Jubiläum 150 Jahre Deutscher Alpenverein in Dresden: Was Sachsen und Tirol verbindet

09. April 2023, 09:00 Uhr

150 Jahre - so lange gibt es am Ostersonntag die Sektion Dresden des Deutschen Alpenvereins. Zum Jubiläum blickt der 2. Vorsitzende Ludwig Gedicke auf die wechselhafte Geschichte der Sektion zurück. Neben dem Sport war der Alpenverein für den gebürtigen Dresdner nach der Flucht aus der DDR auch ein Stück Heimat. Symbol dafür war die "Dresdner Hütte" in den Stubaier Alpen in Tirol. Heute treiben ihn andere Themen um: Vor allem die Nachwuchsgewinnung und der Umweltschutz liegen ihm am Herzen.

Herr Gedicke, die Sektion Dresden des Deutschen Alpenvereins begeht am Sonntag ihren 150. Geburtstag. Warum hat man damals in Dresden überhaupt einen solchen Verein gegründet?

Ludwig Gedicke: Das war mehr oder weniger von außen initiiert. Vor fast 160 Jahren kam der österreichische Pfarrer Franz Senn unter anderem in Begleitung von Johann Stüdl, einem Prager Kaufmann und begeistertem Bergsteiger und Alpinisten, nach Dresden. Hintergrund war, dass die Bevölkerung im Ötztal und im Stubaital den Anschluss an die Industrialisierung verloren hatte. Gemeinsam mit verschiedenen Bergsteigern reiste der Pfarrer durchs Land, um den Tourismus in den Alpen anzukurbeln. In Dresden fiel das auf fruchtbaren Boden, weil es dort schon Bergsteiger und Kletterer gab, die das Elbsandsteingebirge mit erschlossen hatten.

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Abseilen an der Brosinnadel Bildrechte: MDR/Holger Lieberenz

Die politischen Veränderungen in Europa haben auch in der Sektionsgeschichte ihre Spuren hinterlassen. Welche Einschnitte gab es?

Zu nennen wäre da beispielsweise, dass wir nach dem I. Weltkrieg alle unsere Hütten in Südtirol verloren haben. Ein Einschnitt waren auch die Nürnberger Rassegesetze ab 1935. Dadurch verloren wir jüdische Mitglieder beziehungsweise durften sie gar nicht erst aufnehmen.

Am Ende des II. Weltkriegs büßten wir unsere noch verbliebene "Dresdner Hütte" in Tirol ein. Außerdem wurde die Sektion Dresden des Deutschen Alpenvereins in der Sowjetischen Besatzungszone im Vereinsregister gelöscht und durfte dann in der DDR auch nicht neu belebt werden. Erst 1953 wurde sie von Exildresdnern in Wuppertal wieder gegründet, zu denen ich damals als junger Bursche auch gehörte.

Was war das für ein Gefühl, im Westen eine Sektion Dresden zu gründen?

Meine Eltern mussten aus politischen Gründen die DDR verlassen und ich als Kind bin natürlich mitgegangen. Es war daher natürlich schön, die Sektion im Westen wieder zu gründen. Für mich persönlich war aber der Aufenthalt in der "Dresdner Hütte" in Tirol noch wichtiger. Die ersten Ferien nach der Flucht 1953 verbrachte ich dort und habe dadurch ein Stück verlorene Heimat zurückgewonnen. Wir wurden begrüßt, als würde uns die Hütte wieder gehören. Damals war das aber noch gar nicht der Fall.

Wie ist die aktuelle Situation? Wie viele Hütten und Mitglieder haben Sie heute?

Wir haben derzeit die "Dresdner Hütte" (2.308 Meter hoch) und die "Hochstubaihütte" (3.173 Meter hoch). Letztere ist eine der höchstgelegenen Hütten, die es in den Alpen gibt. Darüber hinaus haben wir eine Unterstandshütte, die sich auf dem Weg zur "Hochstubaihütte" befindet. In der Sektion Dresden gibt es aktuell ca. 6.700 Mitglieder. Wir sind damit eine mittlere Sektion im Deutschen Alpenverein, der insgesamt 1,4 Millionen Mitglieder hat. In der Sektion wachsen wir jedes Jahr bei den Mitgliedern um vier bis fünf Prozent.

Gelingt es Ihnen, genügend junge Mitglieder zu gewinnen?

