
Zuwanderung Immer mehr Tschechen zieht es zum Wohnen nach Sachsen
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12. Juli 2024, 05:00 Uhr
Jahrelang strömten die Sachsen in Scharen ins "Schnäppchenparadies" Tschechien, um preiswert zu essen, zu tanken, sich frisieren zu lassen und deutlich billiger Lebensmittel und Zigaretten zu kaufen. Doch die Preise haben sich immer weiter angenähert und in einem Bereich sogar umgekehrt. Wohnraum ist in Tschechien inzwischen teils deutlich teurer als in Sachsen. Deshalb suchen immer mehr Menschen aus dem Nachbarland diesseits der Grenze nach Schnäppchen für das Leben in den eigenen vier Wänden.
In Sachsen steigt die Zahl der Einwohner mit tschechischer Staatsbürgerschaft. Laut dem Statistischen Landesamt waren es Ende 2023 mehr als 9.700. Zehn Jahre zuvor lag die Zahl noch unter 4.000. Am höchsten ist der tschechische Bevölkerungsanteil demnach in Chemnitz, im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und im Kreis Görlitz, zu dem Zittau gehört.
Vladan Hruška ist vor vier Jahren aus Prag in die Grenzstadt am Dreiländereck gezogen, zunächst in eine Mietwohnung. Jetzt hat er ein altes Einfamilienhaus in der Nähe des Zittauer Bahnhofs gekauft. Das muss allerdings noch komplett saniert werden, bevor er mit seiner Frau und den beiden Kindern einziehen kann. In Prag hätte sich die Familie kein vergleichbares Haus leisten können, sagt Hruška. Und auch in der tschechischen Grenzregion würden die Immobilienpreise deutlich über denen von Zittau liegen. Im rund 25 Kilometer entfernten Liberec hätte er für ein Haus etwa dreimal so viel bezahlt, erklärt er.
Fast wie zu Hause
Doch die günstigen Immobilienpreise seien nicht der einzige Grund gewesen, sich in Zittau niederzulassen. Die Familie habe in einer Kleinstadt mit Natur in der Umgebung wohnen wollen und nicht zu weit weg von der Heimat. Hruška zeigt aus dem Fenster, von dem aus das Zittauer Gebirge und der in seiner tschechischen Heimat liegende Berg Jeschken zu sehen sind – alles schnell zu erreichen.
Neben der Lage hat Zittau für Menschen aus dem Nachbarland, vor allem für Familien, noch einen Pluspunkt: Hier gibt es eine zweisprachige Grundschule, wo in Tschechisch und Deutsch unterrichtet wird. Viele Kinder aus benachbarten Gemeinden jenseits der Grenze lernen dort. Das könne auch für Erwachsene ein "Eisbrecher" sein, erklärt Vladan Hruška: "Da sind die Kinder zuerst hingegangen. Und dann haben die Eltern irgendwie die Angst vor Deutschland verloren und sind dann auch nach Deutschland umgezogen."
Offene Arme, aber keine Anwerbung
Inzwischen leben nach Angaben der Stadtverwaltung mehr als 500 tschechische Staatsbürger in Zittau. Das sei angesichts des reichlichen Leerstandes eine gute Sache. Dennoch wirbt die Stadt nicht aktiv um Zuzügler aus den benachbarten Regionen. Den Grund erklärt Oberbürgermeister Thomas Zenker (parteilos): "Auch im tschechischen Finanzsystem sind die Städte darauf angewiesen Einwohner zu haben. Es gibt die unausgesprochene Regel, dass wir nicht beieinander und innerhalb derer Zuständigkeit um Einwohner werben."
Familie Hruška aus Prag ist auf jeden Fall nach Zittau gekommen, um zu bleiben. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis sie in ihr eigenes Haus ziehen können. Sie haben erst vor Kurzem die Baugenehmigung der Stadt erhalten. Nun müsse am neuen, alten Eigenheim erstmal der Putz, das Dach sowie Strom- und Wasserleitungen erneuert werden.
MDR (stt/nbu)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 11. Juli 2024 | 07:48 Uhr