Zwei Männer stehen vor einem Aktenschrank und schauen sich herausgenommene Unterlagen an. 3 min
Stuart Manlove hat viele Promis abgelichtet. Darunter Uwe Seeler oder Rudi Carrell. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Leute aus der Altmark Jimi Hendrix in Hamburger Bar abgelichtet

31. März 2024, 19:45 Uhr

Vor vier Jahren zog Stuart Manlove von Hamburg aus ins altmärkische Badingen. Dort sanierte er eine alte Schule und schuf sich so ein kleines Paradies abseits des Großstadttrubels. In jungen Jahren fotografierte der heute 75-Jährige reihenweise die westdeutsche Prominenz. Ein Besuch.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
Bildrechte: MDR/Hannah Singer

Dutzende Porträts hängen an der Wand: Showmaster Rudi Carrell, Altbundestrainer Sepp Herberger, Fußballer Uwe Seeler, Schauspieler Gerd Fröbe, Sängerin Daliah Lavi. "Die sind schon alle tot", sagt der 75-jährige Stuart Manlove in breitem hamburgerisch. Fotografiert hat er die Prominenten vor mehr als 50 Jahren. Sie alle zogen bei der Nordwestdeutschen Klassenlotterie (NKL) jeweils freitags die Glückszahlen. Zwischen 1969 und 1972 bekam Manlove, der einen englischen Vater hat, so rund 140 Prominente vor seine Linse – das Who is Who der bundesrepublikanischen Prominenz.

Ein aufgeklapptes Fotoalbum zeigt ein Foto eines Mannes.
Der junge Rudi Carrell. Fotografiert von Stuart Manlove. Bildrechte: NKL Hamburg

Fotografie als Handwerk

"Meine Mutter arbeitete bei der Lotterie als Sekretärin, erzählt Manlove, der seit mittlerweile vier Jahren in Badingen, im Landkreis Stendal, lebt. Als bei der NKL ein Fotograf gesucht wurde, da war er zur Stelle. Er hatte Fotolaborant gelernt, später wurde er Fotograf, führte ein Fotostudio. Als das Angebot zum Fotografieren der Freitagsziehungen der Lotterie kam, da war er erst Anfang zwanzig. "Teilweise war ich schon mächtig aufgeregt", erzählt Manlove. Seinerzeit war Fotografieren noch eine ganz andere Sache, ein Handwerk. "Da musste man sich mit Blenden, Belichtung und Filmwechsel auskennen", sagt der Profi. Ganz anders als heute, wo einem die Fotoapparate im Zweifel alles abnehmen und man nur noch den Auslöser durchdrücken muss.

Polizei beim Fototermin

"Die Ziehung war meist schnell erledigt, oft schon nach 20 Minuten", sagt Manlove. Kaum vorstellbar in der heutigen Medienwelt: Nur die rund 20 bis 30 Zuschauer bekamen die Ziehungen mit, Fernsehkameras gab es nicht. Die Fotos von Stuart Manlove kamen in ein Gästebuch, mehr Publicity war nicht. Vielleicht auch deshalb gaben sich viele der Prominenten äußerst locker. "Rudi Carrell hat sich auf den Tisch gesetzt und loserzählt", erinnert sich Manlove. Er kann einige Anekdoten erzählen. Zum Beispiel die von Volksschauspieler Willy Millowitsch. "Der hatte sich beim Aussteigen aus dem Taxi den Finger eingeklemmt. Da kam erst ein Arzt und später auch noch die Polizei." 

Man sieht einen Mann, der eine Kamera ins Bild hält. Hinter ihm hänge Fotos von Menschen an der Wand.
Stuart Manlove vor seiner Fotowand. Bildrechte: Bernd-Volker Brahms

Stuart Manlove kann sich bei seinen Erzählungen auf seine fotografischen Belege stützen. Fein säuberlich hat er in seinem Keller in einem Stahlschrank zu jedem Prominenten eine Mappe angelegt. "Da sind die Kontaktabzüge drin, manchmal auch ein Autogramm", sagt er. Die Negative sind ihm allerdings bei einem seiner Umzüge abhandengekommen.

