Christian Friedel
Schauspieler Christian Friedel hat eine der Hauptrollen in "The Zone of Interest" gespielt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

"The Zone of Interest" Oscars: So hat Schauspieler Christian Friedel die Preisverleihung erlebt

13. März 2024, 14:12 Uhr

Der Film "The Zone of Interest" ist in der Nacht zum Montag mit zwei Oscars ausgezeichnet worden: für den besten Ton und als bester ausländischer Film. Die Hauptrollen im Film spielen die Leipziger Darstellerin Sandra Hüller und Christian Friedel. Für den in Dresden lebenden Schauspieler war die Preisverleihung der Abschluss für ein forderndes aber auch "besonderes Projekt" – und ein sehr emotionaler Abend, wie er im Interview erzählt hat.

MDR KULTUR: Ist der Adrenalinspiegel nach diesen aufregenden Tagen und nach zwei Oscars für den Film "The Zone of Interest" wieder halbwegs normal?

Christian Friedel: Ich bin im Kopf schon bei meiner nächsten Theatervorstellung. Ich gehe den Text durch, weil ich das Stück seit Weihnachten nicht gespielt habe und das durchaus komplizierter Text ist. Das hilft, wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen.

Ein Mann im weißem Anzug schaut sich im Handspiegel an und wird gleichzeitig von drei Wandspiegeln gespiegelt.
Aktuell ist Christian Friedel auch in der Dresdner Koproduktion "Dorian" zu sehen. Bildrechte: Lucie Jansch

Wie war der Moment der Preisverleihung?

Aufregend, also wirklich total schön. Ein besseres Finale dieser langen Reise mit diesem Film, auch der langen Promo-Reise für diesen Film, hätte man sich nicht wünschen können. Ich saß neben Jonathan Glazer, dem Regisseur, und neben dem Produzenten James Wilson. Wir haben das zusammen gefeiert und es war sehr emotional. Sandra [Hüller, Anm. der Redaktion] habe ich auch immer aus dem Augenwinkel gesehen, die diagonal ein paar Reihen vor mir saß, und wir haben das sehr genossen. Es war aufregend und toll, unterhaltend – wirklich besonders.

Wie haben Sie die vergangenen Wochen erlebt? Die Erwartungen und die Hoffnungen waren ja riesengroß.

Wir haben diese Resonanz, diese Aufmerksamkeit und auch diese Nominierungen für die Oscars zum Beispiel nie erwartet. Man wusste, als wir das gedreht haben, das ist ein besonderes Projekt. Aber dass das solche Dimension annimmt, das ist wirklich unglaublich. Natürlich träumt man so vor sich hin und man denkt "Wahnsinn!" über die Aufmerksamkeit, die man plötzlich bekommen hat, gerade in den USA.

James Wilson (l) und Jonathan Glazer posieren mit dem Preis für den besten internationalen Spielfilm für "The Zone of Interest" aus dem Vereinigten Königreich
Produzent James Wilson (links) und Regisseur Jonathan Glazer (rechts) waren verantwortlich für den Film. Bildrechte: picture alliance/dpa/Invision via AP | Jordan Strauss

Was haben denn die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen, Freunde und Freundinnen gesagt? Schöner Stoff aus Deutschland, passt gut zu eurer Geschichte?

Ich glaube, dass alle ziemlich begeistert oder fasziniert waren darüber, wie dieser Film erzählt und gemacht ist. Es gibt zu diesem Film so viele Geschichten, die man erzählen kann, allein wie wir ihn gedreht haben und wo wir ihn gedreht haben. Wir hatten auch Unsicherheiten am Set und waren uns dieser Verantwortung ständig bewusst, gerade weil wir drei Monate lang dort in Auschwitz gedreht haben, direkt neben dem ehemaligen Konzentrationslager.

Dass das aufgeht, dass Jonathans Vision aufgeht, das hat auch viele in den USA sehr beeindruckt. Dass dadurch dieses Thema aus der anderen Perspektive wieder so intensiv wahrgenommen wurde und das in den letzten Monaten auch aufgeladen wurde durch das, was in der Welt passiert und in was für Zeiten wir leben – das Timing konnte nicht besser sein. Dass das nicht ein erwartbarer Film über den Holocaust war, hat alle ziemlich beeindruckt.

Ein Mann in weißem Hemd und Krawatte steht hinter einem edlen Tor und raucht in der Dämmerung. Im Hintergrund leuchtet ein Einfamilienhaus.
Für den Film "The Zone of Interest" hat sich Christian Friedel in Lagerleiter Rudolf Höß hineinversetzt. Bildrechte: Leonine Studios

Wie authentisch wollten sie Rudolf Höß geben?

Ich wollte ihn nicht authentisch geben, um ihn auf irgendeinen Sockel zu stellen oder ihn zu glorifizieren oder ihn interessanter zu machen, als er vielleicht war. Es ging uns immer darum, nach einem Verhalten zu suchen, diese Menschen in ihrer Alltäglichkeit und Spießigkeit.

Es war wie eine eigene Interpretation, inspiriert von den originalen Personen: zum Beispiel wie könnte dieses Abendessen gewesen sein; oder eine Kinderparty im Garten, wie könnte das gewesen sein. Man hat immer geguckt Stück für Stück, was war für eine Situation wichtig und dann hat man verschiedene Variationen probiert. Diese Variationen hat Jonathan Glazer gesammelt und dann in der Postproduktion entschieden, was sich richtig angefühlt hat oder was in dem Zusammenhang interessant sein könnte. So entstand eigentlich erst die Figur im Schnitt.

Familie Höß mit Sandra Hüller (l) als Hedwig Höß und Christian Friedel (M) als Rudolf Heß sitzt am Esstisch in einer Szene des Films "The Zone of Interest"
Das Ziel des Films war es, die Familie des Lagerleiters Höß in ihrem Alltag zu zeigen. Bildrechte: picture alliance/dpa/Leonine

Das ist ein merkwürdiger Film. Es wird keine Opferperspektive großartig geschildert. Es wird eine ganz befremdliche private Täterperspektive gezeichnet. Das hätte auch fürchterlich schief gehen können, oder?

Absolut. Sandra und ich hatten ein immenses Vertrauen in Jonathan und sein Team, weil Jonathan von Anfang an sehr transparent war. Wir haben sehr viele Gespräche geführt. Man hat aber in den ersten Drehtagen auch gemerkt, dass alle sehr angespannt waren, weil das eine sehr große Gratwanderung ist, was wir dort gemacht haben. Als man langsam das Gefühl hatte, das funktioniert, merkten wir, das könnte ein Weg sein.

Ich wusste aber, bis ich das erste Mal den Film gesehen habe, nicht, ob es wirklich aufgeht und wie sich das nachher zusammenfügt. Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen und habe das unglaubliche Vertrauen gehabt. Und als ich dann merkte, dass es funktioniert, war ich sehr, sehr glücklich. Da ist mir auch ein Stein vom Herzen gefallen, weil das eine schmale Gratwanderung ist und uns immer bewusst war, dass das kein Film für die Täter, sondern für die Opfer ist. Es ist aber eine bittere Wahrheit, die trotzdem erzählt und auch künstlerisch umgesetzt werden muss.

Das Gespräch für MDR KULTUR führte Moderator Thomas Bille.
Redaktionelle Bearbeitung: tsa, hki

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 13. März 2024 | 07:10 Uhr

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