Messehalle 7 auf der alten Messe in Leipzig.
Nächster Standort der Distillery: Messehalle 7 auf der alten Messe in Leipzig. Bildrechte: IMAGO / Ed Gar

Club-Kultur Distillery entsteht auf der Alten Messe neu

28. Dezember 2023, 12:52 Uhr

Im Mai musste Leipzigs legendärer Techno-Club Distillery schließen. An seinem Standort soll ein neues Stadtviertel entstehen - ohne den Club. Man sei schlicht vergessen worden, meint der Club-Betreiber. Und fügt hinzu, das wäre nicht passiert, wenn Clubs als Teil der Kultur anerkannt würden. nun will die "Tille" auf der Alten Messe einen Neustart wagen - allerdings nur vorübergehend.

In der ehemaligen Küche und den Kühlbereichen des alten Restaurants der Messehalle 7 wird rangeklotzt. Wände werden eingerissen, die Luft ist von Staub durchdrungen. Noch fällt es schwer, sich hier tanzende Menschen vorzustellen.

Ein Mann schaut in die Kamera
Distillery-Besitzer Steffen Kache Bildrechte: MDR/Barbara Brähler

Distillery-Besitzer Steffen Kache hingegen hat ein klares Bild vor Augen: "Das ist jetzt der untere Bereich, der so wie der Distillery-Keller werden soll", erklärt er: "Und dann gibt es hier oben drüber noch einen größeren Bereich - das wird dann mit einer Treppe verbunden, die hier hoch kommt, und dort sollen dann auch Konzerte stattfinden, da ist es noch ein bisschen größer."

Neuanfang nach tränenreichem Abschied

Kache sagt: "Wir haben die alte Distillery ja komplett ausgebaut, wir wollen Teile davon auch hier wieder einbauen. Aber wir wollen auch versuchen, die Dinge, die den Charme dieses Ortes ausmachen, zu erhalten. Das wird sozusagen eine Fusion."

Kache läuft mit leuchtenden Augen über die Baustelle. Er könne sich nochmal richtig neu austoben, sagt er. Das sei eigentlich auch nicht schlecht. Und trotzdem: Der Abschied im Mai fiel ihm und dem Team enorm schwer. Etwas abseits vom Baulärm wird er sichtlich sentimental: "Wir haben alle Rotz und Wasser geheult. Ich kann mich dran erinnern an dem Morgen des letzten Abends, da hat mich ein langjähriger Freund und DJ eine Weile lang im Arm behalten. Also das war ganz krass, mir kommen jetzt noch die Tränen, wenn ich daran denke."

Dass die Distillery überhaupt weichen musste, ist ein Effekt von Gentrifizierung. Als Bebauungspläne für den Bayerischen Bahnhof von der Stadt ausgeschrieben wurden, wurde die Distillery schlicht vergessen. Kache sagt: "Hätte damals die Klubkultur schon ein anderes Standing gehabt, wären die nie auf die Idee gekommen, die Distillery zu vergessen."

Betreiber will Anerkennung von Clubs als Kultur

Clubs gesetzlich als Kultur zu werten - dafür kämpft Kache als Vorstandsmitglied der LiveKomm, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland auch auf politischer Ebene. Das würde nicht nur die Vertreibung von Clubs durch Gentrifizierung erschweren. Auch Fördermittel, wie sie Theater oder Opern bekommen, wären dann möglich. Das würde vor allem jungen Kulturschaffenden zugutekommen.

Kache meint: "Also wenn ich weiß, wie viel Geld wir brauchen, um überhaupt diese ganzen Brandschutzmaßnahmen, Schallschutzmaßnahmen umzusetzen und mir dann überlege, eine junge Crew, wie wir das damals Anfang der 90er waren... Das ist überhaupt nicht möglich."

Anwohnerprotest bremst Projekt Gleisdreieck

Mit einem besseren Standing stünden vielleicht auch private Investoren der Klubkultur wohlgesinnter gegenüber, hofft Kache. Auch dem Projekt Gleisdreieck, wo die Distillery ursprünglich hinziehen sollte, käme das zugute.

In dem klammen Büroraum lümmelt Kache auf der durchgesessenen Kunstledercouch und erzählt, warum es erstmal eben nicht das Gleisdreieck wird: "Dort gibt es 20 oder 30 Anwohner, die dort wohnen - das ist ein ehemaliges Bahnbetriebswohnen, das ist an dieses ehemalige Kraftwerk gekoppelt. Die haben so einen massiven Protest organisiert, dass natürlich auch die Stadt sagt, wir müssen das in irgendeiner Form berücksichtigen."

Unter anderem deshalb verzögert sich der Bebauungsplan und damit auch die ersten Baumaßnahmen bis voraussichtlich 2025. Bis die Distillery wieder hätte öffnen können, wäre einfach zu viel Zeit vergangen, sagt Kache: "Es gibt so viele, die fragen: 'Wann geht's denn endlich los!' Oder: 'Das ist mein Wohnzimmer, hier habe ich meine Partnerin, meinen Partner kennengelernt, hier wurden meine Kinder gezeugt.'" Lachend fügt er hinzu: "All sowas."

Die positiv beschwingten Gäste, die die Stimmung auch am Montag mit ins Büro reintragen. Soziale Veränderung auf kleinster Ebene. Und auch die Erfolge, sowohl auf kommunaler als auch Bundesebene mit der LiveKomm, die soziale Verantwortung von Clubs – sei es als Arbeitgeber oder als sozialer Ort – all das hält Steffen Kache am Ball. Nun also mit zwei Projekten, der Halle 7 und dem Gleisdreieck: "Das ist Clubkultur und darauf hab ich einfach Bock."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. Dezember 2023 | 06:00 Uhr

Mehr aus der Region Leipzig

Mehr aus Sachsen