Bibliothek Eckart Witzigmann 4 min
Eckart Witzigmann, laut Restaurantführer Gault-Millau ein "Koch des Jahrhunderts", hat der SLUB Dresden Tausende Kochbücher übergeben. Bildrechte: SLUB Dresden/Ramona Ahlers-Bergner
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Der österreichische Starkoch Eckart Witzigmann hat der SLUB Dresden seine herausragende Kochbuchsammlung übergeben – rund 6.000 Bände aus aller Welt. Mario Süßenguth berichtet.

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Deutsches Archiv der Kulinarik Starkoch Eckart Witzigmann übergibt SLUB Dresden 6.000 Kochbücher

23. Oktober 2023, 18:33 Uhr

Der österreichische Sternekoch Eckart Witzigmann hat der Sächsischen Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) in Dresden seine herausragende Kochbuchsammlung übergeben. Die rund 6.000 Bände werden Teil des vor einem Jahr unter dem Dach der SLUB gegründeten Deutschen Archivs der Kulinarik. Die Bücher der Sammlung stammen aus aller Welt. Wie die Bibliothek MDR KULTUR mitteilte, wurde über die Summe des Ankaufs Stillschweigen vereinbart.

  • Starkoch Eckart Witzigmann hat seine Kochbücher über einen Zeitraum von rund einem halben Jahrhundert in aller Welt gesammelt.
  • Die Sammlung mit Fokus auf die Zeit seit den 1970er-Jahren schließt im Deutschen Archiv der Kulinarik der SLUB eine Lücke zum Thema Küche der Moderne.
  • Als weitere Neuerung kündigte das Archiv "Geschmacksdokumentationen" an, die für künftige Generationen festhalten, wie Gerichte geschmeckt haben.

Der legendäre österreichische Sternekoch Eckart Witzigmann trennt sich von seiner herausragenden Kochbuchsammlung. Die rund 6.000 Bände gibt er nach fünfzigjähriger Sammelleidenschaft an das Deutsche Archiv der Kulinarik. "Damit will ich die Forschung zur Kulinarik fördern und jungen Köchinnen und Köchen den Zugang zur exquisiten Küche erleichtern", sagte der 82-Jährige in einer Videobotschaft an das Dresdner Archiv. Dieses gründeten vor einem Jahr die Technische Universität und die Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB). Das Archiv ist nach Angaben der Bibliothek deutschlandweit einzigartig und eines der wenigen dieser Art weltweit.

Witzigmann begann in den 70er-Jahren Kochbücher und kulinarische Werke zu sammeln: historische Schriften bis zurück ins 17. Jahrhundert sind darunter, aber mit 5.000 Druckwerken vor allen Dingen die vielfältige Kochliteratur der Moderne. Aus aller Welt, oft in den jeweiligen Landessprachen verfasst, stammen die Rezeptsammlungen und Beschreibungen aus der Spitzengastronomie oder der Regionalküche.

Alte Bücher in einem Regal
Die Sammlung von Eckart Witzigmann umfasst hauptsächlich moderne Kochbücher. Historische Schriften bis zurück ins 17. Jahrhundert sind aber auch darunter. Bildrechte: SLUB Dresden/Ramona Ahlers-Bergner

Wertvolle Sammlung übers Kochen in verschiedenen Kulturen

"Früher war es ja nicht einfach, an Rezepte ranzukommen – die musste man sich mit Mühe und Tricks erarbeiten", so Witzigmann. In Antiquariaten und Buchläden erwarb er seine Schätze. Die stellte er nicht nur in den Schrank, sondern las darin und lernte daraus, bildete sich weiter, vergrößerte den Horizont seiner kulinarischen Phantasie.

Genau das war ein Grund dafür, die Sammlung Witzigmanns anzukaufen, sagt Katrin Stump, die SLUB-Generaldirektorin: "Witzigmann hat sich intensiv mit den einzelnen Kochbüchern beschäftigt, daraus Anregungen bezogen – somit sind die Bücher Ausdruck seines Weges vom Jungkoch zum Jahrhundertkoch."

