Ein vergilbtes Blatt Papier und darauf eine alte Handschrift mit Feder geschrieben.
Diese "Echtheitsbestätigungen" der Handschriftenfälschungen gehören zu den historischen Dokumenten, die in der neuen Ausstellung des Goethe- und Schiller-Archivs zu sehen sind. Bildrechte: Klassik Stiftung Weimar

Ausstellung in Weimar Schiller-Fälschungen erstmals seit 160 Jahren zu sehen

16. September 2023, 04:07 Uhr

Zum ersten Mal zeigt das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar Fälschungen von Friedrich Schillers Handschriften. Sie stammen aus einem skandalösen Kriminalfall, der die Klassik-Stadt 1856 erschütterte. Auch Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach fiel seinerzeit darauf herein.

  • Der Fälscher führte zunächst ein unauffälliges Leben als Lehrer und Autor.
  • Die Begeisterung für Schiller nach dessen Tod waren der perfekte Nährboden, auf dem der Betrug gedeihen konnte.
  • Die Schriftstücke des Fälschers waren seit 160 Jahren nicht für die Öffentlichkeit einsehbar.

Normalerweise lagern im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv wichtige Originale. "Aber wir haben auch einen ganz exklusiven Ausnahmebestand bei uns – nämlich die sogenannten Gerstenbergkschen Fälschungen", sagt die Kuratorin Gabriele Klunkert im Gespräch mit MDR KULTUR.

Ein Lehrer, der zum Fälscher wurde

Dahinter steckt einer der prominentesten Fälschungs- und Kriminalfälle Thüringens Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Architekt und Vermesser Heinrich von Gerstenbergk (1814-1887) lebte lange das unstete Leben eines Mathematik-Nachhilfelehrers und Sachbuchautoren. "Etwa um 1850 fängt er an Schiller-Handschriften zu fälschen", so die Kuratorin. Bei einem Einzelfall bleibt es nicht, Gerstenbergk geht regelrecht in Serienproduktion mit seinen Schillerfälschungen. Er schafft es sogar über ein Netzwerk prominenter Mittelsmänner, diese Handschriften auf den Markt zu bringen.

Eine junge Frau in rotem Kleid und Brille steht vor einer Vitrine, in der ein vergilbtes Papier mit alter Handschrift liegt.
Eine Besucherin in der Ausstellung "Mit fremder Feder – Der gefälschte Schiller" im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar. Bildrechte: Klassik Stiftung Weimar

Der Hype um Schiller machte es möglich

Mindestens 400 solcher Fälschungen sind damals – 50 Jahre nach Schillers Tod – aufgetaucht. In Sammlerkreisen sind sie heiß begehrt. Zu den ahnungslosen Abnehmern gehörten etwa die Königliche Bibliothek in Berlin, Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach und sogar Schillers jüngste Tochter, Emilie von Gleichen-Rußwurm.

Gerstenbergk sei sehr klug und in seinem Tun sehr umsichtig gewesen, sagt Gabriele Klunkert. "Nichtsdestotrotz sind dem Fälscher auch zahlreiche Fehler unterlaufen, teilweise auch ganz dumme.“ Zum Beispiel habe er für die ersten Worte des Gedichts "Die Geschlechter" einen Fehler aus einem Nachdruck in sein angeblich handgeschriebenes Originalmanuskript übernommen.

Fälschungen waren 160 Jahren unter Verschluss

Die Ausstellung im Goethe- und Schiller-Archiv schaut nun ganz tief in die Trickkiste des Fälschers. Im Archivbestand allein lagern über 240 Handschriften mit mehr als 380 Blatt, die von diesem historischen Betrugsfall zeugen. In vier Stationen wird die fast schon ikonische Verehrung des Dichterfürsten Mitte des 19. Jahrhunderts beleuchtet, aber auch der Gerichtsprozess gegen den Fälscher Heinrich von Gerstenbergk.

Der Fall hielt die damalige Weimarer Stadtgesellschaft in Atem und das Kreisgericht leistete zur Aufklärung Pionierarbeit auf dem Gebiet der Provenienzforschung. So beauftragte es Experten auf den Gebieten der Schriftsachkunde, Sprachwissenschaft und Materialanalyse mit der Untersuchung der Fälschungen. Dank der gründlichen Vorarbeit benötigte das Gericht nur zwei Tage, um Gerstenbergk zu zweijähriger Haft zu verurteilten.

Dieser Betrug hat sich aber zum Frevel gegen die öffentliche Ehre Weimars gestaltet dadurch, daß er Weimars Literatur-Vermächtnisse weit umher in Mißcredit gebracht hat und bringen wird.

Anton Vollert über Gerstenbergks Fälschungsfabrik, 1856 Goethe und Schiller-Archiv

Einige, der damals unter Verschluss gehaltenen Fälschungen werden nun erstmals seit dem Gerichtsprozess vor 160 Jahren wieder öffentlich gezeigt. Die Ausstellung im Goethe- und Schiller-Archiv wird begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm.

Informationen zur Ausstellung

"Mit fremder Feder - Der gefälschte Schiller"
Zeitraum: 15. September - 17. Dezember 2023
Ort: Goethe- und Schiller-Archiv, Jenaer Straße, Weimar
Öffnungszeiten: Mo-Fr 9 bis 18 Uhr, Sa/So + Feiertage 11 bis 16 Uhr
Der Eintritt ist frei.

Quellen: MDR KULTUR (Julia Hemmerling), Klassik Stiftung Weimar
Redaktionelle Bearbeitung: bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt | 15. September 2023 | 13:30 Uhr

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