Ja, das klappt recht gut. Es gibt momentan 150 Kinder- und Jugendliche in unserer aktiven Klettergruppe. Wir versuchen, sie über das Klettern an den Bergsport heranzuführen. Dazu kooperieren wir auch mit verschiedenen Kletterhallen in Dresden.

Welche Herausforderungen sehen Sie in den nächsten Jahren?

Neben der Rekrutierung von Nachwuchs ist das vor allem der Umweltschutz. Der liegt uns von Haus aus sehr am Herzen, weil wir die Umgebung, die wir für unseren Sport nutzen, erhalten wollen. Dennoch müssen auch wir unsere CO₂-Bilanz positiver gestalten und wollen bis 2030 weitgehend klimaneutral werden. Dazu dient die vorzugsweise Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, wo immer dies möglich ist, das Fahren in Fahrgemeinschaften zu unseren Schutzhütten, die Nutzung der Sonnenenergie sowie die Versorgung der Gäste mit Produkten aus der Region, um nur einige konkrete Dinge zu nennen.

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BRISANT Do 15.09.2022 17:15Uhr 03:05 min

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150 Jahre wird man nur einmal. Wie begeht die Sektion Dresden das Jubiläum?

Am 3. Juni wird es eine Festveranstaltung in Dresden mit 150 Gästen geben. Daran nehmen unter anderem der Präsident des Deutschen Alpenvereins und der Dresdner Oberbürgermeister teil. Am 15. Juli ist zudem auf der "Dresdner Hütte" in Tirol eine kleine Party mit Abendessen geplant. Außerdem unternehmen die angereisten Gruppen aus Dresden natürlich Touren in die Alpen. Eine weitere Aktion besteht darin, dass wir als Sektion im Laufe des Jahres 150 Berggipfel besteigen wollen. Damit haben wir schon vor dem Jubiläum angefangen.

Mit 83 Jahren sind Sie noch immer im Bergsport aktiv und blicken auf 70 Jahre Mitgliedschaft im Deutschen Alpenverein zurück. Gibt es noch bestimmte Ziele, die Sie sich gesetzt haben?

Neue Ziele gibt es keine mehr, aber bei den Herausforderungen der Zunft will ich gern meinen Beitrag leisten. Ich habe in meinem Leben auf drei Kontinenten viele Berge gesehen und Gipfel bestiegen. Ich wünsche den künftigen Generationen, dass sie mit Verantwortung und mutig die Herausforderungen der Zukunft annehmen und die anstehenden Probleme lösen mögen. Ich werde, so lange es geht, die heimische Bergwelt, vor allem im Elbsandstein und in den Alpen genießen und mich an ihrer Schönheit erfreuen.

Zahlen und Fakten: Die Sektion Dresden des Deutschen Alpenvereins wurde am 9. April 1873 gegründet.

Ab 1953 befand sich die Sektion im Exil - erst in Wuppertal, später in Böblingen. Im Jahr 2000 wurde der Sitz wieder nach Dresden verlegt.

Zum Repertoire des Vereins gehören Wanderungen, Klettern, Ski- und Radtouren sowie Vortragsabende. Stolz ist die Sektion auf ihre Vereinshütten in den Stubaier Alpen: die Dresdner Hütte auf 2.308 Meter und die Hochstubaihütte auf 3.173 Meter. Quelle: Sektion Dresden des Deutschen Alpenvereins

MDR (sth)

1 Kommentar

kleinerfrontkaempfer am 09.04.2023

Offen bleibt wie es bei der sogenannten Rückübertragung der Immobilien nach 1090/91 zuging.
Da wurden harsche Methoden angesetzt.
Der Vorgang für Hütte unseres Vereines wurde erst mit Fürsprache eines hohen Landespolitikers und seiner guten Verbindungen in Gang gesetzt. "Ost"vereine waren für Banken ein rotes Tuch. Und der "besitzende" Westalpenverein hat gepokert und mit Spitzfindigkeiten und Tricks den zu zahlenden Kaufpreis immer weiter gesteigert. War erstmal nix mit Brüderlichkeit & Schwesterlichkeit. Durch gute Vereinsarbeit und Zusammenhalt/Zusammenschluß mehrerer DAVgliederungen gelang es schlußendlich und nun ist die Immobilie schuldenfrei und die Modernisierung geht gut voran. Berg Heil!

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