Ein älterer Herr mit weißem Haar steht an einem Geländer, im Hintergrund das blaue Wasser eines Sees, dahinter ein bewaldeter Berg
Witzigmann sieht in der Übergabe seiner Kochbücher an die SLUB einen Beitrag zur Kulinarik-Forschung. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Eckart Witzigmann, der "Koch des Jahrhunderts"

Die Auszeichnung "Koch des Jahrhunderts" verlieh ihm 1994 der renommierte Restaurantführer Gault-Millau, hob Witzigmann damit auf die Stufe französischer Koch-Legenden wie Paul Bocuse. Letzterer widmete Witzigmann persönlich einen Prachtband – der sich jetzt im Deutschen Archiv der Kulinarik befindet. "Es ist wunderbar, dass es einen zentralen Ort gibt, an dem für den deutschsprachigen Bereich die die bedeutenden Kulinaria gesammelt werden", so Witzigmann, der die SLUB in der Vergangenheit besuchte und den Ort kennt.

Eigens für die interessierte Leserschaft gibt es in der SLUB das Food-Studio – keine Küche, sondern ein moderner Veranstaltungsraum mit Leseplätzen, Ausstellungsstücken und Präsenzbibliothek zu den Themen Kochen, Gastronomie und Spitzenküche. Josef Matzerath, Historiker und Kulinarikforscher an der Technischen Universität Dresden, hat schon vor Jahren das Feld für diesen Teil gesellschaftlicher Entwicklung eröffnet. Jetzt ist der Professor froh, zusammen mit seiner Forschungsstätte und Unterstützung der Christian C. D. Ludwig-Foundation die Witzigmann-Bibliothek nach Dresden gebracht zu haben.

Die Spitzenküche änderte sich ab den 70er-Jahren

Gerade die Moderne fehlte noch im Archiv: "Die 1970er sind ein Kipppunkt für die Gourmet-Küche. Bis dahin war alles streng geregelt, ab dann wird improvisiert. Beispiel Hummer: Der französische Koch Jean-Claude Bourgueil richtet ihn mit Kamille und Kapern an. Dafür muss man in sein Kochbuch schauen – das haben wir jetzt mit der Sammlung von Witzigmann."

Noch ein Leckerbissen in Schrift und Bild hält jetzt Einzug in das deutschlandweit einmalige Archiv der Kulinarik. Mit sogenannten Geschmacks-Dokumentationen soll der oft flüchtige Genuss von gefüllter Kalbsbrust oder Seezunge Müllerin Art künftigen Generationen vermittelt werden. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn wie schmeckt wohl ein Gericht aus dem 19. Jahrhundert, wenn es ins Jetzt geholt würde?

Regal mit Büchern.
Die Kochbücher von Eckart Witzigmann sollen im Deutschen Archiv der Kulinarik Dresden bald öffentlich zugänglich werden. Bildrechte: SLUB Dresden/Ramona Ahlers-Bergner

Geschmäcker für die Zukunft dokumentieren

"Die Produkte sind teilweise die gleichen – aber es ist ja ein Unterschied, ob eine Gurke mit Kunstdünger gezogen wurde oder auf dem Misthaufen", so Historiker Andreas Rutz, Inhaber des Lehrstuhls für Sächsische Landesgeschichte an der TU Dresden. Der Professor und seine Kollegen arbeiten dafür mit dem Gastronomiekritiker Jürgen Dollase zusammen. "Dessen Geschmacksdokumentationen", so Rutz, "sollen so konkret wie möglich beschreiben, wie ein Gericht entstanden ist und wie es schmeckt – ein Projekt, in die Zukunft gerichtet."

Sowohl die Geschmacksdokumentationen als auch die 6.000 Bücher der kulinarischen Bibliothek von Eckart Witzigmann sollen demnächst öffentlich zugänglich gemacht werden, so die Universitätsbibliothek: Tausende von Rezeptraritäten und präzise Anleitungen für die gehobene Berufsgastronomie und für ehrgeizige Privatköchinnen und -köche daheim.

Quellen: SLUB Dresden, redaktionelle Bearbeitung: hki

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Oktober 2023 | 12:10 Uhr

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