Tagung im Dresdner Hygienemuseum Wie sich Museen als Orte gelebter Demokratie verstehen
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18. September 2024, 17:40 Uhr
Welche Rolle spielen Museen in der Demokratie? Dieser Frage gehen verschiedene Akteure aus Museen, Kunst, politischer und kultureller Bildung sowie Forschung und Lehre seit Mittwoch in Dresden nach. Gemeinsam loten sie die Möglichkeiten von Museen aus, aktive Orte der Demokratie zu sein. Wie das gelingen kann, hat MDR KULTUR mit einer der Organisatorinnen des Treffens, der Leiterin des Dresdner Hygienemuseums, Iris Edenheiser, besprochen.
MDR KULTUR: Eigentlich kann man über das Hygiene-Museum sagen, dass es ein Ort der Demokratie ist. In den letzten Jahren ging es in Ausstellungen beispielsweise um Themen wie Schönheit oder zuletzt Fake. Reicht Ihnen nicht, was Sie bisher gemacht haben?
Iris Edenheiser: Danke! Dass Sie das so sehen, zeigt, dass wir da offensichtlich schon auf einem sehr guten Weg sind. Ich würde das auch bestätigen. Aber besser werden kann man natürlich immer. Und auch wir wollen noch mehr Leute erreichen. Es ist die Aufgabe von wirklich allen Museen, auch ein diverseres Publikum anzuziehen und noch mehr in die Breite zu gehen. Und jetzt kommt natürlich noch dazu, dass wir auch Orte offen halten müssen, die als Debattenorte funktionieren, wo Dialog noch funktioniert, respektvolles Miteinandersprechen.
Was meinen Sie damit, diese Orte offen halten zu müssen?
Wir erleben ja schon gesellschaftliche Entwicklungen, wo es immer schwieriger wird, über die eigene Haltung hinweg, über die eigene Blase hinweg miteinander zu sprechen. Den öffentlichen Diskurs auch respektvoll zu halten, ohne massive Ausschlüsse von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. Und ich glaube, da müssen Museen oder auch andere Kulturinstitutionen einfach weiter offene Orte sein, wo diese Debatten stattfinden können. Und die aber eben auch sicher sind in einem respektvollen Umgang miteinander.
Und wie können Museen da helfen? Durch welche Formate zum Beispiel?
Den Museen wird generell als Institution sehr viel Vertrauen entgegengebracht aus der Bevölkerung. Das wissen wir aus Umfragen. Und es muss natürlich bei uns darum gehen, Themen in ihrer Breite wirklich darzustellen – mit Ausstellungen, die sehr tief durchgearbeitet sind, die sehr stark auch mit Raumeindrücken arbeiten, die alle möglichen Sinnesebenen auch ansprechen, die nicht nur intellektuell, sondern auch emotional zugänglich sind.
Natürlich haben wir aber auch Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramme, die sehr stark über Gesprächsformate gehen, wo wir aber auch sehr viel mit spielerischen und mit immersiven Methoden mittlerweile arbeiten, um einfach andere Ebenen anzusprechen, als eine rein argumentative.
Wenn man das Programm Ihrer Tagung liest, bekommt man den Eindruck, Sie wollen den Menschen, die ins Museum kommen, fast schon die Beteiligung an der Museumsarbeit selbst ermöglichen. Stimmt dieser Eindruck?
Ja, das ist etwas, was in den letzten Jahren in vielen Museen sehr stark gemacht wird. Und da wird es dann tatsächlich demokratisch. Denn da werden Bürgerinnen und Bürger von außen "Expert*innen in eigener Sache", wie wir das auch gerne bei uns im Museum nennen, und können sich an einer öffentlichen Institution, bei der es sehr stark um Repräsentation geht, beteiligen und ihre eigenen Anliegen zum Ausdruck bringen und sozusagen auf die Bühne, in die Ausstellung bringen.
Das ist ein ganz wichtiges Element von Selbstwirksamkeit, von gestalten können, das Museen für demokratische Prozesse leisten können. Denn das ist eine wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass ich das Gefühl habe, ich bin Teil dieser Gesellschaft und ich bin mit allem, was hier passiert, auch gemeint.
Was würden Sie denn für das Deutsche Hygiene-Museum sagen: Was haben die Impulse von außen für Ihre Arbeit gebracht?
Wir sehen dadurch natürlich die blinden Flecken, die wir in der eigenen institutionellen Geschichte, in der eigenen Arbeit, in der eigenen Sammlung auch haben. Das wissen wir ja schon lange aus den Debatten um Museen, dass Museen in dem Sinne nicht neutral sind, dass ja ganz viel auch fehlt, an Geschichte von Frauen, an Kunst von Frauen, an migrantischen Positionen.
Wir haben ein großes koloniales Erbe in unseren Sammlungen. Arbeitergeschichte, Geschichte von unten ist ganz oft nicht erzählt worden. Das sind ja alles große Lücken, die wir in den Sammlungen und in den Ausstellungen haben, nach wie vor, die wir natürlich peu à peu auch auffüllen wollen. Und das machen wir am besten natürlich auch mit Stimmen von außen, aus der Stadtgesellschaft.
Wir haben außerdem auch etwas eingerichtet, das wir die Community-Werkstatt nennen. Da arbeiten wir mit Multiplikator*innen aus der migrantischen Stadtgesellschaft zusammen, um da eine gegenseitige Annäherung zu schaffen: Was interessiert euch an unserem Haus? Was findet sich aus euren Lebenswelten bei uns nicht wieder? Wie können wir euren Bedürfnissen stärker entsprechen? Das ist auch ein Bereich, in dem wir gegenseitige Annäherung versuchen und auch eigene Projekte auflegen.
Mehr Informationen:
Offen? Kritisch? Inspirierend? Museen als aktive Orte der Demokratie
Dreitägige Fachtagung für Aktive aus Museen, Kunst, politischer und kultureller Bildung, Forschung und Lehre
Initiiert vom und veranstaltet im Deutschen Hygiene-Museum Dresden und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
18. bis 20. September 2024
Quelle: MDR KULTUR (Ellen Schweda)
Redaktionelle Bearbeitung: op, tmk
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 18. September 2024 | 07:15 Uhr