Wenige Wochen bis Fristende Droht dem Regenbogenhaus Zwickau die Zwangsräumung?
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05. November 2023, 15:03 Uhr
Die lange Hängepartie um das Regenbogenhaus Zwickau scheint in die finale Phase zu gehen. Seit zehn Jahren ist die Wohnunterkunft für arme Menschen in einem Gewerbegebiet von der Stadt nur geduldet. Die alkohol- und drogenkranken Bewohner sollen spätestens bis Jahresende in einen sanierten Altbau umziehen. Doch für die Männer und Frauen steht fest: Sie wollen hier nicht raus!
- Für viele alkohol- und drogenkranke Menschen ist das Regenbogenhaus Zwickau letzte Zuflucht.
- Obwohl Wohnen schon seit zehn Jahren untersagt ist, wehren sich die Bewohner gegen den Auszug.
- Während sich die Betreiberin Kerstin Täuber getäuscht sieht, hält die Stadt noch an einer Einigung mit ihr fest.
Ein Mann mit langen, grauen Haaren fegt vor einer langen Baracke. Peter wohnt seit 2008 im Regenbogenhaus Zwickau. Er kümmert sich um die Hausmeisteraufgaben, die in der Unterkunft für sozial Bedürftige anfallen. "Ich bin das Mädchen für alles" sagt der 64-Jährige und lacht.
Vor mehr als 15 Jahren lässt sich Peter scheiden. Er trinkt viel und sucht in Zwickau vergeblich eine Wohnung. Zuflucht findet er im Regenbogenhaus. "Auf der Straße hätte ich mich tot gesoffen", sagt Peter. Hier habe er eine Aufgabe und trinke dadurch viel weniger als früher.
Wohnbaracke als letzter Zufluchtsort
Den anderen 26 Bewohnern des Regenbogenhauses erging es ähnlich wie Peter. Viele saßen jahrelang hinter Gittern, sind alkohol- und drogenabhängig und fanden wegen Mietschulden keine Wohnung mehr. Auch für Elvis sei die Wohnbaracke die Rettung gewesen, erklärt er. Vor elf Jahren stirbt seine Mutter. "Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Ich wusste nicht weiter." Der Mann sei verwahrlost in seiner Wohnung gefunden. Seitdem wohnt der heute 41-Jährige im Regenbogenhaus.
Desolate Wohnverhältnisse
Die Wohnbaracke aus den 1970er Jahren wirkt außen wie innen desolat und abgewohnt. Über einen langen Flur schließen sich links und rechts Einzelzimmer an, in denen sich 26 Mieterinnen und Mieter eingerichtet haben. Sie sind mit gespendeten Möbeln ausgestattet worden. Die Wohnräume und Toiletten sind bis auf ein paar Schönheitsreparaturen auf dem Stand von vor 50 Jahren. Und dennoch könnten sich Peter, Elvis und die anderen Bewohner nichts Besseres vorstellen.
Seit zehn Jahren Nutzung nur geduldet
Doch das Regenbogenhaus steht vor dem Aus - zumindest am aktuellen Standort. Seit zehn Jahren duldet die Stadt die Unterkunft inmitten eines Gewerbegebietes in Zwickau-Pölbitz. Dauerhaftes Wohnen ist dort laut Bauordnungsamt untersagt. Das hatte das Oberverwaltungsgericht Bautzen bestätigt. Nun hat die Stadt den Bewohnern eine Frist gesetzt. Bis Ende Dezember sollen sie ausziehen in einen wenige Kilometer entfernten sanierten Altbau.
Bewohner wehren sich gegen Auszug
In dem sanierten Gebäude in der Erlmühlenstraße stehen modern sanierte Wohnungen bereit - mit neuen Toiletten, Gemeinschaftsräumen- und küchen. Doch das sei alles andere als passend, meint Diana. Sie wohnt seit 2009 im Regenbogenhaus. "In den neuen Wohnungen hätte keiner Privatsphäre", befürchtet die 36-Jährige. Denn: Dort befinden sich die Wohnungen auf mehreren Etagen und nicht auf einer Ebene wie im jetzigen Regenbogenhaus. Die familiäre Gemeinschaft würde dadurch zerstört, sagt Diana.
Wir wollen aus dem Regenbogenhaus nicht raus.
