneckenfarmen ... Guten Hunger ;-)!
Basil Disco vor 39 Wochen
Wenn mich nicht alles täuscht sind Schnecken auch Tiere. Inwiefern bietet das Projekt dann eine Alternative zu Fleisch? Zumal die Tiere in einer klimatisierten Umgebung leben, die nur mit erheblichem Energieaufwand stabil gehalten werden kann. Hinzu kommt die Energiebilanz der Tiere selbst. Wie viel pflanzliches Futter braucht man, um eine bestimmte Menge Schneckenfleisch zu erzeugen? Das dann auch noch so fade ist, dass es aufwendig weiterverarbeitet werden muss? Insgesamt scheint mir die Sache aus ökologischer Sicht nicht zielführend zu sein,
Graf von Henneberg vor 39 Wochen
Schön...Schlachtgenehmigung für Schnecken. In Frankreich kommen die aus dem Lachen nicht mehr raus.