PK zum Themenjahr jüdische Kultur 2026 in Sachsen
Auf der Pressekonferenz zum "Jahr der jüdischen Kultur im smac Chemnitz: Das Themenjahr soll 2026 dem jüdischen Leben in Sachsen Sichtbarkeit verschaffen. Bildrechte: Laura Frenzel, smac

"Jahr der jüdischen Kultur" 2026 will Sachsen "Tacheles" reden

07. März 2024, 20:25 Uhr

Sachsen begeht 2026 ein "Jahr der jüdischen Kultur" – 100 Jahre nach Gründung des ersten sächsischen Landesverbandes der jüdischen Gemeinden. Unter der Überschrift "Tacheles" sollen Projekte, Veranstaltungen und Ausstellungen im ganzen Freistaat die reichhaltige jüdische Kultur und Geschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sichtbar und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Motto: "Jüdisch – Sächsisch – Mentshlich".

Das Themenjahr zur jüdischen Kultur in Sachsen 2026 steht unter der Überschrift "Tacheles". Dabei gehe es nicht darum, worüber Tacheles geredet werden soll, sondern viel mehr darum, wer eigentlich Tacheles redet, sagt Nora Pester bei MDR KULTUR. Sie ist die Sprecherin des Projektteams und Verlegerin in Leipziger. Denn das erklärte Ziel sei es, vor allem den jüdischen Stimmen Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen. Dabei wolle man die Vielzahl an Akteurinnen und Akteuren einzubeziehen, die sich seit Jahrzehnten für diese Themen in Sachsen engagieren.

Erst 2021 fand das Festjahr "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" statt. Dass es mit dem Themenjahr 2026 noch einmal einen konkreten sächsischen Blick auf das jüdische Leben gibt, begründet Pester mit der lebhaften Debatte zwischen Leipzig und Dresden über den Standort für ein jüdisches Museum in Sachsen. Daraus habe sich die Idee für ein Themenjahr entwickelt. Man wolle 2026 schauen, was es alles gibt. Außerdem wird in dem Jahr noch ein Jubiläum begangen: Die Gründung des ersten sächsischen Landesverbandes der jüdischen Gemeinden.

Der Begriff "Tacheles" - Erklärung aus der Pressemitteilung Das aus dem Jiddischen bzw. Hebräischen stammende Wort "Tacheles" steht für die freie Meinung und das daraus resultierende offene Gespräch, den Diskurs, den Dialog auf Augenhöhe; und in der Programmatik des Themenjahres für das Selbstbewusstsein und die Selbstverständlichkeit jüdischer Stimmen und Perspektiven in Sachsen. Ihnen soll menschlich, gesellschaftlich und kulturell – historisch und gegenwärtig – Gehör und Sichtbarkeit verschafft werden. "Tacheles" bedeutet Freiheit – aber auch Verantwortung. Keine Meinungsbildung ohne Bildung.

smac Chemnitz koordiniert das Themenjahr

Das Projektteam des Themenjahres ist am Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) unter der Museumsleiterin Sabine Wolfram im früheren Schocken-Kaufhaus angesiedelt. Damit befindet sich sein Sitz an einem zentralen Ort jüdisch-sächsischer Geschichte.

Am Beginn der Planungen gab es Kritik und Unverständnis seitens der jüdischen Community. Viele, die sich seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet engagieren, fühlten sich zu wenig eingebunden. Pester sagte nun im Gespräch mit MDR KULTUR, dass man bemüht sei, alle Beteiligten mitzunehmen. Anspruch und Ziel dieses Themenjahres sei es, jüdische Perspektiven erzählen zu lassen.

Das sei in Bezug auf das "Jahr der jüdischen Kultur" nun auf vielen Ebenen schon sehr gut gelungen. Man sehe das an dem hochkarätigen und paritätisch besetzten Kuratorium, dass männlich und weiblich sowie jüdisch und nichtjüdisch besetzt ist. Mit dabei sind unter anderem Landesrabbiner Zsolt Balla, die Vorsitzenden der jüdischen Religionsgemeinden Chemnitz und Dresden oder auch Rachel Edelmann, eine Nachfahrin der Schocken-Familie.

Kultur

Nora Pester, Sprecherin des Projektteams 9 min
Bildrechte: Laura Frenzel, smac
9 min

Unter dem Titel "Tacheles" begeht der Freistaat Sachsen 2026 ein landesweites "Jahr der jüdischen Kultur." Im Gespräch dazu Nora Pester.