Schule auf Ebay gekauft

Von Hamburg aus zog es Stuart Manlove auf seine alten Tage in die Altmark. Als vor vier Jahren bei ihm eine Eigenbedarfskündigung seines Vermieters in den Briefkasten flatterte, da fand er im Internet über Ebay die alte Schule in Badingen. Bis dato hatte er weder von der Altmark noch von dem kleinen Örtchen bei Stendal gehört. Das runtergewirtschaftete Gebäude stand zum Verkauf. "Es war klar, dass viel gemacht werden musste", sagt Manlove. Bewohnbar war das Haus nicht mehr. Für knapp 30.000 Euro hatte er es gekauft. Mit seiner Lebensgefährtin machte er sich an die Arbeit. Gewohnt wurde zunächst in einem Nebengelass.

In schwarz-weiß ist ein altes Haus zu sehen. 1 min
Zum Hören: Stuart Manlove darüber, was er bei der Renovierung in der alten Schule gefunden hat Bildrechte: MDR
1 min

MDR FERNSEHEN Sa 30.03.2024 12:42Uhr 00:56 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/stendal/stendal/audio-stuart-manlove-renovierung-alte-schule100.html

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Heute gleicht das Haus mit seinen teils riesigen ehemaligen Klassenräumen einem Museum. Viele alte Möbel, Uhren und Antiquitäten sind hier zu bestaunen. "Teilweise habe ich die sogar noch hier auf dem Flohmarkt gekauft", sagt Manlove, "aber die Zeiten sind vorbei." Natürlich dürfen auch alte Fotoapparate in der Sammlung nicht fehlen. Selbst seine allererste Kamera, eine in Dresden produzierte Exakta mit Objektiv von Carl-Zeiss Jena, hat er zu bieten. "Die habe ich mir mit Gemüseaustragen verdinet", sagt er. Eines der großen Klassenzimmer hat er zu einem nostalgischen Fotostudio hergerichtet. Neben Leuchten und Hintergrundleinwänden hat er hier auch die Porträts der Prominenten an einer Wand versammelt. Die ursprünglichen Schwarzweißabzüge hat Stuart Manlove in verschiedenen Farben gestaltet – sie erinnern dabei ein wenig an Kunstwerke von Andy Warhol.

Jimi Hendrix vor der Linse

Auf einem der Bilder ist auch der legendäre Musiker Jimi Hendrix zu sehen. "Der war nicht bei der Lotterie dabei", sagt Manlove mit einem Schmunzeln. Den hatte er schon 1966 in einer Bar auf der Reeperbahn fotografiert. "Eine Bekannte wollte ein Foto mit ihm zusammen machen", erzählt er. "Erst später habe ich mitbekommen, was der für ein großer Star geworden ist."  

Ich verstehe nicht, warum man das Haus so hat verkommen lassen.

Stuart Manlove
Ein Mann mit grauen Haaren steht vor einer Wand und zeigt auf ein dort hängendes Foto. 1 min
Zum Hören: Stuart Manlove über sein Treffen mit Jimi Hendrix. Bildrechte: Bernd-Volker Brahms/MDR
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Viel Platz hat er in der alten Schule. Die Polytechnische Oberschule "Hermann Dunker" in Badingen war bereits 1984 geschlossen worden. "Ich verstehe nicht, warum man das Haus so hat verkommen lassen", sagt Stuart Manlove. Abgesehen von den großen Raummaßen und großen Fenstern erinnert heute nicht mehr viel an den ehemaligen Zweck. Beim Sanieren der 13 Räume hat der Hamburger nur noch ein paar Relikte entdeckt: im Keller eine Kreidetafel und im Obergeschoss im ehemaligen Direktorenzimmer einen in die Wand montierten Holzschrank. "Bei dem habe ich die Scheiben wieder eingesetzt", sagt er.

Noch mal würde Stuart Manlove einen solchen Kraftakt wie der Sanierung einer Schule nicht auf sich nehmen. "Manchmal war ich zwischendurch schon verzweifelt", sagt er. "Jetzt bin ich froh, wie es alles geworden ist." 

MDR (Bernd-Volker Brahms, Sebastian Gall) | Erstmals veröffentlicht am 31.03.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. April 2024 | 19:00 Uhr

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