Zudem müssten manche Bewohner zusammen in einem gemeinsamen Zimmer wohnen, fügt Eve hinzu: "Man kann uns nicht einfach zusammen in ein Zimmer stecken. Einzelzimmer sind wir aus der Haft gewohnt." Ohne dass einer der Bewohner selbst die neuen Wohnungen besichtigt hat, heißt der Tenor: "Wir wollen aus dem Regenbogenhaus nicht raus!"
Betreiberin als Anker der Gemeinschaft
Peter und Elvis sitzen zusammen mit den anderen Bewohnern auf dem Sofa und reden miteinander. Eine Frau mit langen, roten Haaren schaut zur Tür hinein. "Unsere Mume!", ruft Ronny und umarmt sie. Kerstin Täuber betreibt das Regenbogenhaus seit 2008 als selbstständige Unternehmerin. Für die 23 Männer und drei Frauen, die im eingemietet sind, ist sie einfach nur die "Muttern". Täuber hat nur ein Ziel: Das Regenbogenhaus muss an Ort und Stelle bleiben.
Das ist wie, wenn man eine Familie auseinanderreißt.
Sie befürchtet, dass die Wohngemeinschaft in der neuen Wohnunterkunft über mehrere Wohnungen und Etagen verteilt auseinanderbricht. "Das ist wie, wenn man eine Familie auseinanderreißt", sagt die 63-Jährige, die die Baracke von der Stadt angemietet hat. Andere von der Stadt in den vergangenen Jahren angebotenen Alternativen seien nicht finanzierbar gewesen, sagt sie.
Falsche Versprechungen?
Das Vertrauen habe sie in die Stadt verloren, sagt Täuber. Ihr sei im Oktober 2021 von mehreren Stadtvertretern versprochen worden, dass das Regenbogenhaus in der Baracke bleiben könne. Einen Tag später sei das deutliche Nein von Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt gekommen, mit dem Hinweis, dass die Amtsträger ihre Kompetenzen überschritten hätten.
Von diesem Verhalten sei Täuber sehr enttäuscht, erzählt sie aufgeregt: "Die haben mich die ganzen Jahre über verkohlt." Mittlerweile laufe die Kommunikation mit der Stadt Zwickau nur noch über ihre Anwälte.
Angebote der Stadt nicht angenommen
Zwickaus Baubürgermeisterin Silvia Queck-Hänel bedauert diesen Vorfall vor zwei Jahren sehr. Es sei ein unfaires Signal an Täuber gewesen. Denn: bereits damals sei klar gewesen, dass es mit dem Regenbogenhaus in Zwickau-Pölbitz nicht weitergehen kann. Eine Sanierung des Objektes sei finanziell unverhältnismäßig: "Der Brandschutz ist dort in keiner Weise erfüllt. Die Bewohner befinden sich jeden Tag in einer unsicheren Lebenssituation. Das können wir nicht mehr tolerieren."
Die Bewohner befinden sich jeden Tag in einer unsicheren Lebenssituation. Das können wir nicht mehr tolerieren.
Queck-Hänel versteht die abwehrende Haltung von Täuber und den Bewohnern nicht. Besichtigungstermine der neuen Wohnungen habe auch keiner wahrgenommen. Nur Täuber habe die Wohnunterkunft im Frühjahr besichtigt. Zu den extra von ihr angebotenen Sprechstunden sei auch keiner gekommen, sagt die Baubürgermeisterin.
Baubürgermeisterin spricht Zwangsräumung an
Doch was passiert, wenn niemand bis zum Stichtag 31.12. auszieht? "Wir lassen niemanden ins offene Messer laufen", sagt Queck-Hänel und: "Keiner muss befürchten, dass sofort eine Zwangsräumung erfolgt." Zudem sei niemand gezwungen, in die neue Unterkunft zu ziehen, sondern könne eine andere Sozialwohnung oder Gemeinschaftsunterkunft beziehen.
Kommt es zu keinem freiwilligen Auszug, behalte sich die Stadt weitere juristische Schritte vor, sagt Queck-Hänel, ohne diese genauer zu benennen. Sie wolle das jedoch vermeiden und wünscht sich eine friedliche Einigung: "Wir wollen, dass Kerstin Täuber als wichtiger Anker für die Bewohner erhalten bleibt." Aber man behalte sich Alternativen vor. Gespräche mit einem Freien Träger als neuen Betreiber der Wohnunterkunft gibt es laut Stadtverwaltung bereits.
Bisher keine Alternative
Kerstin Täuber rennt die Zeit davon. Hat sie eine Alternative, wenn die Frist für das Regenbogenhaus um ist? "Einen Plan B haben wir nicht", sagt sie.