MDR KULTUR - Das Radio Do 07.03.2024 16:10Uhr 08:50 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/pester-sachsen-juedisches-themenjahr100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Küf Kaufmann, der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, fungiert als künstlerischer Berater. Geleitet wird das Kuratorium des Themenjahres zum einen von Nora Goldenbogen, der Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Sachsen und von Barbara Ludwig, der Oberbürgermeisterin a. D. der Stadt Chemnitz. Die Projektleitung hat die Leipziger Kulturwissenschaftlerin Anja Lippe übernommen.

Jüdisches ist bei vielen Menschen tabubehaftet. Die trauen sich nicht zu reden oder Fragen zu stellen. Aber sie haben Fragen.

Weil Jüdisches bei vielen Menschen tabubehaftet sei, so Nora Goldenbogen, würden sie sich nicht trauen, Fragen zu stellen, obwohl sie welche haben. "Sie brauchen auch Menschen, Orte und Möglichkeiten, diese loszuwerden." Die Leiterin des Kuratoriums des Themenjahres kritisiert bei MDR KULTUR, dass viele Medien bestimmte Dinge aus diesem Bereich nur pauschal oder sehr allgemein abhandeln. "Gute Veranstaltungen können dazu beitragen, dass man auch konkreter werden kann", sagt Goldenbogen. "Sehr wichtig ist auch, dass wir den Bereich Kinder und Jugend noch breiter aufstellen als vorher."

Terrorangriff vom 7. Oktober hat Konzept beeinflusst

Nora Pester betont, dass sich das Themenjahr explizit nicht als Aktionsjahr gegen Antisemitismus versteht. Aber die aktuellen Umstände würden die Planung und Konzeptionierung natürlich beeinflussen – denn jüdisches Leben drohe wieder unsichtbarer zu werden aufgrund der Sicherheitslage, auch in Deutschland. Dem wolle man aktiv entgegenwirken und Solidarität mit Jüdinnen und Juden zeigen - egal, wo diese herkommen. Antisemitismus bedroht laut Pester nicht nur jüdische Gemeinden, sondern die gesamte gesellschaftliche Ordnung.

Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch betonte bei der Vorstellung des Themenjahres, dass der 7. Oktober 2023 noch einmal gezeigt habe, wie wie wichtig es ist, Wissen zu vermitteln und immer wieder zu sensibilisieren. Sie sagte MDR KULTUR, dass deshalb das Thema jüdische Kultur im Vordergrund stehe.

Sowohl die Geschichte aufzuzeigen, aber auch den Blick in die Gegenwart zu richten und auch in die Zukunft zu schauen, auch junge Menschen hier zu begeistern: Was heißt jüdische Kultur für den Freistaat Sachsen? Sie ist ein Bestandteil unseres kulturellen Schatzes.

Barbara Klepsch, Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus

Man wolle 2026 die Geschichte aufzeigen, aber auch den Blick in die Gegenwart richten und in die Zukunft schauen. Es gehe darum, so Klepsch, auch junge Menschen hierzulande zu begeistern: "Was heißt jüdische Kultur für den Freistaat Sachsen?", fragt die Kulturministerin und antwortet direkt: "Sie ist ein Bestandteil unseres kulturellen Schatzes."

v.l.m.r. Nora Pester, Nora Goldbogen, Barbara Klepsch und Barbara Ludwig
Pressekonferenz zum "Jahr der jüdischen Kultur" - v.l.n.r.: Nora Pester, Nora Goldbogen, Barbara Klepsch und Barbara Ludwig Bildrechte: Laura Frenzel, smac

Auftakt schon 2024 mit einer Konferenz

Die Planung läuft nun und orientiert sich laut den Organisatoren am jüdischen Feiertagskalender: Eröffnet werde es am 14. Dezember 2025 mit der ersten Chanukka-Kerze, hieß es bei der Ankündigung am Donnerstag. Zu Ende gehe das Themenjahr dann am 12. Dezember 1926 mit der letzten Chanukka-Kerze.

Die ersten Veranstaltungen soll es aber bereits vor diesem Zeitraum geben. Im November 2024 ist eine Konferenz in Chemnitz anlässlich "35 Jahre jüdische Migration in Deutschland" geplant. Denn einen Großteil des gegenwärtigen jüdischen Lebens verdanke man der Zuwanderung von Jüdinnen und Juden aus der Sowjetunion, sagt Projektsprecherin Pester. Das habe die letzte Volkskammer der DDR 1990 in einem Beschluss durchgesetzt und in den Einigungsvertrag eingetragen.

Quellen: MDR KULTUR (Grit Krause, Ilka Hein), Pressemitteilung der Sächsischen Staatsministerin für Kultur und Tourismus und des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz (smac)
Redaktionelle Bearbeitung: jb, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 07. März 2024 | 16:10 Uhr

Mehr aus der Region Chemnitz

Mehr aus Sachsen